Aschau – In den sozialen Medien gibt es Lob für das Sonnwendfeuer auf der Kampenwand. Aber noch mehr Kritik: „Die ist meist viel lauter“, sagt Isabelle Blum-Friedel, Marketingchefin der Kampenwandseilbahn. Am längsten Tag des Jahres, heuer ein Samstag, 21. Juni, saß auch sie an der Kasse in der Talstation und hat den Besucheransturm miterlebt. „Mit so vielen Menschen hätten wir nicht gerechnet“, gibt sie zu. Dass die Sonnwendfeier durch die vielen Menschen auf dem Berg und die langen Wartezeiten an der Seilbahn für manchen kein schönes Erlebnis war, bedauert sie. Doch ist daran die Kampenwandseilbahn schuld?
Jeder darf auf den
Berg – egal wie
„Jeder kann auf den Berg“, macht Blum-Friedel klar. Zu Fuß. Mit dem Rad. Oder eben mit der Kampenwandbahn. Am Tag der Sonnenwende waren es besonders viele, die sich zum Gipfel aufmachten. Auf drei Almen wurden Sonnwendfeuer entfacht: der Möslarn-, der Steinling- und der Gorialm.
An der Talstation bildeten sich enorme Schlangen. „Schon bei der Auffahrt standen wir 1,5 Stunden an, obwohl wir Online-Tickets hatten“, beschwert sich ein Besucher. Doch am Drehkreuz mussten sie sich alle gedulden. Egal, wo sie ihr Ticket gekauft hatten: ob vorab an der Talstation, am Tag selbst oder eben online. Noch fahren die nostalgischen Vierer-Kabinen auf die Kampenwand. Alle 30 Sekunden. Am Tag der Sonnwendfeier von 9 bis 24 Uhr. Sind Kinderwagen an Bord, haben weniger Leute Platz. „Das wird sich erst ändern, wenn die Kampenwandbahn modernisiert wurde“, sagt die Marketingchefin. Geplant ist das schon lange. Größere Kabinen sollen Barrierefreiheit schaffen und die Warteschlangen reduzieren. Dann haben acht Personen pro Gondel Platz. Momentan verzögert eine Klage des Bund Naturschutz den Baubeginn.
Tausende Menschen
auf dem Berg
„Dass diese chaotische Situation als Argument für den Bau einer Großraumgondel herhalten könnte, finde ich befremdlich“, schreibt ein Kritiker dem OVB. Dabei sei nicht die Technik das Problem gewesen, sondern „der fahrlässige Umgang mit Menschenmengen und Verantwortung“.
Doch kann tatsächlich irgendwem Fahrlässigkeit vorgeworfen werden? Manche Besucher sprechen von 3000, andere von 6000 Menschen auf dem Berg. „Es waren viel zu viele Personen auf der Alm zugelassen“, meint ein Kritiker und bezieht sich dabei auf die Möslarnalm. „In so einer Lage reicht ein einziger Auslöser – etwa ein medizinischer Notfall oder eine Panikreaktion – und es hätte schlimm ausgehen können.“
Doch wie soll man den Zustrom beschränken? Und vor allem: Wer soll das tun? Das Bundesnaturschutzgesetz bescheinigt „jedermann das Recht auf den Genuss der Naturschönheiten und auf die Erholung in der freien Natur“. Die Anzahl der Gäste lässt sich nur in Restaurants limitieren, so wie auf den Terrassen des „Berggasthofes Sonnenalm“. Hier wurde zum Sonnwendfeuer ein Menü kredenzt. Wer aber das pure Naturerlebnis haben wollte, durfte auf der benachbarten Möslarnalm kostenlos dabei sein.
Alm an Bergstation
war brechend voll
Dieses Recht lebten am vergangenen Samstag besonders viele Menschen auf der Möslarnalm aus. Die ist direkt an der Bergstation und eigentlich groß genug. „Das Feuer war in ausreichendem Abstand mit einem Stacheldrahtzaun abgesichert“, informiert Isabelle Blum-Friedel auf OVB-Anfrage. Und auch der Bereich für die Besucher war mit Stacheldraht eingezäunt. Kritiker fühlten sich dadurch „eingepfercht“. Doch die Begrenzung einer Almweide besteht nun mal aus Stacheldraht: „Ihn für eine Nacht ab- und wieder aufzubauen, würde zwei Tage dauern. Und leider werden Absperrbänder von vielen Menschen nicht beachtet“, erklärt Blum-Friedel.
Eine weitere Kritik: Die Kommunikation sei schlecht gewesen, die Planung eine absolute Katastrophe. „Kinder und ältere Herrschaften haben gefroren.“ Zwar steht auf der Homepage der Kampenwandbahn: „Bitte nehmen Sie warme Kleidung für den Abend mit, auch eine Unterlage zum Setzen. Wenn Sie zu Fuß wandern möchten, denken Sie an gute Schuhe und ein Licht für die Nachtwanderung ins Tal.“ Zudem, so berichtet Isabelle Blum-Friedel, die an diesem Abend an der Kasse der Talstation saß, habe sie viele Besucher persönlich darauf aufmerksam gemacht, dass es in 1600 Metern Höhe kühler ist als im Tal und daher eine Jacke ratsam wäre.
Offenbar gab es beim Anstehen für die Talfahrt wenig Rücksichtnahme auf Kinder, Schwangere oder Senioren. Viele Familien mit kleinen Kindern beschwerten sich darüber, dass sie vor der Abfahrt ins Tal stundenlang warten mussten. Zudem beschwert sich eine Besucherin darüber, dass nicht dafür gesorgt wurde, dass der „Ablauf der Warteschlange gerecht abläuft“. Offenbar drängten Leute auch von den Seiten ein, sodass die Wartezeiten noch länger wurden.
In Richtung Gipfel machte Blum-Friedel wiederum diese Erfahrung: „Gegen 22.45 Uhr wollte eine Familie mit kleinen Kindern sogar noch auf die Kampenwand. Ich habe ihnen davon abgeraten, weil das Feuer schon aus und die Warteschlangen ins Tal lang waren.“
Unterstellungen
und Mülltourismus
Andere wiederum unterstellen der Kampenwandbahn Profitgier: Es seien noch um 21.40 Uhr Gondeltickets verkauft worden, „obwohl da das Feuer schon längst abgebrannt war“. Doch an der Kasse wurden ab 21 Uhr alle Besucher darauf aufmerksam gemacht, dass das Sonnenwendfeuer vorbei ist. „Die einen sind wieder gegangen, die anderen trotzdem auf den Berg gefahren“, berichtet Blum-Friedel. Gegen 2.30 Uhr sollen die letzten Besucher mit der Bahn vom Berg gekommen sein, manche zuvor drei Stunden angestanden haben, heißt es in den sozialen Medien. „Wir waren erst gegen 3.30 Uhr im Tal“, so die Marketingchefin. Denn nach dem Feuer musste die Fläche im Licht von Schweinwerfern wieder für den Almbetrieb hergerichtet werden. „Wir haben massenweise leere Flaschen und Müll weggeräumt.“
Sogar ehrenamtliche
Retter in der Kritik
Doch Selbstkritik übt in den sozialen Medien keiner der Besucher. Vielmehr wird sogar noch an den „Ehrenamtlern“ herumgenörgelt: „Gefühlt zwei Bergwachtler waren im Einsatz.“ Mehr hat der Kritiker wohl nicht entdeckt, denn tatsächlich waren die Bergwacht Sachrang-Aschau und Wasserburg im Einsatz. Und das ehrenamtlich.
Sie verzeichneten den „einsatzreichsten längsten Tag des Jahres“ und berichten in den sozialen Medien von mehreren Ereignissen in der kurzen Nacht. „Zunächst wurde ein Patient mit einer Sprunggelenkverletzung von der Schlechtenbergalm versorgt. Danach ergaben sich zwei Erstversorgungen an der Talstation mit unterschiedlichen Verletzungsmustern.
Anschließend erfolgte ein weiterer Alarm zur Unterstützung an der Bergstation, da hier einige der Besucher die Wartezeiten für die Talfahrt unterschätzten und nicht ausreichend für die Kälte der Nacht ausgerüstet waren.“ Und schließlich musste auch noch ein Patient mit Knieverletzung versorgt und ins Tal transportiert werden.