Raubling baggert gegen künftige Flut

von Redaktion

Vor einem Jahr wurde die Gemeinde Raubling mit voller Wucht vom Hochwasser überrollt. Vor allem in Kirchdorf und Raubling ist die Angst groß, dass eine neue Überflutung nur eine Frage der Zeit ist. Ein Schutzkonzept gibt es noch nicht. Die Gemeinde packt trotzdem an und entschärft Krisenherde.

Raubling – Am 3. Juni 2024 bahnte sich das Wasser von allen Seiten den Weg nach Kirchdorf. Über Litzldorfer und Ammerbach, über die Wiesen und als Rückstau vom Durchlass an der Neubeurer Straße. Ein Jahr später gräbt sich der Bagger am Enzianweg in den Litzldorfer Bach, hebt tonnenweise Einschwemmungen, Erde, Büsche und Gras aus, verbreitert die Bachsohle und zieht die Böschung höher. Seit dem verheerenden 2024er-Hochwasser arbeitet die Gemeinde intensiv an ihren Bachläufen – um Hochwasserschäden zu beseitigen und den Abflussquerschnitt zu verbessern.

Was Gewässerunterhalt bewirken kann

Mähen, Räumen, Freischneiden waren gestern. Heute fließen die bitteren Erfahrungen der Flut in die Gewässerunterhaltung der Gemeinde ein. Es wird genauer hingeschaut, vermessen und geprüft: Gibt es Verlandungen? Sind die Querschnitte der Bäche eingeschränkt? Muss die Bachsohle wieder verbreitert werden? Gibt es Abflusshindernisse? Müssen Bäume, Wurzeln oder wilde Holzbauten weichen? Sind Böschungen, Ufermauern und Brücken intakt? Wo könnte nachgebessert werden? Alles in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Wasserwirtschaftsamt.

„In den vergangenen Monaten haben wir in den Bachläufen mehr Volumen geschaffen und die Böschungen stabilisiert, damit das Wasser besser und schneller abfließen kann“, erklärt Bürgermeister Olaf Kalsperger. Ein Brennpunkt des Hochwassers in Kirchdorf könnte damit schon entschärft sein: die Brücke an der Neubeurer Straße. Der Litzldorfer Bach wurde von der Staatsstraße bis zur Fußgängerbrücke Altwasser beräumt. Derzeit arbeitet sich der Bagger in der anderen Richtung von der Neubeurer Straße parallel zum Enzianweg bis zur Einmündung des Ammerbachs vor. Auch am Ammerbach wird geräumt und gebaut: Im engen Siedlungsbereich sind die Böschungen inzwischen mit Steinen verstärkt. Nun gehen die Arbeiten stromabwärts weiter.

Aus der Luft sehen die Wasseradern der Gemeinde inzwischen richtig „aufgeräumt“ aus. So auch der Obere Tännelbach zwischen Raublinger Feuerwehrgerätehaus und A93. Gearbeitet wird aber auch im Süden der Gemeinde: Im Bereich von Sonnenholz und Wiesenhausen wurde die von den Wassermassen ausgespülte Böschung des Moosecker Baches zum Hochwasserschutz mit Steinen verbaut, in Reischenhart der Holzverbau des Kegelfeldgrabens repariert. Im Norden der Gemeinde wurden im Bereich des Gewerbegebietes am Arzerbach Durchlässe beräumt, Böschungen ertüchtigt und teilweise mit Steinverbau gesichert.

Am Unteren Tännelbach soll im Bereich zwischen Fuchsbichl und Obergrünthal ein Durchlass erneuert und mit einem Schieberbauwerk versehen werden, um den Abfluss im Hochwasserfall drosseln zu können. In Grünthal wurden Bäume und Wurzelstöcke entfernt, um eine Engstelle aufzuweiten. Und in Pfraundorf – ebenfalls am Unteren Tännelbach – wurden Hochwasserschäden beseitigt und die Ufer mit Steinverbau gesichert.

In Kleinholzhausen wurde für den Bereich am Gmainweg am Litzldorfer Bach bereits eine Maßnahme in Auftrag gegeben. Und auch die Bäche in Großholzhausen (Schneidbach, Dorfbach) werden für Optimierungen analysiert.

Die Beräumung und Stabilisierung der Bachläufe sind ein wichtiger Bestandteil des Hochwasserschutzes, reichen allein aber nicht aus. Im Rahmen einer Hochwassergefährdungsanalyse wird deshalb unter anderem geprüft, ob und wie die Bäche bereits westlich der Autobahn gedrosselt werden könnten, um Raubling und Kirchdorf zu schützen.

Ein Blick auf die Flut vom 3. Juni 2024 zeigt das Gewässersystem, das zu den Überschwemmungen im Raublinger Gewerbegebiet und in Kirchdorf führte. Da ist zum einen der Litzldorfer Bach, der auf seinem Weg aus den Bergen viel Wasser mitbringt, westlich der Autobahn den Ammerbach speist, sich in Obermühl mit dem Schusterbach und in Kirchdorf wieder mit dem Ammerbach vereinigt. Parallel zum Oberen und Unteren Tännelbach sowie Kreidenbach spült er die Wassermassen aus den westlichen Vorlandbereichen gen Osten über Raubling zum Inn.

Der Ammerbach wiederum führt das Wasser, das über den Rohretgraben aus der Rohretfilze kommt. Bahngraben und Oberer Tännelbach bringen das Wasser aus den Aiblinger, Rohret- und Kollerfilzen und vereinigen sich im Ortsteil „Am Ammer“ mit dem Ammerbach. Ein komplexes hydrologisches System, das genau berechnet werden muss, um es zu bändigen.

Bis zum Sommer sollen die Ergebnisse des Ingenieurbüros vorliegen und unter anderem darüber Auskunft geben, wo ein Rückhalt möglich wäre oder ob der Durchlass unter der Neubeurer Straße vergrößert werden muss. „Bis dahin nutzen wir die Zeit, um mit Grundstückseigentümern und den verschiedensten Fachbehörden zu sprechen und den langwierigen Planungsprozess vorzubereiten“, erklärt Verwaltungsleiter Korbinian Kopp. Denn auch wenn klar ist, wo ein Rückhalt Sinn machen würde, dauert es Jahre, ehe das Planungsverfahren für ein solches Bauwerk abgeschlossen ist und tatsächlich gebaut werden kann.

Waldbesitzer
sind mit im Boot

Gute Erfahrungen mit Grundstückseigentümern sammelte die Gemeinde bereits beim Schutz der Siedlung am Rohret. Auf einer Länge von 300 Metern soll direkt am Waldrand ein mindestens 80 Zentimeter hoher Erd-Kies-Wall errichtet werden, um das Wasser in der Rohretfilze zurückzuhalten und kontrolliert in den Oberen Tännelbach abzuleiten. „Alle zehn betroffenen Waldbauern haben uns ihre uneingeschränkte Unterstützung zugesagt“, ist der Bürgermeister dankbar. Ein fünf Meter breiter Streifen wurde bereits freigelegt, damit der Wall gebaut werden kann. Die Kosten belaufen sich auf etwa 80000 Euro.

Rückhalt in den Mooren wird geprüft

Mehr Wasser in den Mooren zurückzuhalten, ist ein Wunsch der Raublinger. Dabei arbeiten Gemeinde, Untere Naturschutzbehörde, Moormanagement und Bayerische Staatsforsten nach der Flut von 2024 viel enger zusammen. Auch die Ängste, Beobachtungen und Erfahrungen der Bürger fließen in neue Projekte ein und werden ernster genommen. So wurde auf ihren Wunsch beispielsweise die Renaturierung der Hochrunstfilze verschoben sowie ein Entwässerungsgraben entlang der Panger Straße beräumt und somit reaktiviert. Nun wird in den renaturierten Bereichen geprüft, ob mehr Regenrückhalt im Moor möglich ist.

Die Gemeinde Raubling hat in diesem Jahr etwa 700000 Euro für Hochwasserschutzmaßnahmen eingeplant. Hinzu kommen laufende Mittel für den Gewässerunterhalt: in diesem Jahr bereits 160000 Euro. Ab Juli wird ein neuer Mitarbeiter das Bauamt der Gemeinde verstärken. Er soll sich vor allem den künftigen Hochwasserschutzprojekten widmen.

Artikel 8 von 11