„Wir können noch präziser arbeiten“

von Redaktion

Interview Professor Dr. Vladimir Martinek erklärt moderne Operationsverfahren

Rosenheim/Landkreis – Mehr Lebensqualität, weniger Schmerzen – um ein erfülltes Leben bis ins hohe Alter genießen zu können, spielen künstliche Gelenke eine wichtige Rolle. Professor Dr. Vladimir Martinek, Chefarzt im Gelenkzentrum der Schön Klinik Bad Aibling Harthausen, weiß um die Wichtigkeit von Hüft- und Knie-Prothesen – auch schon bei Patienten ab 40 Jahren. Im Interview verrät er, inwiefern die Operateure in der modernen Medizin von Robotik-Systemen profitieren.

Nach über 1000 erfolgreich implantierten Knie-Endoprothesen mit dem Robotiksystem CORI kommt das System seit rund sechs Monaten in der Schön Klinik Bad Aibling-Harthausen auch bei Hüft-OPs zum Einsatz. Worin unterscheiden sich die beiden Eingriffe?

Der Hauptunterschied ist, dass wir bei der Hüftoperation wie bisher auch selbst operieren, lassen uns aber vom Roboter zur Positionierung der Instrumente und Implantate navigieren. Bei der Knie-OP führen wir den vom Roboter errechneten Vorschlag durch, indem wir die vom CORI gesteuerte Fräse zum Abtragen des Knochens heranführen.

Wie unterscheidet sich diese Operationsmethode von der traditionellen Implantation eines Gelenks?

Gar nicht so sehr, denn die Operation ist vom Prinzip her die gleiche. Es sind die gleichen Instrumente und das gleiche System – mit dem Unterschied, dass wir uns vom Roboter führen lassen. Neu ist, dass CORI präoperativ Messungen und Berechnungen durchführt, bei welchen auch die Beweglichkeit des Patienten zwischen der unteren Wirbelsäule und dem Becken berücksichtigt wird und zur individuell besseren Positionierung der Pfanne benutzt wird. Dadurch wird zum einen eine bessere Beweglichkeit des Hüftgelenks erreicht, zum anderen das Risiko einer Luxation gemindert. Zu den Vorteilen zählen unter anderem eine höhere Präzision bei der Platzierung des Implantats, was zu einer besseren Passform und einer längeren Haltbarkeit der Prothese führen kann. Außerdem ist die Operation schonender, da weniger Gewebe verletzt wird, was zu einer schnelleren Genesung und weniger Schmerzen nach der Operation führen kann.

Welche weiteren Vorteile sehen Sie?

Wir sind noch präziser, was die Einstellung der Beinlänge und die Pfannenneigung anbelangt, da der Roboter eine vielfache Unterstützung darstellt. So lässt sich das Risiko einer Instabilität eindämmen und die Beinlänge noch besser steuern. Statistiken zeigen: Die Erfolgsquote nach Hüft-OPs ist generell schon sehr hoch. Dennoch lässt sich durch den Roboter die Zahl zufriedener Patienten im Nachgang noch um fünf bis zehn Prozent steigern.

Sehen wir uns die Kehrseite an: Gibt es Risiken und Nachteile?

Wir brauchen aufgrund der Abmessungen mehr Zeit – im Schnitt zehn Minuten pro Operation. Als kleiner Nachteil zählt zudem, dass wir für den Eingriff an der Hüfte zwei sogenannte „Pins“ benötigen, die wie Stifte über zwei kleine Stichinzisionen in den Beckenknochen eingebracht werden müssen. Diese heilen aber problemlos nach zwei Wochen ab.

Klassischerweise kennen wir die Hüft-OP von unseren Großeltern: Welche Faktoren führen heute dazu, dass immer mehr Menschen bereits ab 40 Jahren ein künstliches Hüftgelenk benötigen?

Die Ansprüche der Gesellschaft: Die Leute sind nicht mehr bereit, sich wegen Schmerzen massiv einzuschränken und zehn oder 20 Jahre zu warten, bis sie „alt“ genug sind, um eine neue Hüfte zu erhalten. Heutzutage muss sich kein 40-Jähriger mehr mit Schmerzen quälen und auf seine Lebensqualität oder Sport verzichten. Er hat durch die Operation sehr gute Chancen, schnell wieder zu einem aktiven Leben zurückzukehren.

Inwiefern profitieren gerade jüngere Patienten von einem Eingriff mit dem CORI-System?

Wir können noch präziser arbeiten und durch die optimale Position der Hüfte eine noch bessere Funktion des Hüftgelenks erreichen. Übrigens wird dadurch auch die Überlebensdauer der Hüftprothese verlängert.

Wie sieht es mit der Lebensdauer und Belastbarkeit eines mittels CORI eingesetzten künstlichen Hüftgelenks aus, speziell bei aktiven Patienten im jüngeren Alter?

Primär wird sich an der Lebensdauer der Prothese nichts zum Negativen ändern, zumal sich das Material im Verlauf der vergangenen 20 Jahre deutlich verbessert hat und weniger zu Verschleiß führt. Durch die bessere Positionierung der Implantate kann sich allerdings die Lebensdauer weiter steigern. Eine Hüft-Prothese hält heute bis zu 25 Jahre. Der Patient kann theoretisch alles machen. Stark gelenkbelastende Sportarten wie Squash oder Hürdenlauf würde ich allerdings nicht empfehlen.

Inwiefern hilft das Robotiksystem, den Heilungs- und Rehabilitationsprozess zu verkürzen?

Der Heilungsprozess selbst wird durch CORI nicht beeinflusst. Der postoperative Verlauf hängt mehr individuell vom Patienten ab. Heutzutage sind die Patienten im Schnitt nicht mehr so lange im Krankenhaus wie früher. Der Trend geht zu maximal fünf Tagen, bevor es weiter zur Reha oder ambulanter Krankengymnastik geht.

Gibt es besondere Voraussetzungen, die Patienten erfüllen müssen, um für eine Operation mit dem Robotiksystem infrage zu kommen?

Wir können heute den Eingriff nur bei normal großen und normal gewichtigen Personen durchführen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kommt dieser Eingriff für kleine oder stark übergewichtige Patienten nicht infrage, da man eine gewisse Größe haben muss, damit die Navigation funktioniert und die für die Operation erforderlichen Sensoren korrekt angebracht werden können.

Sie sehen an dieser Stelle Verbesserungsbedarf?

 Durchaus. Ich möchte das System gerne allen Menschen anbieten. Die angesprochenen Nachteile sollten aus der Welt geschaffen werden. Es wird aber schon an einer CT-gesteuerten Roboter-Navigation gearbeitet, mit welcher alle Patienten mit dem Roboter operiert werden können. Diese Version wird uns bald zur Verfügung stehen.

Welche Empfehlung geben Sie Patienten ab 40 Jahren, die vor der Entscheidung für ein künstliches Hüftgelenk stehen?

Ich bin der Ansicht, dass eine OP nicht zwingend notwendig ist, solange eine gute Lebensqualität vorherrscht und Schmerzmittel nicht den Alltag beherrschen. Ich möchte aber auch betonen, dass heutzutage dank der modernen Medizin niemand Angst vor einem Eingriff haben braucht. Die meisten Patienten sind nach dem Eingriff super zufrieden. Viele bedauern, nicht schon früher zur OP gekommen zu sein. Am Ende ist es also eine individuelle Entscheidung. Für mich ist es entscheidend, dass der Patient schließlich ein besseres Leben führt und sich wohlfühlt. 

Interview: Marina Birkhof

Artikel 6 von 11