Mit dem Motorrad auf den „Wasserfall“

von Redaktion

Mit dem Motorrad über Stock und Stein: Das nehmen die Mitglieder von der Motor-Touristik-Gemeinschaft (MTG) Kiefersfelden sich schon lange zu Herzen. Teilweise schon volle 50 Jahre, denn dieses Jubiläum durfte der Verein feiern, Motorrad-Trial-Wettbewerb inklusive. Das steckt hinter der besonderen Sportart.

Kiefersfelden – Eine kleine Schürfwunde am Schienbein zeugt von einer seiner jüngsten Fahrten auf dem Motorrad. Tom Balhuber sitzt in seinem klimatisierten Büro im Romed-Klinikum Rosenheim. Dort ist er für die Allgemeintechnik zuständig, doch in seiner Freizeit steht er gerne auf einem Trial-Motorrad.

Ein Motorrad
ohne Sattel

Stehen? Ja, richtig. Ein Trial-Motorrad hat keinen Sitz. Das ist einer der vielen Unterschiede zu einem Motocross-Gefährt. „Bei Motocross sitzt man mehr, weil man da nur auf Geschwindigkeit fährt“, erklärt Balhuber. Der 56-Jährige aus Oberaudorf kennt sich damit aus, schließlich ist er seit zehn Jahren Mitglied beim MTG Kiefersfelden. Bei dem Verein dreht sich alles um Trial: ob per Fahrrad oder Motorrad.

Balhuber hat es die motorisierte Variante angetan, doch ausruhen kann er sich auf seinem Motorrad nicht. „Obwohl es ein Motorsport ist, ist es relativ gesund. Man hat alle möglichen Gelenke in Bewegung, außer den Bauch vielleicht“, gesteht der gebürtige Rosenheimer und muss schmunzeln. Beim Motorrad-Trial muss der Sportler Baumstämme, Steine oder auch steile Passagen überwinden. „Das ist alles mit sehr viel Geschicklichkeit verbunden“, betont Balhuber.

Das vereint die beiden Sportarten beim MTG Kiefersfelden: Egal ob auf dem Fahrrad oder Motorrad, bei beiden muss man eine Strecke mit verschieden großen Hindernissen absolvieren. Setzt man mal den Fuß auf den Boden, zum Beispiel um das Gleichgewicht zurückzuerlangen, gibt es Fehlerpunkte. Gleiches gilt, wenn das Gefährt umfällt oder beim Motorrad der Motor ausgeht. Bei Wettbewerben gibt es hierfür an jeder Sektion Punkterichter, die alles festhalten.

Solche Wettbewerbe gibt es in Kiefersfelden circa zweimal im Jahr. Ob deutsche Meisterschaft oder Alpenpokal: In Kiefersfelden finden gerne Rennen statt, weil dort eine große Naturstrecke zur Verfügung steht. Doch solch einen Wettbewerb kann der MTG Kiefersfelden nicht so oft im Jahr stemmen: „Das ist ein großer Aufwand: die Sektionen bauen, alles herrichten und so weiter“, erklärt Balhuber.

Denn für jedes Rennen müssen verschiedene Strecken mit unterschiedlich schwierigen Hindernissen abgesteckt werden. Die rote Strecke ist die einfachste Route und von da an wird es immer schwieriger. Über Schwarz zu Grün und beim Alpenpokal geht es noch über Blau bis Weiß. Es wird von Farbe zu Farbe schwieriger und Weiß ist dann die herausforderndste Strecke.

Balhuber selbst fährt die schwarze oder grüne Strecke: „Wenn ich mitfahre, bin ich schon gut und immer vorne dabei. Aber eine ganze Wettbewerbs-Serie am Stück bin ich noch nicht mitgefahren“, erklärt der gebürtige Rosenheimer. Ehrgeiz hat er zwar schon, aber trotzdem ist Trial für ihn ein Hobby und er fährt nur bei den Wettbewerben mit, die nicht zu weit weg sind.

Die Jungen
probieren sich aus

Die jüngeren Fahrer legen teilweise für Wettkämpfe um die 450 Kilometer zurück und das auch mal alle zwei Wochen. Dazu kommt auch noch das Training dreimal die Woche. „Die Jungen sind ehrgeizig und trauen sich mehr. Wir Alten haben manchmal doch ein bisschen mehr Angst, dass wir runterfallen. Die Jungen sind da furchtlos und probieren“, stellt Balhuber klar. Denn ganz ohne ist es nicht, über Felsen und große Baumstämme zu fahren.

Gefährlich sei es aber laut Balhuber trotzdem nicht, da man keine hohe Geschwindigkeit hat. „Einmal ist einer blöd auf seine Schulter gefallen und er hat sich die Sehne gerissen. Das war in den vergangenen zehn Jahren aber ein Einzelfall“, versichert der 56-Jährige. Bei der Sportart wird deshalb neben dem Helm und Sicherheitsschuhen nur ein Rückenprotektor getragen.

Trotz geringer Geschwindigkeit bietet der Sport einen Nervenkitzel, das sagt zumindest Balhuber. „Wenn man eine steile Auffahrt rauf muss, da hat man sicher ein bisschen Adrenalin“, beschreibt der Oberaudorfer. So auch beim „Wasserfall“, eine steile Steigung, bei der es um die 50 Meter hoch geht und die mit dem Motorrad bezwungen werden muss. Dabei braucht man viel Konzentration: „Man fährt nicht einfach rum, man muss das Körpergewicht richtig verlagern, richtig stehen“, erzählt Balhuber. Er muss beim Motorrad-Trial auf vieles gleichzeitig achten und die Kontrolle behalten, trotzdem macht es dem 56-Jährigen auch noch Spaß.

Diesen Spaß teilt er mit den anderen Mitgliedern des MTG Kiefersfelden, denn bei dieser Sportart trainiert man immer zusammen. „Dadurch gibt es einen guten Zusammenhalt in der Truppe“, erklärt Balhuber. Und dieser Zusammenhalt ist in der ganzen Szene spürbar. Da es eine Nischensportart ist, kennt man sich untereinander und so wurden auch zur Feier des 50-jährigen Bestehens des MTG andere Motorrad-Trial-Vereine eingeladen. Gemeinsam feierten sie unter anderem mit einem Trial-Triathlon. Dabei gilt es einen Fahrrad-Trial, Motorrad-Trial und einen Trial zu Fuß als Bester zu meistern.

In den 50 Jahren Bestehen des MTG Kiefersfelden brachten sie auch schon erfolgreiche Sportler hervor. „Der größte Erfolg sind eigentlich unsere beiden Lettenbichlers, Andy und Manuel. Beide sind Hard-Enduro-Fahrer und Manuel ist zum vierten Mal hintereinander Sieger beim Erzbergrodeo gewesen. Das hat vor ihm noch keiner geschafft“, erzählt Balhuber.

Es braucht keine Vorkenntnisse

Das nächste Aushängeschild könnte Paul Steinige aus dem Nachwuchs werden. „Es sieht so aus, als würde er die Serie auf der schwarzen Spur beim Alpenpokal dieses Jahr gewinnen“, sagt Balhuber. Um so vielversprechend zu sein, muss er wohl die Eigenschaften mitbringen, die ein Trial-Motorradfahrer braucht. Vorkenntnisse sind zwar nicht nötig, aber „der Fahrer muss ein bisschen Mut mitbringen und einen guten Willen haben“, betont der 56-Jährige. Denn nur so kann ein Fahrer am Ende den 50 Meter hohen Wasserfall bezwingen.

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