Rott – Corona, Wirtschafts- und Energiekrise, Kontroversen um die geplante große Flüchtlingsunterkunft: Daniel Wendrock (48) hat bisher eine schwere erste Amtszeit als Rotter Bürgermeister hinter sich. Trotzdem will er 2026 erneut kandidieren, kündigt er im Interview mit der Wasserburger Zeitung an. Warum er sich nicht entmutigen lässt, was er noch vorhat und wie er mit dem Stress des Amts umgeht, verrät er im OVB-Exklusiv-Interview.
2020 traten Sie zum ersten Mal als Bürgermeister-Kandidat in Rott an. Haben sich Ihre eigenen Erwartungen an das Amt erfüllt? Was haben Sie „gelernt“?
Wie überall begann meine Amtszeit unter den Vorzeichen großer Krisen. Nur Tage nach der Kommunalwahl brach Corona los – mit allen Folgen für das Ortsleben: Monatelange Lockdowns, abgesagte Veranstaltungen, ausgefallene Kindergartenbetreuung, ein darniederliegendes Vereinsleben. Kaum war dies zu Ende, kamen die großen ökonomischen Herausforderungen infolge des Ukraine-Krieges mit Materialknappheit, Inflation und Stagnation, die uns inmitten der Bauphase zur neuen Schule und der Entwicklung von Baugebieten trafen. Auch wenn ich glaube, dass unser Ort gut durch diese Krisen gekommen ist, so waren es doch Rahmenbedingungen, die das Arbeiten nicht unbedingt erleichtert haben. Dabei hat mir sicherlich geholfen, dass ich aus zwölf Jahren Geschäftsleitertätigkeit den Ort, seine Menschen und die zu bewältigenden Projekte schon bestens kannte. Mit dem Wechsel des Stuhles im Rathaus habe ich dann auch gelernt, nicht alles nur durch die administrative, juristische Brille zu betrachten, sondern auch pragmatisch, politisch, mitunter unbequem und bereit dazu, auch einmal unkonventionelle Wege zu beschreiten.
2026 wollen Sie erneut kandidieren: Welche Gründe haben Sie zu diesem Schritt motiviert?
Ich habe früh klar gemacht, dass ich im Jahr 2025 einen Rückblick auf das Wahlprogramm von 2020 geben will, mit dem ich gewählt wurde – unabhängig davon, ob ich mich nochmals zur Wahl stelle. Insofern ist mein Blick heute zunächst eine Rückschau. Ich bin nach wie vor für das Bürgermeisteramt hoch motiviert, habe viele neue Ideen und ausgesprochene Freude an dem, was ich tue. Mehr noch: Es ist mir eine Ehre, in einem Ort dieses Amt bekleiden zu können, der sich durch reges Miteinander und vielfältiges ehrenamtliches Engagement auszeichnet, bei dem das „Wir“ im Mittelpunkt steht, der auch in schwierigen Zeiten zusammensteht, der eine so reiche kulturelle Geschichte hat und gleichzeitig jung und begeisterungsfähig für Neues ist. Deswegen habe ich vor, mich 2026 wieder zur Wahl zu stellen.
Blicken wir zurück auf die vergangenen fünf Jahre: Was waren Ihre größten Erfolge?
Ich glaube, wir haben viel erreicht in den letzten fünf Jahren. Gemeinsam. Hier will ich den Schulhausneubau ansprechen, den wir trotz schwierigster Rahmenbedingungen mit hoher Kosten- und Terminsicherheit bewerkstelligt haben. Ich bin auch stolz darauf, dass Rott als erste Landkreiskommune einen eigenwirtschaftlichen, fast flächendeckenden Glasfaserausbau hinbekommen hat – ohne dafür einen Euro aus eigenen Haushaltsmitteln verwenden zu müssen. Rott ist gigabitfähig! Außerdem haben wir die Kinderbetreuung im Vorschulbereich durch einen Waldkindergarten bereichert und die Weichen für einen Kindergartenneubau in Lengdorf gestellt. Im Baugebiet Rotter Feld sollen schon bald bezahlbare Bauplätze im Baulandmodell vermarktet werden, in unserem neu ausgewiesenen Gewerbegebiet konnten wir für heimische Betriebe und attraktive Unternehmen aus anderen Kommunen eine neue gewerbliche Heimat schaffen.
Begleitet vom neu gegründeten Arbeitskreis Umwelt ist auch in ökologischer Hinsicht geradezu ein Aufbruch gelungen: Blühflächen, Neugeborenenbäume, ein nachhaltiges Beschaffungswesen, E-Ladestationen und Nachverdichtungen wurden umgesetzt.
Generell habe ich mich darum bemüht, die Bürger in Entscheidungsprozesse aktiv einzubinden. Neben dem Umweltarbeitskreis wurden auch ein Arbeitskreis Kultur und ein Seniorenbeirat ins Leben gerufen, ein Jugendbeirat befindet sich in Gründung. Bürgerumfragen und offene Bürgersprechstunden runden dies ab.
Ein schmerzliches Erlebnis war sicherlich die Verkündigung des Landrats, dass Rott eine Erstaufnahme-Einrichtung für etwa (damals noch) 500, jetzt bis zu 270 Geflüchtete bekommen soll – einen Tag nach der Landtagswahl. Warum hat Sie dieser Kampf gegen Windmühlenflügel nicht von einer erneuten Kandidatur abschrecken lassen?
Das ist etwas, das den zweiten Teil meiner Amtszeit nachhaltig geprägt hat. Nach wie vor finde ich die uns gegenüber an den Tag gelegte Vorgehensweise unsäglich. Nicht gerecht und nicht rechtens. Ich habe mich daher mit ganzer Überzeugung gegen die Pläne des Landratsamtes gestemmt. Unzählige Gespräche geführt, auch mit der ganz großen Politik. Und ich habe es einmal so formuliert: Man hat uns zugehört, aber nicht geholfen. Das ist natürlich frustrierend. Wenn ich noch einmal kandidiere, dann allerdings nicht trotz der Ereignisse um die Sammelunterkunft, sondern gerade deshalb. Denn ich habe in den letzten zwei Jahren auch unglaublich viel Solidarität und Unterstützung erfahren, von Menschen aller politischen Couleur, die nicht einverstanden sind mit dem, was da geschieht. Das macht Mut und gibt Kraft.
Viele Rathauschefs klagen über Anfeindungen, auch in den sozialen Netzwerken, großen Stress und Sorgen angesichts der vielen Probleme, die Kommunen heute zu bewältigen haben. Wie geht es Ihnen damit? Wie finden Sie trotz extremer Arbeitsbelastung Entspannung und Zeit für Privatleben mit Ihrer Familie?
Persönliche Anfeindungen habe ich bislang so gut wie keine erleben müssen – wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Sorgen, gerade auch in Zeiten großer Haushaltsprobleme, kenne ich sehr wohl, auch die ständige Verfügbarkeit, den hohen Arbeitsanfall, die unzähligen Abendtermine. Das ist nicht immer leicht. Es hilft schon, dass ich mich dabei auf einen kooperativen Gemeinderat und eine loyale und gut ausgebildete Verwaltung verlassen kann. Und natürlich auf meine Familie. Sie gibt mir Kraft und Halt. Und deshalb habe ich mir auch immer wieder ganz bewusst Freiräume für meine Lieben genommen und werde das auch weiter tun.
Die meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger haben dafür auch Verständnis, wenn man ihnen klarmacht: Als Bürgermeister ist man eben trotz aller Verantwortung und allen berechtigten Ansprüchen, dass da einer ist, „der die Dinge regelt“, auch ein ganz einfacher Mensch mit jedermanns Problemen und Aufgaben – jemand der Fehlentscheidungen trifft, jemand, der Zeit mit seinem kleinen Sohn verbringen will, der sich um seine alten und nicht mehr gesunden Eltern kümmern muss, der vor Problemen der Alltagsorganisation steht, wenn der Kindergarten unerwartet ausfällt oder der Vater ins Krankenhaus muss und der des Nachts so manche Fieberstunde am Kinderbett verbringt, um am nächsten Tag auch schon mal übernächtigt in seine Arbeit zu gehen. Interiview: Heike Duczek