Raubling – Es war eine Katastrophe: Als das Hochwasser am 3. Juni 2024 Kirchdorf überflutete, verwandelten sich die Straßen in reißende Flüsse, die Wiesen in Seen, die Häuser in Inseln. Keller und Tiefgaragen standen unter Wasser, auch in den Erdgeschossen breitete sich die braune Flut aus. Etwa 300 private Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen: Die Betroffenen schätzen die Schäden im Ort auf circa 80 Millionen Euro.
Rosina und Konstantin Fourkiotis waren gerade im Urlaub, als sie die Hiobsbotschaft erreichete. Als sie am späten Abend des 3. Juni in Kirchdorf ankamen, sahen sie das Unfassbare: „Die Siedlung glich einem See“, erinnert sich Konstantin (68). Und mittendrin ihr Haus: 1991 am Enzianweg erbaut, kaum 30 Meter vom Litzldorfer Bach entfernt. „Ein Hochwasser von solch einem Ausmaß hatten wir hier noch nie erlebt.“
Keller und
Erdgeschoss geflutet
Am nächsten Morgen wurde das ganze Ausmaß der Katastrophe sichtbar: Das Hochwasser hatte den Keller geflutet, mit großer Wucht Fenster und Stahltüren eingedrückt und aus den Angeln gehoben, die Heizöltanks aufgetrieben und zerstört. Die stinkende ölige Brühe war nach oben gestiegen und hatte auch das Erdgeschoss etwa 20 Zentimeter unter Wasser gesetzt.
Das komplette Innenleben von Keller und größtenteils auch Erdgeschoss war vernichtet: Heizung, Elektrogeräte, Möbel, Klavier, Teppiche, Kleidung, Schuhe und viele Erinnerungsstücke an sechs Jahrzehnte ihres Lebens. „Trotzdem hatten wir Glück“, sagt Konstantin ganz pragmatisch: „Keinem von uns war etwas passiert, und wir hatten eine Elementarversicherung.“ Zwar nicht für den wertvollen Hausrat, aber zumindest fürs Gebäude. Auch inmitten der Katastrophe bewahrte sich der gebürtige Grieche seinen Optimismus: „Es ist passiert. Wir können es nicht ändern.“
Seit der Flut ist ihr Haus am Enzianweg ein „Großschadensfall“ und unbewohnbar: Erst liefen monatelang die Trockner. Dann wurden Materialproben genommen. Weil das Heizöl tiefer als erwartet in die Bausubstanz eingedrungen war, wurde zwischenzeitlich sogar ein Abriss erwogen. Im Mai 2025 schließlich begann die Sanierung. „Ich bin dankbar dafür, dass unsere Versicherung sich um alles kümmert und die kompletten Bauarbeiten koordiniert“, sagt Fourkiotis: „Ich wäre damit überfordert.“
Die ersten Stützmauern im Keller wurden inzwischen ausgetauscht. Jetzt arbeiten sich die Handwerker meterweise nach oben vor. Stichproben in Wänden und am Boden zeigen, dass die komplette Bodenplatte ausgetauscht werden muss, genauso wie die Wände im Erdgeschoss bis zu einer Höhe von etwa 80 Zentimetern. Was aus den Holzelementen des Wintergartens wird, steht noch nicht fest.
Die Kontamination mit Heizöl ist so stark, dass der beißende Geruch noch immer in den Räumen steht. Das Obergeschoss wurde mit Trockenbauwänden und Folien abgeschottet. Selbst im Freien hängt der Gestank in der Luft. Auch die Garage muss abgerissen werden, denn der Ölgeruch kann nur neutralisiert werden, wenn alle kontaminierten Bauteile beseitigt wurden. Wie lange die Bauarbeiten noch dauern werden, ist daher nicht abzusehen.
Seit einem Jahr leben Konstantin und Rosina Fourkiotis nun schon in einer Ferienwohnung in Mühlbach bei Kiefersfelden. „Wir wohnen dort, wo andere Urlaub machen, direkt am Luegsteinsee“, sagt er. Doch auch wenn es dort wunderschön ist, und die Versicherung die Kosten trägt, auch wenn sie Zeit mit Kindern und Enkeln verbringen und viel auf Reisen sind: Sie möchten endlich wieder in ihrem eigenen Zuhause ankommen. „Fürs Rentenalter hat wohl jeder einen besseren, stressfreieren Plan. Unsere Lebensqualität ist schon signifikant gemindert“, gibt der 68-Jährige zu. Ein Ende ihres privaten Ausnahmezustandes ist noch nicht abzusehen: Eine neue Küche hatten sie schon bestellt, mussten sie aber wieder stornieren. Dass die Sanierung so lange dauern würde, damit hatten sie nicht gerechnet. „Das Wichtigste ist, dass es ordentlich gemacht wird“, sagt Konstantin. Ende August zieht Familie Fourkiotis noch einmal um, näher an die Baustelle heran, in eine Ferienwohnung in Neubeuern. So können sie jetzt, da die Sanierungsarbeiten laufen, regelmäßig nach dem Stand der Dinge schauen.
Schwachstellen
im Haus beseitigt
„Der Klimawandel schlägt immer öfter zu“, sagt Fourkiotis nachdenklich und erinnert dabei auch an die schweren Überschwemmungen in Thessalien, die im September 2023 Dörfer verwüsteten und 17 Opfer forderten. Er weiß, dass der Mensch auch selbst die Initiative ergreifen muss, um sich zu schützen. „Wir kennen jetzt die Schwachstellen unseres Hauses, bauen hochwassersichere Fenster ein, stocken die Mauern um die Kellerschächte auf und werden in Zukunft mit einer Wärmepumpe heizen“, erläutert er. Auch die Gemeinde hat vorgesorgt, die Sohle des Litzldorfer Bachs vertieft und damit den Abflussquerschnitt erhöht. Trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl, denn der nächsten Starkregen kommt bestimmt. Doch auch ein anderes Gefühl ist den Kirchdorfern nach der Flut geblieben: das der großen Solidarität. Fourkiotis hat die Erinnerung bewahrt: „An die bedingungslose Nachbarschaftshilfe, die enorme Solidarität und die vielen Rettungskräfte, die bis zur Erschöpfung gearbeitet haben.“