Feldkirchen-Westerham/Bad Aibling/Rosenheim – Kommt sie oder kommt sie nicht? Die Rückkehr zur Wehrpflicht bleibt derzeit Thema in der Politik. Kürzlich sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CSU) beim „Tag der Industrie“: „Die Bundeswehr muss zurück in die Mitte unserer Gesellschaft. Es war ein Fehler, wie wir spätestens heute wissen, die Wehrpflicht auszusetzen.“ Allein mit der gegenwärtigen Freiwilligkeit käme man nicht mehr aus. Somit hält der Bundeskanzler es für wahrscheinlich, dass die Wiedereinführung einer Wehrpflicht nötig wird, um die geplante Vergrößerung der Bundeswehr zu ermöglichen. Und wie ist die Meinung dazu im Mangfalltal?
„Notwendig
und wichtig“
Für Christian Schunck ist die Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht „richtig und wichtig“. Er ist Vorsitzender der Kreisgruppe Oberbayern Süd des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr. Damit ist er auch zuständig für die Reservisten in Rosenheim und Bad Aibling. Schunck war selbst nie beruflich bei der Bundeswehr. Allerdings musste er noch den Grundwehrdienst absolvieren. Das sei 1991 bis 1992 gewesen. Seitdem ist er als Reservist aktiv.
Schunck erklärt, dass seit 2011 die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt ist. „Derzeit gibt es also nur noch den freiwilligen Wehrdienst“, sagt Schunck. Eine allgemeine Wehrpflicht gelte damit nur noch im Verteidigungsfall. Herrscht also Krieg, können Männer wieder einberufen werden. Für den Kreisvorsitzenden steht allerdings fest, dass eine Wehrpflicht auch in Friedenszeiten wieder gelten sollte. Das sei „notwendig und wichtig“. Gleich mehrere Gründe würden dafür sprechen.
„Erfahrungsgemäß bleiben mehr Menschen nach der Wehrpflicht bei der Bundeswehr“, erklärt Schunck. Das habe sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Einige Männer, die den Grundwehrdienst absolvieren mussten, verpflichteten sich direkt danach bei der Bundeswehr. Dieser Weg der Personalgewinnung fehlt heute.
Christian Schunck berichtet von einem weiteren Aspekt: „Es gibt eine sogenannte ‚Staat-in-Staat-Gefahr‘ – eine Berufsarmee ist schon eine eigene Welt.“ Das führe nicht selten zu einer Entfremdung zwischen der Truppe und der Zivilgesellschaft. „Wenn dann viele Menschen und Familien über eine Wehrpflicht und den anschließenden Reservistenstatus der Bundeswehr verbunden sind, baut das eine ganz andere Bindung zwischen Soldaten, Reservisten und Gesellschaft auf“, sagt Schunck.
Zusätzlich ist er sich sicher, dass der Wehrdienst sowohl jedem Einzelnen als auch der Gesellschaft einen Mehrwert bringt. „Man kann etwas Sinnstiftendes tun und damit seinen Mitmenschen und auch seiner Heimat etwas zurückgeben“, erklärt er. Und auch für sich selbst könne man viel mitnehmen. So erlernen gerade junge Menschen soziale, moralische und praktische Kompetenzen. Denn man sei notgedrungen in einer Situation, in der man stets mit anderen interagieren müsse. Schon allein dadurch könnte man den eigenen Horizont und seinen Erfahrungsschatz erweitern. Auch die Strukturen, die man bei der Bundeswehr lernt, könnten im weiteren Leben noch hilfreich sein. „Außerdem bringen diese Dienste Menschen aus allen sozialen Klassen und Hintergründen zusammen“, sagt Schunck.
Dieser Punkt führt den Kreisvorsitzenden zum nächsten Grund, warum die Wehrpflicht aus seiner Sicht wieder reaktiviert werden sollte. Es gebe nämlich auch noch einen nicht-militärischen Aspekt. „Durch das Militär kann die Gesellschaft auch zusammengebracht werden“, erklärt er. „Denn alle müssen dasselbe machen und dieselben Erfahrungen sammeln.“ So bewege sich vielleicht auch nicht mehr jeder in seiner „eigenen Blase“. Schließlich sei man bei der Bundeswehr nicht alleine, sondern „eingeschweißt in einem Team“.
Es braucht mehr
Soldaten
Trotzdem kann Christian Schunck verstehen, warum immer weniger Leute den Karriereweg bei der Bundeswehr bestreiten wollen. Es müsse sich noch einiges ändern, damit der Beruf wieder attraktiver wird. „Aber daraus ergibt sich die Frage: Was müsste man denn noch verändern?“, so Schunck. Doch Fakt sei aus seiner Sicht: Es brauche jetzt mehr Soldaten. Schön sei es deshalb, wenn die Leute freiwillig zur Bundeswehr kommen und nicht aufgrund einer Wehrpflicht. Doch mit den derzeitigen Freiwilligen könne man den „hohen Bedarf an benötigten Soldaten“ nicht mehr decken.
„Zum einen gehen ältere Leute in den Ruhestand, deren Plätze müssen wir natürlich füllen. Und zum anderen braucht es einfach noch zusätzlich mehr Personal“, betont Schunck. Doch die Bundeswehr achte bei Bewerbungen auf „Qualität und Quantität“. Es werde genau geschaut, wer sich bewirbt. Nicht jeder wird also auch genommen.
Auch wenn sich Christian Schunck eine Wehrpflicht durchaus vorstellen könnte, ist ihm bewusst, dass die Einführung nicht mal eben so geht. Wenn sie allerdings käme, wäre Schunck dafür, dass die Wehrpflicht auch für Frauen gilt.
Nach wie vor seien noch immer weniger Frauen bei der Bundeswehr als Männer. Und dennoch: „Die Frauen, die kommen, kommen überlegt und mit voller Überzeugung“, sagt Schunck. Und auch wenn noch nicht klar ist, ob die Wehrpflicht in Deutschland wieder eingeführt wird oder nicht, ist es für den Kreisvorsitzenden wichtig, dass darüber diskutiert wird. Ihm sei klar, dass der Soldatenberuf nicht ohne ist. Aber es sei ein wichtiger Beruf, den es einfach brauche.
Dass das Thema wichtig ist und nicht „abgewürgt“ werden darf, findet auch Thomas Stacheter von der Krieger- und Soldatenkameradschaft Westerham. „Eine echte und tiefergehende öffentliche Diskussion über die Wehrpflicht würde ich sehr begrüßen“, sagt er auf OVB-Anfrage. Bei der vergangenen Hauptversammlung kam das Thema Wehrpflicht kurz einmal auf. „Grundsätzlich gibt es im Verein eine positive Stimmung zur Wehrpflicht“, sagt Stacheter. Man habe sogar schon darüber nachgedacht, das Thema mit einem Offizier der Bundeswehr zu diskutieren.
Aber es muss ja nicht gleich die Bundeswehr sein. „Zur Wehr-Gerechtigkeit würde meiner Meinung nach auch gehören, dass alle jungen Leute ein soziales Jahr machen“, sagt Stacheter weiter. Das würde Frauen auch einbeziehen. So könnte man neben der Bundeswehr auch für ein Jahr Aufgaben im pflegerischen Bereich, bei der Feuerwehr, im Technischen Hilfswerk oder bei der kommunalen Landschaftspflege übernehmen. „Dies könnte auch eine neue Liebe zur ‚Heimat‘ entzünden“, so der Vorsitzende. „Man liebt nur, was man kennt.“