Raubling/Berlin – Der Schock saß tief, als Florian Degenhart den Brief vom Rosenheimer Landratsamt erhalten hat. Darin wurde er von der Behörde darüber informiert, dass er für die Cannabis-Anbaufläche des Cannabis-Social-Clubs Inntal-Raubling eine Baugenehmigung benötigt. Zuvor hieß es, er benötige keine Genehmigung. Doch nun habe sich die Rechtsauffassung geändert und es benötige eine Genehmigung für eine „nichtgewerbliche Sondernutzung eigener Art (sui generis)“. Das Gebiet dafür müsse die Gemeinde ausweisen. Ein Prozess, der lange dauern würde – und die Gemeinde sehr viel Geld kosten würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passieren wird, ist also verschwindend gering.
Neue Vorgabe:
Ist das rechtens?
„Söder hat seinen Kampf gegen die Cannabis-Vereine gewonnen“, sagte der Raublinger CSC-Vorsitzende Degenhart dem OVB. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte schon früh angekündigt, den Cannabis-Clubs sehr restriktiv zu begegnen. Nun also über das Baurecht.
Ist diese plötzliche Anpassung rechtens? „Grundsätzlich ist es normal, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt und selbstverständlich kann jeder seine oder ihre Rechtsauffassungen im Laufe der Zeit ändern“, erklärt Johannes Nelkenstock, Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main, der sich auf die Beratung von Cannabis-Anbauvereinigungen spezialisiert hat.
Die Auffassung, dass Sondernutzungsgebiete nötig seien, sei „inhaltlich aus rechtlicher Sicht, vorsichtig ausgedrückt, sehr schwer vertretbar“, betont er. Zudem vertrete auch nur das Bayerische Bauministerium diese Auffassung. „Die ursprünglich von Baubehörden geäußerten Einschätzungen waren juristisch nicht zu beanstanden“, ergänzt Nelkenstock.
Ähnlich sieht es auch der Rosenheimer Linken-Bundestagsabgeordnete Ates Gürpinar. „Das ist Schikane!“, macht er auf OVB-Anfrage deutlich. Zuerst habe Bayern extrem lange gebraucht, um die Anbaugenehmigungen zu erteilen. Umso größer war dann die Überraschung, als endlich die Anbau-Erlaubnis da war. „Und umso schräger und fieser ist es, dass durch die bayerische CSU-Regierung und mittels des Sondernutzungsgebiets die Hoffnung auf einen Cannabis-Club ein bisschen zunichtegemacht wurde.“ Dass die Vereine ein solches Sondernutzungsgebiet erhalten, hält Nelkenstock quasi für ausgeschlossen. „Selbst wenn eine Kommune dazu gewillt wäre, würde das Verfahren so lange dauern, dass der Verein ohne Investoren die laufenden Kosten wie etwa die Miete kaum stemmen könnte.“ Die Hoffnung ruht nun also auf Politik und den Gerichten. „Es wurden bereits von einem Dachverband alle ‚friedlichen‘ Möglichkeiten ausgeschöpft. Daher wird es nur auf dem Klageweg gehen“, macht Nelkenstock deutlich. „Dass das Bayerische Ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr damit in großem Maße Kapazitäten bei den Behörden und Gerichten blockiert und Anwalts- und Gerichtskosten produziert, die vom Steuerzahler getragen werden müssen, wird offenbar in Kauf genommen“, bemängelt der Anwalt.
Gürpinar mit wenig
Hoffnung für Clubs
Zwischenzeitlich hat auch die Linken-Fraktion im Bundestag eine kleine Anfrage an die Regierung gestellt, die auf das Problem in Bayern aufmerksam machen soll. Darin sind unter anderem Fragen zu finden, wie: „Inwiefern sieht die Bundesregierung bei der Genehmigungspraxis der Länder für Cannabis-Anbauclubs den von Kritikern befürchteten Flickenteppich eingetreten.“ Oder auch, inwiefern die Regierung Handlungsbedarf sehe, wenn Bundesländer versuchten, das Gesetz auszubremsen.
Nun sei es Aufgabe der Bundesgesetzgebung, das Gesetz so anzupassen, dass eine solche Schikane nicht mehr möglich ist, fordert Gürpinar. Aber: „Das ist wahrscheinlich keine Sache, die sich innerhalb der nächsten Monate mit einer Verwaltungsangelegenheit löst. Daher bedeutet das für viele Cannabis-Clubs wahrscheinlich das Ende.“ Er sei nicht der allerbesten Hoffnung, da die neue Bundesregierung das Thema als nicht mehr so relevant ansehe.