Die Liebe stößt an ihre Grenzen

von Redaktion

Jürgen Göttlicher aus Tuntenhausen hat sich so auf den Besuch seiner künftigen Ehefrau (28) aus Kenia gefreut. Doch überraschend darf sie nicht einreisen. Über eine dramatische Liebesgeschichte mit schweren Anschuldigungen.

Tuntenhausen/Nairobi – Es hätte alles so schön werden können. Jürgen Göttlicher aus Tuntenhausen stand kurz davor, seine Liebe aus Kenia, eine 28-jährige Frau aus dem Küstenort Msambweni, endlich persönlich zu treffen. Beide hatten sich Anfang Juni über eine Dating-App kennengelernt, und es harmonierte – wenn auch aus der Ferne – sofort. „Wir verstehen uns super und führen bereits eine Beziehung“, sagt der sichtlich aufgewühlte 58-jährige Tuntenhausener. In der Realität haben sie sich noch nicht getroffen, aber: „Wir haben vor einigen Wochen gemeinsam entschieden, dass sie zu mir nach Deutschland kommt, zunächst einmal vom 15. bis zum 31. Juli“, erzählt er vom ursprünglichen Plan. Sogar Heiratspläne verfolgten die beiden bereits. Doch es kam anders.

Göttlichers neue Partnerin arbeitet in Kenia als selbstständige Fitnesstrainerin für Frauen. „Ihr Einkommen ist sehr schwach, was eigentlich überall in dieser Region vorzufinden ist“, erklärt der Tuntenhausener. Laut dem IT-Produkt-Manager habe sie ein Schengen-Visum beantragt, das sie zur Einreise nach Deutschland benötigt. „Am 20. Juni hatte sie einen Vorsprechtermin in Nairobi. Zu diesem Termin musste sie extra anreisen“, erinnert sich der Tuntenhausener.

Drei Tage später schickte der 58-Jährige eine Verpflichtungserklärung der Ausländerbehörde Rosenheim nach Nairobi. Er versicherte darin, für alle Kosten des Aufenthaltes, inklusive für die Rückreise der Kenianerin, aufzukommen. „Alles doppelt und dreifach“, sagt Göttlicher.

Am 7. Juli sei seine neue Partnerin erneut nach Nairobi gereist, um ihren Reisepass und die Visadokumente abzuholen. Doch dann der Schock: Ihre Einreise wird abgelehnt. Etliche Anrufe, Mails und Fax-Nachrichten an die deutsche Botschaft verliefen zunächst ins Leere. Irgendwann sei dann doch eine Antwort gekommen: „Es hieß, der Schengen-Visa-Prozess muss erneut gestartet werden.“ Für Göttlicher eine Farce und ein echter Skandal. Gerade im Hinblick auf die Begründung der abgelehnten Einreise der Kenianerin.

Im Schreiben heißt es: „Es bestehen begründete Zweifel an Ihrer Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten auszureisen.“ Die negative „Rückkehrprognose“ der Botschaft wird vor allem damit begründet, dass der ledigen Frau offenbar eine familiäre Verwurzelung in ihrem Heimatland fehle und dass auch trotz angegebenem Arbeitsverhältnis keine wirtschaftlichen Nachweise vorhanden seien. Auf ihrem Konto befänden sich umgerechnet nur rund 75 Euro, was nicht genüge, um eine ausreichende wirtschaftliche Verwurzelung zu belegen. Negativ legt die Botschaft der Frau außerdem aus, dass sie bisher in der Vergangenheit kein Schengen-Visum hatte.

Für Göttlicher alles keine wirklichen Gründe: Seiner Meinung nach gehe es dem deutschen Außenministerium primär darum, „geschäftstüchtige und reiche Menschen nach Deutschland einreisen zu lassen“. Demnach sollten arme Menschen „bitte nicht nach Deutschland einreisen“, wozu man stets ausreichend Gründe zur Ablehnung finde.

Göttlicher: „Das deutsche Außenministerium verstößt gegen das deutsche Grundrecht. Es ist keine Gleichberechtigung und Chancengleichheit zwischen Arm und Reich gegeben und erkennbar.“ Der 58-Jährige spricht sogar von „Menschenrechtsverletzungen“. Der Tuntenhausener habe bereits das Verwaltungsgericht in Berlin kontaktiert.

Doch was sagen die Verantwortlichen zu den schweren Vorwürfen? „Das Visumverfahren des Auswärtigen Amts fußt in jedem einzelnen Fall auf Recht und Gesetz“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt auf OVB-Anfrage. Prüfung und Entscheidung erfolgten nach den geltenden Regelungen und berücksichtigten die Tatbestände und vorgelegten Unterlagen des Einzelfalls. „Sachfremde Interpretationen oder Motive haben bei der Prüfung keinen Platz“, so die Behörde.

Kenianische Staatsangehörige benötigen für einen Aufenthalt in Deutschland ein Visum, erklärt die Sprecherin. Die Vergabe eines Schengen-Visums richte sich nach dem Visakodex, der etwa die Voraussetzungen für eine Visumerteilung darstellt. Diese Voraussetzungen müssten bei jedem Visumantrag erfüllt werden, damit zugestimmt werden könne. Und klar sei: „Die Bearbeitung und Entscheidung eines Visumantrags erfolgt immer einzelfallabhängig.“ Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Betroffenen könne man sich jedoch nicht zu Einzelfällen, wie dem besagten Fall der 28-Jährigen, äußern.

Doch all diese Erklärungen bringen Jürgen Göttlicher und seine Freundin jetzt nicht weiter. Auf der behördlichen Website des Auswärtigen Amtes heißt es, dass ein Visum grundsätzlich nur dann erteilt werden kann, wenn sich aus den vorgelegten Unterlagen eine „glaubhafte Rückkehrperspektive“ ergibt.

Zu den Anhaltspunkten, auf die sich die Auslandsvertretungen stützen, gehörten Angaben und Nachweise zu familiären und wirtschaftlichen Bindungen im Heimatland. Nachweis der wirtschaftlichen Verwurzelung sind beispielsweise Arbeits- oder Verdienstbescheinigungen. Auch familiäre Bindungen könnten durch Belege wie über die Betreuung Minderjähriger dargelegt werden. Entscheidende Nachweise fehlen der 28-jährigen Kenianerin jedoch.

Und auch Göttlichers Verpflichtungserklärung reicht offenbar nicht aus. Denn laut Auswärtigem Amt sichert eine bei der Ausländerbehörde abgegebene Verpflichtungserklärung zwar der öffentlichen Hand die Übernahme der Kosten für den Aufenthalt zu, „ist jedoch nicht geeignet, eine Sicherheit für die Rückkehr des Gastes in sein Heimatland zu bieten“.

Und wie geht es für Jürgen Göttlicher und seine Partnerin jetzt weiter? „Das Thema ‚Visa beantragen‘ ist zur Zeit von uns ausgesetzt, da wir erst einmal gemeinsam entscheiden müssen, ob und wie wir einen zweiten Versuch starten“, sagt der Tuntenhausener. Mittlerweile hat er auch eine Rückmeldung vom Verwaltungsgericht Berlin erhalten, die er jedoch als hinfällig bezeichnet, da das Gericht nur im Rahmen eines „gerichtskostenpflichtigen Gerichtsverfahrens“ tätig werden könne. „Ehrlich gesagt muss ich mir wirklich als Selbstständiger überlegen, ob ich noch Steuern bezahle oder nicht“, sagt Göttlicher sichtlich enttäuscht.

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