Rosenheim – Uwe Hammer begibt sich immer wieder in Lebensgefahr. Davon ist der Rohrdorfer und Vorstandsmitglied des Rosenheimer Kreisverbands des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) überzeugt. Aber nicht, weil er einen gefährlichen Job hat oder eine risikoreiche Sportart betreibt. Er fährt Fahrrad im Landkreis Rosenheim. Genauer gesagt auf der Kreisstraße RO5 zwischen dem Kreisel am Ziegelberg und Niedermoosen. „Vor dem Abschnitt haben viele Fahrradfahrer Angst“, sagt Hammer. Und das, obwohl die Straße in den vergangenen Wochen aufwendig saniert wurde.
Nach Sanierung
noch gefährlicher?
Für Uwe Hammer eine vertane Chance. „Die Sanierung der RO5 hat das Fahren auf der bisher ohnehin gefährlichen Straße für Fahrradfahrer noch gefährlicher gemacht“, kritisiert der Rohrdorfer. Der 62-Jährige macht aber auch klar: Wirklich sicher war es an der Stelle für Radler noch nie. Das können die Zahlen der Polizei allerdings nicht bestätigen. „In den vergangenen Jahren gab es dort keinen Unfall mit der Beteiligung eines Radfahrers“, sagt Hauptkommissar Robert Maurer auf OVB-Anfrage.
Diskussionen um den Streckenabschnitt gebe es trotzdem schon lange, sagt Uwe Hammer. Er berichtet von einer Unterschriftenaktion für einen „echten Radweg“ im Jahr 2014, unzähligen Gesprächen von Anwohnern mit Entscheidungsträgern und sogar einem Ortstermin mit dem Landrat und den Bürgermeistern der umliegenden Gemeinden.
Verändert hat sich seither nichts. Als Hammer von der anstehenden Sanierung der Straße erfuhr, habe er die „naive Hoffnung“ gehabt, dass jetzt auch etwas für Radfahrer getan wird. Bei seiner ersten Fahrt über den sanierten Abschnitt folgte die Ernüchterung: „Es ist klar ersichtlich, dass der Sicherheit der Fahrradfahrer hier keinerlei Aufmerksamkeit gewährt wurde“, schimpft Hammer. Aus seiner Sicht sei das ein „Skandal und zeige, welchen Stellenwert die Sicherheit der Radfahrenden im Landkreis hat.“
Für seine Kritik hat Hammer auch einige Beispiele. Zum einen sei der asphaltierte Seitenstreifen rechts neben der Fahrbahnmarkierung mal breiter, mal schmäler. „Das Gefährliche ist, dass der Streifen sowohl den Fahrradfahrer als auch den Autofahrer zu dem Gedanken verleitet, dass der Radler dort sicher ist“, betont Hammer. Wenn der abgetrennte Bereich aber plötzlich wieder schmäler wird, fahre der Radfahrer wieder „mitten auf der Fahrbahn.“
Besonders gefährlich sei dabei eine Stelle entlang einer Grundstücksmauer. Dort sei der Streifen zwischen Wand und Fahrbahnmarkierung gerade mal rund 60 Zentimeter breit. So müssen die Radfahrer knapp an der Mauer fahren, während auf der anderen Seite die Fahrzeuge mit 80 oder 100 km/h vorbeirauschen.
Eine Messung von Hammer und dem ADFC an diesem Straßenabschnitt hätte zudem ergeben, dass über 80 Prozent der Autofahrer den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von zwei Metern zu den Radlern nicht einhalten. „Im Endeffekt bin ich als Radler zwischen den Autos und der Wand eingesperrt, aus unserer Sicht ist eine solche Verkehrsplanung als fahrlässig einzustufen“, macht Hammer deutlich. Für die Fahrradfahrer gebe es keine Ausweichmöglichkeit. Wenn es zum Sturz kommt, knalle man entweder in die Mauer oder lande vor einem Auto. „Das ist kriminell“, sagt der Rohrdorfer.
Genauso ein Risiko sei die Kante zwischen dem Ende der asphaltierten Fahrbahn und dem Schotterbereich – Bankett – daneben. „Die birgt eine erhebliche Sturzgefahr für Fahrradfahrer“, sagt Hammer. Wenn man über diese in einem falschen Winkel mit dem Reifen fährt, könne man leicht stürzen. Alles in allem sei es zu gefährlich, auf dem Seitenstreifen mit dem Rad zu fahren, sagt der 62-Jährige.
Dazu ist der Streifen aber auch gar nicht gedacht, sagt Sibylle Gaßner-Nickl, Pressesprecherin des Landratsamts Rosenheim. „Bei dem asphaltierten Seitenstreifen handelt es sich nicht um einen Radweg und auch nicht um Schutz- oder Radfahrstreifen“, teilt sie auf OVB-Anfrage mit. Radfahrer sollten diesen Bereich ihr zufolge nicht benutzen, da dort „die geltenden Sicherheitsanforderungen für den Radverkehr nicht gegeben sind.“ Wer trotzdem darauf fährt, nehme eine Gefährdung in Kauf. Das sei aber auch schon vor der Sanierung so gewesen.
Für Uwe Hammer ist dieser Punkt „ein Witz“. „Ich habe keine Idee, warum das dann nicht mit der Sanierung geändert wurde“, sagt er. Die Straße sei breit genug, dass „mit etwas Aufwand“ ein sicherer Fahrradweg angelegt hätte werden können. „Zum Beispiel auf einer Straßenseite, der in beide Richtungen genutzt werden kann“, schlägt der Rohrdorfer vor. Zumindest hätte man sich ihm zufolge die Mühe machen können und darüber nachdenken, komplett auf den Seitenstreifen zu verzichten oder die Fahrbahnmarkierung überall gleich anzubringen. Dadurch wäre mehr Platz für alle Verkehrsteilnehmer gewesen.
Das lässt das Landratsamt so nicht stehen: „Bei der Planung der Straßensanierung wurden von der Tiefbauverwaltung die Möglichkeiten zur Verbesserung für den Radverkehr umfassend geprüft“, sagt Gaßner-Nickl. Leider könne im vorliegenden Fall mit dem vorhandenen Straßenraum kein Radweg umgesetzt werden – „auch wenn das aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens wünschenswert beziehungsweise dringend erforderlich wäre“, betont die Pressesprecherin.
Keine Grundstücke
für Fahrradwege
Der Grund, dass das Landratsamt keinen Radweg gebaut hat, ist einfach: „Zwischen dem Kreisverkehr Ziegelberg und Niedermoosen stehen derzeit die benötigten Grundstücksflächen nicht zur Verfügung“, sagt Gaßner-Nickl. Seit mehreren Jahren liefen dazu Verhandlungen. Zudem erschwere die Umsetzung die Lage außerhalb der Ortschaft und die fehlenden Verbreiterungsmöglichkeiten. Solange die benötigten Grundstücke nicht zur Verfügung stehen, seien keine Verbesserungen für Radfahrer möglich.