Aschau – Ein echter Beitrag zur Wärmewende oder eine Zumutung für die Anwohner? In Aschau im Chiemgau wird kontrovers über die geplante Nahwärmeversorgung diskutiert. Doch wie steht der Gemeinderat zum Millionen-Projekt?
Am 15. Juli findet eine Sondersitzung des Aschauer Gemeinderates statt. Dann sollen die grundlegenden Entscheidungen zur Nahwärmeversorgung fallen, die im nördlichen Bereich der Gemeinde beginnen. Schon in der jüngsten Gemeinderatssitzung (3. Juni) wurde deutlich, wie der Gemeinderat zum Projekt steht.
Großes Interesse, positive Prognose
Wolfgang Wimmer vom Biomassehof Achental gab eine „sehr positive Prognose“ für das Projekt. Die Eigentümer von 150 Gebäuden mit 555 Haushalten hätten Interesse an einer Nahwärmeversorgung bekundet. Vorverträge wurden bisher für 73 Gebäude und 227 Haushalte abgeschlossen. Doch, so Wimmers Erfahrungen aus anderen Gemeinden: „Ein solches Projekt braucht Zeit.“ Der Abschluss von Verträgen sei erfahrungsgemäß zögerlich.
Doch die Schlüsselkunden hätten zum großen Teil bereits ihre Verträge unterschrieben. Im ersten Bauabschnitt sollen unter anderem die orthopädische Kinderklinik, die Preysing-Grundschule und das Seniorenheim Priental angeschlossen werden. Stimmt der Gemeinderat einer Umsetzung des Projektes zu, sollen die lokalen Heizungsbauunternehmen als Projektpartner eng in die Umsetzung eingebunden werden, kündigte Wimmer an.
Geplant ist ein Biomasseheizwerk mit einer Leistung von drei Megawatt (MW) pro Jahr. Es könnte also drei Millionen Kilowattstunden (kWh) Wärmeenergie pro Jahr liefern. Ausreichend Holzhackgut sei in der Region vorhanden, versicherte Wimmer, darunter aus der Waldbewirtschaftung, der kommunalen und privaten Landschaftspflege oder aus der Restholz-Verwertung der Holzverarbeitung.
Die Investitionskosten belaufen sich auf circa 13,2 Millionen Euro. Nach Abzug von Fördermitteln würden etwa sechs Millionen Euro verbleiben, welche die noch zu gründende Priental Wärme GmbH aufbringen müsste. „Von zwei regionalen Banken haben wir schon Finanzierungszusagen“, informierte Wimmer.
Regionale Wertschöpfung
„Das ist ein echter Beitrag zur Wärmewende und zur regionalen Wertschöpfung“, betonte Erster Bürgermeister Simon Frank (ZfA). „Es ist eine einmalige Chance für Aschau auf eine nachhaltige Energieversorgung“, lobte Zweiter Bürgermeister Michael Andrelang (CSU). „Ein wirklich zukunftsweisendes Projekt“, sagte Johann Feistl (ZfA). „Damit können wir den Abfall verwerten, der vor Ort entsteht und unsere regionalen Ressourcen besser nutzen“, machte Dritte Bürgermeisterin Monika Schmid (FWG) klar. „Der neue Standort wird von der Bevölkerung gut angenommen“, bestätigte Tatjana Mittermayer (ZfA) die Hoffnung, dass mit dem Abrücken des Biomasseheizwerks von der Bebauung an der Pölchinger Straße die Akzeptanz für das Projekt steigt.
Nur Claudia Hess (Grüne) übte Kritik, unter anderem an der enormen Geschwindigkeit, mit der das Vorhaben vorangetrieben werde. Dem widersprach Sebastian Pertl (FWG). „Wir reden schon lange darüber. Nichts ist überstürzt.“ Tatsächlich hat die Gemeinde schon seit 2014 einen Energienutzungsplan. Erarbeitet wurde er unter Bürgermeister Werner Weyerer mit Bürgern und der Fachhochschule Kufstein Tirol Bildungs GmbH. Schon damals wurde das große Potenzial an Biomasse in der Region hervorgehoben. Für die geplante zentrale Wärmeerzeugung mit Wärmenetz in Niederaschau waren im Vorfeld 28 alternative Standorte für ein Biomasseheizwerk – also die Energiezentrale – mit Holzhackschnitzel-Lager geprüft worden. Anfangs war der Standort A an Pölchinger Straße und Ahgraben favorisiert worden. Aufgrund der wachsenden Abnehmer-Nachfrage im ersten Bauabschnitt wurde der Standort D an der Staatsstraße 2093 interessanter. Er ist von der Bebauung weiter entfernt. „Wir müssen zwar eine Zuwegung von etwa 200 Metern ohne Anschlüsse schaffen, aber die Wirtschaftlichkeitsverluste sind akzeptabel“, informierte Bürgermeister Frank. Der Grundbesitzer habe zugestimmt. Die Energiezentrale soll in Stadl-Optik gestaltet werden.
Argumente gegen
den neuen Standort
Grünen-Rätin Claudia Hess, selbst Anwohnerin der Pölchinger Straße, hält auch den Standort D für ein Biomasseheizwerk für ungeeignet. Durch den Ahgraben sei kein wirklicher Hochwasserschutz gegeben. Sie forderte einen Ausbau der Pölchinger Straße vor Beginn der Baumaßnahmen am Biomasseheizwerk, um die Leitungen schon vorab vor der Last der Lkw zu schützen. Grundsätzlich sollte aber vor einer Entscheidung für das Projekt geklärt werden, ob eine Zuwegung von der Staatsstraße möglich ist. Diese, so stellte sie in den Raum, sei billiger.
Zuwegung über Staatsstraße möglich?
„Eine entsprechende Anfrage unserer Gemeinde wird vom Staatlichen Bauamt Rosenheim gerade geprüft“, informierte Bürgermeister Simon Frank (ZfA). Er stellte aber auch klar, dass das Gemeinwohl vor dem Einzelwohl stehe: „Da fährt dann auch mal ein Lkw vorbei.“ Wenn keine Stichstraße von der Staatsstraße genehmigungsfähig sein sollte, führt die Zufahrt zum geplanten Standort D über die Pölchinger Straße und zweigt dann auf Höhe des Ahgrabens gen Osten ab.
Dafür müsste die Pölchinger Straße möglicherweise in Abschnitten verbreitert werden. Diese Kosten müsste die Gemeinde tragen. Den Bau einer Erschließungsstraße auf der grünen Wiese von der Pölchinger Straße zum Standort D würde die Priental Wärme GmbH finanzieren. Auch über die Gründung dieser Priental Wärme GmbH muss der Gemeinderat noch entscheiden. Gesellschafter wären die Biomassehof Achental Beteiligungen GmbH & Co.KG sowie die Gemeinde Aschau im Chiemgau. In einem städtebaulichen Vertrag müsste die Kostenübernahme geklärt werden.
Umweltprüfung mit
der Bauleitplanung
„Hochwasser- und Naturschutzbelange“, erläuterte der Bürgermeister, „werden im Rahmen einer Umweltprüfung als Bestandteile der Bauleitplanung intensiv geprüft.“ Der Standort der Gebäude sollte so gewählt werden, dass keine negativen Auswirkungen auf die im angrenzenden Bereich kartieren Überschwemmungsgebiete zu erwarten sind.
Zudem plant die Gemeinde aktuell Hochwasserschutzmaßnahmen für den Bereich Kalkgraben, die den Wohngebieten Dreilindenweg, Herbststraße und Pölchinger Straße künftig Sicherheit bieten sollen. Im Bauleitplanverfahren werden auch verkehrsrechtliche Belange und Immissionsschutz geprüft. Für die geplante Energiezentrale muss der Flächennutzungsplan geändert und ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Die Weichen dafür könnte der Gemeinderat in der Sondersitzung am Dienstag, 15. Juli, stellen. „Wenn alle Fragen geklärt sind, und der Gemeinderat positive Beschlüsse fasst, könnte der Bau der Energiezentrale Anfang 2027 beginnen“, so der Bürgermeister.