Hausarztpraxis statt Gemeindeakten?

von Redaktion

Ärztemangel ist in Halfing kein Thema. Eine Hausarztpraxis mit drei Ärztinnen gibt es schon, ein vierter Arzt soll kommen. Doch für ihn fehlt der Platz. Jetzt will die Gemeinde in der Ortsmitte eine Lösung schaffen, damit die Praxis langfristig erhalten bleibt. So sehen die Pläne aus.

Halfing – Eine wohnortnahe medizinische Versorgung ist keine Selbstverständlichkeit. In Bayern fehlen etwa 500 Hausärzte. Ganz anders sieht es in der Region aus: Die Hausärztliche Gemeinschaftspraxis Bad Endorf GbR hat diesen Trend umgekehrt. Die GbR wurde im Jahr 2012 gegründet. „Damals haben wir fünf Hausarztpraxen zusammengelegt“, berichtet Allgemeinarzt Dr. Wolfgang Prokop, einer der Gründer und geschäftsführenden Gesellschafter.

Gemeinschaftspraxis
mit 20 Ärzten

Mit neun Ärzten und 16 medizinischen Fachangestellten ging die Gemeinschaftspraxis damals an den Start. „Heute betreuen wir unsere Patienten mit 20 Ärzten und 50 Mitarbeitern in unseren hausärztlichen Praxen in Bad Endorf, Eiselfing und Halfing sowie im Diabetes Zentrum Chiemgau in Bad Endorf und den Filialpraxen in Prien und Übersee“, so Prokop.

Der Praxis-Standort am Finkenweg in Halfing wurde vor einem Jahr eröffnet. In der allgemeinmedizinischen Praxis sind Dr. Regina Baumgärtner-Voderholzer, Dr. Yan Yuh Hopfner und Dr. Angelika Biller tätig. „Die Nachfrage ist so groß, dass wir einen vierten Arzt einstellen möchten, um unsere Patienten zeitnah versorgen zu können“, sagt Praxisleiterin Dr. Baumgärtner. Interessierte junge Ärzte gibt es genug, in der Praxis am Finkenweg aber leider zu wenig Platz. Zudem läuft der Mietvertrag im Juli 2026 aus. „Deshalb sind wir auf der Suche nach einem Mietobjekt für eine langfristige Lösung“, erklärte Dr. Prokop dem Halfinger Gemeinderat jetzt in einer Sondersitzung.

Der einstige Traum der Gemeinde von einem Halfinger Ärztehaus in der Ortsmitte war nicht förderfähig und somit schnell wieder vom Tisch. Trotzdem hätte Halfing für eine große Gemeinschaftspraxis ausreichend Platz – und zwar direkt unterm Dach des Rathauses. Bisher werden dort vor allem Akten archiviert. „Doch die können wir auch anderweitig verstauen“, sagt Bürgermeisterin Regina Braun. Dann stünden etwa 385 Quadratmeter für eine große hausärztliche Gemeinschaftspraxis zur Verfügung.

Die Mediziner haben sich den Dachboden schon angeschaut und erste Skizzen gemacht. „Hier könnten wir vier Behandlungszimmer sowie Funktions- und Schulungsräume unterbringen“, resümiert Praxisleiterin Baumgärtner. Barrierefreiheit könnte beim Umbau geschaffen werden. Vom Erdgeschoss gelangt man schon jetzt mit dem Fahrstuhl bis ins Dachgeschoss. Und der ist sogar für Liegendtransporte geeignet.

Der Gemeinderat muss nun entscheiden, ob die Gemeinde die Kosten für den Ausbau übernimmt. Die Vorteile des Projektes liegen auf der Hand: Die Gemeinde würde ihrer Verantwortung für die Daseinsfürsorge ihrer Bürger gerecht. Die Nutzung leer stehender Räume wäre nachhaltig. Es müssten keine zusätzlichen Flächen für einen Neubau versiegelt werden. Die Ortsmitte würde mit der Gemeinschaftspraxis attraktiver. Ausreichend Parkplätze wären vorhanden. Und die Gemeinde würde sich dauerhafte Mieteinnahmen sichern. Zudem fördert das bayerische Gesundheitsministerium kommunales Engagement für die Verbesserung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum mit bis zu 150000 Euro.

Vor einer Entscheidung kamen Gemeinderäte und Ärzte jetzt erstmals zusammen, um die gemeinsame Zukunft abzustecken. Wie langfristig diese ausgelegt sei, wollten viele Räte wissen. Denn die demografische Entwicklung macht auch vor Medizinern nicht halt. Laut Kassenärztlicher Vereinigung Bayerns liegt der Altersdurchschnitt bei Hausärzten in der Region bei etwa 58 Jahren. Wäre also schon in zehn Jahren Schluss? „Auf keinen Fall“, konnte Dr. Prokop beruhigen: „Wir verjüngen uns gerade. Der Generationswechsel in unserer Hausärztlichen Gemeinschaftspraxis ist in vollem Gange. Und die jungen Ärzte haben noch viele Jahre vor sich. Wir wären also auch in Zukunft zuverlässige Mieter.“

Junge Ärzte arbeiten nicht nur im Team mit, sondern übernehmen als Gesellschafter auch Verantwortung für die GbR. „Damit binden sie sich langfristig, werden als freiberufliche niedergelassene Ärzte dauerhaft Teil der Gemeinschaftspraxis“, erläuterte Prokop. „Wir haben Menschen gefunden, die unsere Praxis in unserem Geiste weiterführen: die eine langfristige und vertrauensvolle Arzt-Patienten-Bindung aufbauen, Menschen wohnortnah betreuen und damit soziale Verantwortung für Familien auf dem Land übernehmen wollen.“

Das Modell einer Gemeinschaftspraxis hat viele Vorteile gegenüber einer Einzelpraxis: „Die Ärzte werden nicht überlastet, können sich die Arbeit teilen, Beruf und Familie besser in Einklang bringen. Sie können sich im Urlaub vertreten, sodass für die Patienten immer ein Hausarzt erreichbar ist“, sagte Dr. Baumgärtner. „Und die älteren Kollegen können in den Ruhestand gehen, ohne dass es in der hausärztlichen Versorgung ihrer Patienten einen Bruch gibt.“ Die Arbeit im Team sei weitaus effektiver als als Einzelkämpfer. Zudem ermögliche sie es Ärzten und Fachangestellten, vom breitgefächerten medizinischen Fachwissen und den Erfahrungen verschiedener Generationen zu profitieren.

„Wir leben in unserer Gemeinschaftspraxis eine wertschätzende Unternehmenskultur mit Teamgeist, Respekt und kollegialer Hilfe. Bei uns macht das Arbeiten Spaß, weshalb wir auch keine Personalsorgen haben, sondern bei Stellenausschreibungen sehr viele Bewerbungen erhalten“, erläuterte Dr. Stephanie Bolland, Fachärztin für Innere, Sport-, Höhen- und Berg- sowie Notfallmedizin und ebenfalls geschäftsführende Gesellschafterin.

Entscheidung noch
vor der Sommerpause

„Engagierte niedergelassene Ärzte und eine engagierte Gemeinde, das ist eine hervorragende Ausgangssituation“, resümierte Dr. Francisco Moreano, Unternehmensberater der Hausärztlichen Gemeinschaftspraxis Bad Endorf-Eiselfing-Halfing. Nun komme es darauf an, diese Bausteine zusammenzufügen. Der Gemeinderat wird voraussichtlich noch vor der Sommerpause eine Entscheidung treffen. Doch schon in der Beratung mit den Ärzten wurde deutlich, dass allen eines am Herzen liegt: die Gemeinschaftspraxis in Halfing zu erhalten.

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