Rosenheim – Dann standen wir uns auf einmal gegenüber: Bisher hatte ich Jodler und Volksmusiker Max Zankl vor allem von diversen Schwarz-Weiß-Fotos gekannt. Das erste von 1985, da steht er mit Gitarre in der Hand vor der Kamera. „Tagsüber ist er Futtermittelkaufmann, in der Freizeit ist der 41-Jährige der ‚Jodlerbua‘, und so ist auch der Titel seiner ersten Musikkassette ‚I bin a Jodlerbua‘, die heute […] vorgestellt wird“, heißt es dazu in einem alten Artikel der OVB-Heimatzeitungen. Dann gibt es weitere Fotos von einem seiner größten Coups: Da war er 1990 mit Heino auf Tour in der erst kurz zuvor geöffneten DDR unterwegs.
Ein Schnauzbart
für eine Filmrolle
Und nun treffen wir uns also schließlich im „Café am Esbaum“ in Rosenheim. Gut gelaunt plaudert Zankl über seine Karriere. Derart ausführlich, dass es am Ende gar nicht alles in den fertigen Artikel schaffen wird. Auf dem Foto aus dem Jahr 1985 hat er noch nicht seinen markanten Schnauzbart. „Der Ludwig Schmid-Wildy hat mich einmal gefragt, ob ich in einem Film mitspielen will. Die Bedingung dafür war aber, dass ich mir einen Bart wachsen lasse. So kam ich zu meinem Markenzeichen“, verrät er im Gespräch. Aber wie kommt es eigentlich bis zu diesem Punkt?
Schon seit bald zwei Jahren gibt es meine Streifzüge durch das OVB-Zeitungsarchiv. Los ging es mit einem Artikel über die Geschichte des Rosenheimer Gasthauses „Fischküche“ anlässlich der Restaurierung des historischen Sudhauses Ende 2023. Aus dem Zeitungsarchiv trug ich einige interessante Quellen zur Geschichte des Traditionslokals zusammen. Dem folgten ein paar erste „Gehversuche“, um die künftige Ausrichtung des Formats zu finden.
Am Anfang steht immer ein Stoß alter Zeitungen – zugegebenermaßen deren Scans in PDF-Form, die ich aus dem Online-Angebot des Stadtarchivs Rosenheim aufrufe. Je eine Samstagsausgabe von vor 30, 40 und 50 Jahren, aktuell also aus den Jahren 1995, 1985 und 1975 sichte ich dabei jeweils auf der Suche nach guten Geschichten. Manchmal mache ich auch Abstecher in frühere Jahrzehnte, aber in der Regel bleibt es bei jenen drei. Manchmal findet sich auf Anhieb eine passende Ausgabe, manchmal dauert es etwas länger. In der Regel versuche ich, eine Ausgabe zu finden, die möglichst spannende und vielleicht auch für die jeweilige Zeit typische Geschichten vereint.
Nehmen wir beispielsweise die Ausgabe vom 10. Mai 1975: Hier geht es mit zwei Berichten über einen Unfall und einen gefassten Einbrecher los. Kernstück ist dann eine kuriose Geschichte. Erst kurz zuvor war in den 1970er-Jahren eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, laut der einerseits grundsätzlich pornografische Filme in Kinos gezeigt werden durften, andererseits aber nicht beworben. „Leidtragende [….] sind die Damen an den Kinokassen. Seitdem es verboten ist, für gewisse Filme öffentlich zu werben, was unter anderem auch die Bekanntgabe des Titels umfasst, fällt den Kartenverkäuferinnen die Aufgabe zu, Besuchern und Anrufern auf entsprechende Anfragen ‚Dauernd erregt‘ oder ‚Da legst di nieder – es geht schon wieder‘ zu antworten. Und das ein paar dutzendmal hintereinander.“ Den Abschluss machen eine Geschichte darüber, wie ein sich unter dem Ehebett versteckender Einbrecher gefasst wurde sowie ein Bericht über einen Freundschaftsbesuch von Feuerwehrlern aus Rosenheims Partnerstadt Briançon.
Manchmal stoße ich dabei auf Geschichten, die ich ausführlicher in einem oder manchmal sogar mehreren Artikeln separat beleuchten will.
Meistens bedeutet das erst einmal eine ausführliche Recherche: Was waren die Hintergründe beziehungsweise Vorgeschichte? Wo findet sich dazu noch Bildmaterial? Gibt es jemanden, der mehr dazu erzählen kann, einen Zeitzeugen oder Experten? Zunächst sammle ich dann in der Regel Notizen und Berichte, aus denen ich zitieren will. Wenn nötig und möglich nehme ich Kontakt mit denjenigen auf, von denen ich Auskünfte, Bildmaterial oder Aussagen benötige.
Das kann dann auf unterschiedliche Weise ausfallen: Für einen Artikel zum 160. Jahrestag des Abrisses des Inntors in Rosenheim stand mir beispielsweise Stadtarchivar Dr. Christian Höschler für Fragen zur Verfügung und schickte mir auch eine Auswahl an Bildern. Als Ergänzung zu einem Bericht über ein tragisches Bootsunglück auf dem Chiemsee, bei dem ein Sportlehrer aus Nürnberg 1985 trotz Warnungen mitten in einen Sturm segelte, berichtete mir wiederum Werner Vietz, Vorsitzender der Wasserwacht Prien-Rimsting, wie sich Wassersportler dort heutzutage verhalten. Besonders toll ist es natürlich, wenn ich direkt mit einem Zeitzeugen reden kann, wie etwa eingangs beschrieben mit Jodler Max Zankl.
Manche Geschichten kommen von allein
Schließlich gibt es noch Geschichten, die sozusagen zu mir kommen. Etwa, als in Rosenheim die Abrissarbeiten an der ehemaligen Diskothek „Calypso“ begannen. „Es war einfach immer was los“, schwärmte Cynthia Gallenmüller, die Witwe des „Calypso“-Inhabers Horst Gallenmüller, im Gespräch mit mir.
Oder, als ein Verein hinter der „Asta“-Kneipe in Rosenheim dem Stadtarchiv Dokumente aus dessen Anfangszeit übergab. Was sie selbst darin an Zeitzeugnissen gefunden hatten, konnte ich dann wiederum durch diverse Artikel aus der Zeitung in meinem Beitrag zitieren.
Schließlich veröffentlichte Anfang des Jahres Rosenheims Stadtarchivar im Wissenschaftsblog „Rosenheimer Miszellen“ einen Beitrag über das Geschehen und die Proteste rund um ein Treffen einer ehemaligen Waffen-SS-Division in Rosenheim 1971. Auch hier konnte ich in meinem Beitrag dazu dies durch ausgewählte OVB-Zeitungsberichte aus dieser Zeit ergänzen.