Stephanskirchen – Die Feuerwehr Ziegelberg ist Geschichte. Was viele aber nicht wissen: Ex-Kommandant Sebastian Scheuerer (42) hat wegen seiner Abberufung als Kommandant die Gemeinde Stephanskirchen verklagt – und recht bekommen. Worum es geht und was das Urteil bedeutet.
Lange hat sich niemand zur Klage rund um die Auflösung der Freiwilligen Feuerwehr (FFW) Ziegelberg geäußert. Eigentlich ist das Thema durch. Nicht für alle. Denn Ex-Kommandant Sebastian Scheuerer – 2023 gewählt – hat mit dem Urteil vom 18. Februar 2025 am Bayerischen Verwaltungsgericht München recht bekommen. Nun bricht er sein Schweigen und zwingt damit auch alle anderen Beteiligten, es ihm gleichzutun. „Ich hätte nie geglaubt, dass so etwas passieren kann“, sagt der 42-Jährige.
Folgen fürs
Privatleben
Die Zeit rund um die Auflösung der Feuerwehr Ziegelberg sei für ihn schwierig gewesen, erklärt er gegenüber dem OVB. Deswegen habe er sich entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen, und habe zum Hörer gegriffen, um seine Sicht darzustellen.
Er hat Freundschaften verloren, weil „gezielt Stimmung gemacht wurde“, sagt er in einem Gespräch mit dem OVB. Seit knapp 27 Jahren ist er bei der Feuerwehr, ist als Ausbilder tätig. Mehrfach hätte er ans Aufhören gedacht, könne aber nicht loslassen. Seit der Auflösung der Feuerwehr Ziegelberg ist er als Zugführer bei der Feuerwehr Schloßberg aktiv.
Auch beruflich arbeitet er im Bereich der Feuerwehr: als Systemadministrator bei der Integrierten Leitstelle (ILS) Rosenheim. „Mein Beruf ist mein Hobby und umgekehrt.“ Umso unglücklicher ist die Situation für ihn, dass er zum Grund für die Auflösung der Feuerwehr und zum Dorfgespräch gemacht wurde. Denn so empfindet es Scheuerer.
Gemeinde äußert sich
erstmals zur Klage
Auch Stephanskirchens Bürgermeister Karl Mair hat bislang zur Klage und der Rolle des Kommandanten geschwiegen. Um die Persönlichkeitsrechte von Scheuerer zu schützen, hieß es. Deswegen sei die Angelegenheit nicht-öffentlich im Gemeinderat behandelt worden. Die Auflösung der Feuerwehr Ziegelberg hingegen öffentlich. Gründe dafür waren, dass die Mindeststärke von 27 Aktiven seit über zehn Jahren nicht mehr erreicht wurde und die Fahrzeuge veraltet waren. Zudem hatte die Firma Hamberger, auf deren Gelände das renovierungsbedürftige Gerätehaus der Feuerwehr Ziegelberg stand, den Vertrag aus dem Jahr 1975 bis Ende 2025 gekündigt. In diesem hatte sich die Firma seinerzeit dazu verpflichtet, die Finanzierung für die freiwillige Feuerwehreinheit zu übernehmen. Der Vertrag war veraltet und hätte überarbeitet werden müssen.
Zwischenzeitig hatte die Gemeinde eine „Löschgruppe Ziegelberg“ innerhalb der Feuerwehr Schloßberg angestrebt. Die Firma Hamberger hätte dann die Kosten für das Gerätehaus übernommen, die Gemeinde die laufenden Kosten. Zuletzt kam die Überführung der FFW Ziegelberg in eine Betriebsfeuerwehr ins Spiel. Auch dieser Vorschlag platzte, und der Vertrag endete zwei Jahre früher als angenommen. Der Gemeinderat besiegelte mit seinem Beschluss im August 2023 das endgültige Ende der Feuerwehr Ziegelberg – und hat außerdem Scheuerer als Kommandanten abberufen. Jetzt erklärt Mair warum: Scheuerer selbst hat mit einem Schreiben an die Gemeinde, den Kreisbrandrat, die Regierung von Oberbayern und die Kommunale Unfallversicherung Bayern (KUVB) am 9. Juli 2023 während seines Urlaubs angeordnet, die beiden Einsatzfahrzeuge der Ziegelberger Wehr seien nicht mehr einsatzbereit. Die Feuerwehr Ziegelberg müsse aus der Alarmierung herausgenommen werden.
„Ich hatte Sorge um die Sicherheit meiner Kameraden aufgrund des Zustandes der Fahrzeuge“, erläutert Scheuerer. Grund dafür war ein Beinahe-Unfall während eines Einsatzes. Dabei war ein Kamerad beinahe vom Fahrzeugdach gestürzt, da er im Dunkeln nichts sehen konnte. Deswegen habe er eine Überprüfung anschieben wollen – auch um sich selbst rechtlich abzusichern, da er als Kommandant die Verantwortung tragen würde.
Und genau dieses „etwas zu emotionale Schreiben“ habe man zum Anlass genommen, um ihn seines Amtes zu entheben, sagt Scheuerer. Zu viele Widersprüche und bewusste Eskalation, um Druck aufzubauen, sagen die Gemeinde und Bürgermeister Mair. Denn, so steht es auch in den Unterlagen des Gerichts, das Problem der Gemeinde bestand darin, dass Scheuerer – entgegen seiner Ankündigung – weder seinen Stellvertreter noch die Mannschaft über diese Entscheidung informiert hatte. Sie wirft Scheuerer vor, erst am 17. Juli die Kameraden per E-Mail benachrichtigt zu haben. Sechs Tage lang hätten sie nichts von der Entscheidung ihres Kommandanten gewusst.
Brief sorgt für
Vertrauensbruch
„Das Vertrauensverhältnis zwischen uns und Herrn Scheuerer war ab einem gewissen Zeitpunkt zerstört“, sagt Mair. Durch sein Schreiben (vom 9. Juli) habe er nicht nur Verwirrung gestiftet. Gleichzeitig sei die Kommunikation nur schwer möglich gewesen, da Scheuerer zu diesem Zeitpunkt in Ungarn im Urlaub und somit nicht greifbar gewesen sei. Zudem habe er mit fehlenden Prüfungen der Einsatzfahrzeuge argumentiert, während diese gar nicht gefehlt haben, wie sich bei der Überprüfung später herausstellte.
„Unser ehrenamtlich organisiertes Feuerwehrwesen funktioniert, wenn Gemeinde und Kommandant an einem Strang ziehen. Mit seinem offenbar lange vorbereiteten Schreiben, das er schließlich aus dem Urlaub verschickt hat, der unabgestimmten Außer-Dienst-Stellung der Fahrzeuge und falschen Behauptungen hat Herr Scheuerer ein großes Chaos verursacht und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unmöglich gemacht“, erläutert Mair gegenüber dem OVB. Dass in Scheuerers Amtszeit auch noch ein Feuerwehrfahrzeug zeitweilig ohne TÜV war, sei da nur ein Nebenaspekt.
Auch die Kreisbrandinspektion rund um Richard Schrank war in den Abwicklungsprozess der Ziegelberger Wehr eingebunden. Über Jahre hatte der Kreisbrandrat verschiedene Schritte unternommen, um die Eigenständigkeit der Feuerwehr zu bewahren. Am Ende sprach auch er sich für eine Auflösung aus. Zu den Gründen und zum Urteil von Scheuerers Klage will er sich auf Nachfrage des OVB aber nicht mehr äußern. Das Thema sei durch.
Gericht gibt
Feuerwehrmann recht
Besonders pikant: Zwei Tage vor dem Verfassen des Briefes, dass die Fahrzeuge eine Gefahr für Leib und Leben der Kameraden darstellen, fand ein Grillfest auf dem Gelände der Ziegelberger Feuerwehr statt. Dabei seien Kinder mit einem Fahrzeug über das Gelände gefahren worden. Dies geht aus dem Protokoll zur öffentlichen Sitzung des Verwaltungsgerichts am 19. November 2024 hervor. In dieser Sitzung sei ein Vergleich zwischen der Gemeinde und Sebastian Scheuerer verhandelt worden. Scheuerer hatte diesem aber doch nicht zugestimmt und ließ es auf ein Urteil ankommen.
Und bekam recht: Der Widerruf als Kommandant war aufgrund eines Formfehlers rechtswidrig. Denn der Rathauschef hatte Scheuerer zum Gespräch geladen, jedoch nur erwähnt, dass es um die Zukunft der Feuerwehr Ziegelberg ginge. Nicht, wie es für ihn als Kommandant weitergeht. Somit habe keine ordnungsgemäße Ladung stattgefunden, bei der Scheuerer über die Bedeutung dieses Termins in Kenntnis gesetzt worden sei. Er habe sich nicht entsprechend vorbereiten können.
Das Gericht erkannte Scheuerers „Rehabilitationsinteresse“ an. Und genau darum gehe es dem 42-Jährigen. Die Kommandantenentschädigung, die ihm nun aufgrund der Auflösung der Feuerwehr zusteht, sei ihm nicht wichtig. „Es geht mir nicht ums Geld“, so der Ex-Kommandant. Vielmehr sei es ihm wichtig, dass gerichtlich festgestellt wurde, dass er nicht die Möglichkeit hatte, sein Handeln darzulegen und zu begründen. Denn für Scheuerer waren die inhaltlichen Gründe „an den Haaren herbeigezogen und nachweislich falsch oder aus dem Zusammenhang gerissen“. Denn vonseiten der Gemeinde, so sagt er, sei noch immer niemand auf ihn zugekommen, um seine Sicht der Dinge zu hören.