Toilettennot am Brannenburger Bahnhof

von Redaktion

Benachbarte Geschäfte sind zunehmend genervt – Deutsche Bahn sieht sich nicht in der Pflicht

Brannenburg – Den Anblick wird Sylvia Zierer nicht so schnell vergessen. Genauso wenig wie den ekelhaften Gestank, der sich in ihrem Friseurladen „SchnittArt“ ausbreitete. Die Ursache für diesen entdeckte die Friseurin kurz zuvor auf ihrer Kundentoilette. „An der Kloschlüssel war alles mit Kacke beschmiert“, sagt Zierer am Telefon. Allerdings habe keiner ihrer Kunden die Toilette so zugerichtet.

Dringende Bedürfnisse

Sondern ein Bahnreisender, der auf der Suche nach einer Toilette am benachbarten Bahnhof war – und keine gefunden hat. Weil es dort keine öffentliche gibt. „Das ist ein Problem“, sagt Zierer. Die Folge daraus sei, dass die Menschen, die dringend aufs Klo müssen und in Brannenburg auf den Zug warten oder aussteigen, irgendwann bei ihr vor der Tür stehen. „Dann wird gefragt, ob sie in meinem Laden kurz die Toilette benutzen dürfen“, sagt die Friseurin.

Normalerweise sei das für sie nicht weiter schlimm. „Vielen sieht man an, dass es wirklich dringend ist und dann haben wir auch Mitleid“, sagt Zierer. Vor allem, weil sie wisse, dass neben der fehlenden öffentlichen Toilette am Bahnhof auch die Klos in den Zügen oft nicht funktionieren. „Die meisten sind auch richtig dankbar, wenn sie bei uns gehen können“, berichtet die Friseurin. Allerdings seien es in den vergangenen Jahren immer mehr geworden, die ihre Toilette benutzen wollen.

Drei bis fünf Bahnkunden pro Tag seien inzwischen die Regel. „An manchen Tagen können es aber wesentlich mehr sein. Insbesondere an schönen Tagen, wenn viele Menschen einen Ausflug zum Beispiel in die Berge machen“, betont die Inhaberin. Selbst eine ganze Schulklasse sei schon bei ihr gewesen. „Auf Dauer ist das schon unangenehm“, sagt Zierer.

Zum einen für ihre Kunden, wenn die Toilettenbenutzer ständig durch den Salon marschieren. „Du bist beim Haareschneiden, willst ein bisschen Wellness, da ist es schon komisch, wenn dauernd Fremde an dir vorbei aufs Klo laufen“, beschreibt Zierer die Situation. Aber auch sie und ihre Mitarbeiter seien immer mehr genervt. „Wir müssen das Klo wesentlich öfter putzen als sonst“, sagt sie. Zusätzliches Putzpersonal hat Zierer nicht. „Das machen wir selber, egal wie die Toilette ausschaut“.

Hin und wieder seien „brutale Sachen“ dabei. Oft werde nicht runtergespült, Klopapier auf den Boden geworfen oder es gehen Sachen daneben. Ein Tourist habe das Friseur-Team sogar einmal beschimpft, als er darauf hingewiesen wurde, dass es im Friseurladen keine öffentliche Toilette gibt. Manchmal sei es so schlimm, dass Sylvia Zierer und ihr Team darüber nachdenken, die Bahnreisenden nicht mehr bei ihnen aufs Klo zu lassen. „Oder ihre Ausweise als Pfand abnehmen, die sie erst wieder bekommen, wenn die Sauberkeit kontrolliert wurde“, sagt die Friseurin und lacht.

Mit ähnlichen Gedanken hat auch Marcel Di Bella, Inhaber des Restaurants Al Gambero Rosso, schon gespielt. Sein Lokal befindet sich nur ein paar Meter weiter am Bahnhofsplatz. „Seit zehn Jahren kommen die Reisenden zu mir, die hier aufs Klo wollen – manchmal sind es zehn bis 15 am Tag“, sagt Di Bella. Verwehrt hat er den Toilettengang bisher aber noch niemanden. Obwohl er nicht verpflichtet ist, jemanden außer seinen Gästen aufs Klo zu lassen. Mehr Aufwand habe er dadurch allerdings schon – zum Beispiel wegen der zusätzlichen Reinigung des Klos, bevor die Abendgäste kommen.

So steht für den Restaurant-Inhaber und Sylvia Zierer fest: Es braucht Toiletten am Brannenburger Bahnhof. „Das wäre fantastisch“, sagt die Friseurin. Schließlich ist das nächste öffentliche Klo ihr zufolge erst an der Tourist-Info an der Rosenheimer Straße – ein Fußmarsch von elf Minuten vom Bahnhof. Zu weit, wenn es mal pressiert. Zudem der Weg dorthin nicht beschildert ist. „Irgendwas muss man sich daher überlegen, wie dieses Problem in den Griff zu bekommen ist“, ist Zierer überzeugt.

Die Deutsche Bahn wird jedenfalls nicht helfen. „Grundsätzlich fällt die Bereitstellung von Toiletten in das Aufgabengebiet der Kommune“, teilt eine Sprecherin des Unternehmens auf OVB-Anfrage mit. Nach Artikel 57 der Bayerischen Gemeindeordnung soll die Verwaltung für die „Aufrechterhaltung der öffentliche Reinlichkeit“ in der Gemeinde aufkommen – „und demnach auch im Bahnhofsgebiet“, betont die Bahn-Sprecherin. Das gelte auch für Fälle, wenn das Bahnhofsgebäude der Deutschen Bahn gehört. „Bei Interesse prüfen Gemeinde und DB gemeinsam, ob im Rahmen der Gegebenheiten vor Ort eine kundenorientierte Lösung möglich ist“, sagt die Bahn-Sprecherin.

Und die Gemeinde? Die ist offen dafür, mit der Bahn über ein neues Klo zu sprechen. „Bei einem unmittelbaren Bedarf bedingt durch den Zugverkehr, können wir uns vorstellen, mit der Deutschen Bahn Kontakt aufzunehmen“, teilt Bürgermeister Matthias Jokisch auf OVB-Anfrage mit. Das Aber: Das Bahn-Unternehmen soll dann die Toilette im Bahnhofsbereich aufstellen. In der Kommune selbst gab es bislang keine Überlegungen, eine weitere öffentliche Toilette einzurichten.

Gemeinde will sich Thema „anschauen“

Warum bei der Ausstattung der jetzigen Haltestelle in Brannenburg keine Toilette vorhanden ist, sei im Rathaus jedenfalls nicht bekannt. Jokisch betont, dass das Gebäude am Bahnhof „bereits vor längerer Zeit aufgegeben wurde“. „Mittlerweile befindet es sich in Privatbesitz“, teilt der Rathaus-Chef mit. Er verweist auch darauf, dass Artikel 57 der Gemeindeordnung die Kommune nicht verpflichtet, „öffentliche Toilettenanlagen bereitzuhalten“. Dennoch wolle der Bürgermeister sich das Thema noch mal anschauen.

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