Aschau im Chiemgau – 2027 soll ein Biomasseheizwerk in Aschau in Chiemgau ans Netz gehen und jährlich etwa elf Millionen Kilowattstunden Wärmeenergie für 750 Haushalte liefern. Der Gemeinderat hat dafür die Weichen gestellt. Jetzt geht es in großen Schritten in Richtung Wärmewende. Wie der genaue Zeitplan ist und wann die erste regenerative Wärme durch die Leitungen fließt, erklärt Bürgermeister Simon Frank im OVB-Interview.
In seiner Sondersitzung hat der Gemeinderat in nur anderthalb Stunden zehn zukunftsweisende Beschlüsse gefasst, fast alle einstimmig. Wie
erklären Sie sich diese Geschlossenheit des
Gemeinderates?
Simon Frank: Unsere Gemeinde beschäftigt sich schon sehr lange mit der Wärmewende. 2014 entstand in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Kufstein ein Energienutzungsplan. Schon damals wurde festgestellt, dass sich eine zentrale Wärmeversorgung aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten lohnen würde – sowohl aufgrund des riesigen Potenzials an Biomasse in der Region als auch wegen der großen Energienachfrage in den Wohngebieten. Im Ergebnis entstand das erste kleine Nahwärmenetz in Hohenaschau.
Und seit wann ist eine Nahwärmeversorgung für den nördlichen
Bereich der Gemeinde
im Gespräch?
Seit 2020 beschäftigen wir uns mit der Schaffung eines Wärmeversorgungsnetzes für den überwiegenden Ortskern, beginnend vom nördlichen Ortsrand Niederaschau mit der Absicht der schrittweisen Erweiterung in Richtung Hohenaschau. Diese fünf Jahre waren ein langwieriger Prozess mit vielen Diskussionen, intensiver Projektgruppen-Arbeit, Machbarkeitsstudien, der Suche nach Kooperationspartnern, mit Energieforen, Standortanalysen, Kundenakquise, Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Bedarfsanalysen und Infoabenden. Kurzum: Der Sondersitzung des Gemeinderates ging eine intensive Vorbereitungsphase, eine kompetente Wirtschaftlichkeitsprüfung und eine ausführliche Meinungsbildung voraus.
Welche Weichen
wurden in der
Sondersitzung für die Priental Wärme gestellt?
Der Gemeinderat hat sich per Beschluss zur Umsetzung des Projektes „Priental Wärme“ bekannt. Als Standort für die geplante Energiezentrale wurde der Bereich D am Ahgraben, nördlich der Pölchinger Straße, festgelegt. Das Betriebskonzept wurde einstimmig befürwortet. Die Änderung des Flächennutzungsplanes und die Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Sondergebiet „Energie/Versorgung“ wurden beschlossen und in Auftrag gegeben. Auch die Erschließungsplanung wurde bereits beauftragt. Wir haben über den Anschluss der Preysing Grundschule entschieden und den der Seniorenheim Priental gGmbH empfohlen. Es soll vorwiegend Biomasse aus den heimischen Wäldern genutzt werden. Und der zehnte Beschluss war eine Zustimmung zum Erstentwurf des Projektzeitplanes.
Apropos Zeitplan.
Welches sind die
nächsten Schritte?
Das Zusammentragen der allgemeinen Rahmenbedingungen ist nun abgeschlossen. Es laufen die detaillierten Planungen an. Erfahrungsgemäß dauern Bauleitverfahren etwa ein Jahr. Wir brauchen zunächst eine Entscheidung des Staatlichen Bauamtes Rosenheim, ob wir die Zufahrtsstraße zur Energiezentrale direkt an die Staatsstraße zwischen dem Ortsteil Fellerer und der nördlichen Ortseinfahrt anbinden dürfen. Als Grundlage hierfür sind wiederum mehrere Gutachten beziehungsweise Stellungnahmen erforderlich – allen voran ein Verkehrsgutachten.
Wann geht
das Biomasseheizwerk ans Netz?
Mit dem ersten Spatenstich für das Netz rechnen wir im Herbst 2026. Der Bau der Energiezentrale beginnt voraussichtlich im April 2027. Noch in diesem Jahr gründen wir die Priental Wärme GmbH. Bei diesem straffen Zeitplan darf dann allerdings nichts Größeres dazwischenkommen – wir sind optimistisch!
Können sich immer noch
Anschlussinteressenten melden?
Natürlich besteht aktuell immer noch die Möglichkeit, sich für einen Gebäudeanschluss zu melden und sich saubere, regionale und krisensichere Wärme zu sichern. Dazu bieten wir auf der Website der Gemeinde Aschau ausführliche Informationen an. Uns liegen 740 Interessensbekundungen für 180 Gebäude vor. Jetzt gilt es, diese Interessensbekundungen in Wärmeliefervorverträge überzuführen. Für 73 Gebäude mit 227 Haushalten wurden bereits Wärmeliefervorverträge geschlossen.
Welche Partner gründen die Priental Wärme GmbH?
Die Gesellschafter der Priental Wärme GmbH sind die Biomassehof Achental Beteiligungen GmbH & Co.KG sowie die Gemeinde Aschau im Chiemgau. Die Gemeinde bringt 17 Prozent des Stammkapitals in einem Wert von circa 100000 Euro ein. Das heißt aber nicht, dass wir nur ein Fünftel Mitspracherecht hätten. Wichtige geschäftliche Entscheidungen werden stets einstimmig getroffen.
Was steckt in den 17 Prozent der Gemeinde?
Wir stellen das Grundstück mit einer Größe von rund 5500 Quadratmetern für Energiezentrale, Nebenanlagen und Freiflächen sowie weitere circa 1500 Quadratmeter Ausgleichsflächen zur Verfügung. Außerdem bringen wir 20000 Euro als Kapitaleinlage mit ein.
Die Investitionskosten belaufen sich nach
bisherigen Schätzungen auf circa 13,2 Millionen Euro. Nach Abzug von Fördermitteln würden
etwa sechs Millionen
Euro verbleiben. Muss die Gemeinde diese
Mittel aufbringen?
Nein. Die noch zu gründende Priental Wärme GmbH wird dafür einen Kredit aufnehmen. Eine Bürgschaft der Gemeinde ist dafür nicht erforderlich. Da das Projekt auf soliden Beinen steht und der Wirtschaftsplan überzeugt, liegt dafür bereits die Finanzierungszusage einer Bank vor. Die Priental Wärme GmbH trägt auch sämtliche Planungskosten.
Ab November 2027 soll das Biomasseheizwerk ans Netz gehen und jährlich etwa elf Millionen
Kilowattstunden Wärmeenergie im ersten Bauabschnitt liefern. Ziel ist es, im ersten Schritt bestenfalls etwa 200 Gebäude mit über 750 Haushalten anzuschließen. Was passiert denn, wenn in
einem dieser Gebäude schon vorher die Ölheizung ausfällt?
Auch für einen solchen Fall wäre vorgesorgt. Dann würde die Priental Wärme GmbH für bereits unter Vertrag stehende Kunden mobile Heizzentralen zur Verfügung stellen.
Wärmenetze zu schaffen, gehört nicht zu den kommunalen Pflichtaufgaben. Warum hat sich die Gemeinde Aschau im Chiemgau für das Projekt trotzdem engagiert?
Für eine echte Wärmewende reicht es nicht, Gutachten in der Schublade zu haben. Dafür braucht man gesamtgesellschaftliches Engagement. Außerdem gehört Wärme genauso wie Essen, Trinken, Wohnen oder Sicherheit zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Daher sehe ich unser Engagement für ein regeneratives Nahwärmenetz auch als Daseinsfürsorge für unsere Bürger an. Wir haben jetzt die einmalige Chance, mit professionellen Partnern die Wärmewende anzupacken. Damit stellen wir uns für die Zukunft gut auf. Wir schaffen Versorgungssicherheit, nutzen heimische Ressourcen, erhöhen die regionale Wertschöpfung, verbessern die Luft- und damit auch die Lebensqualität. All das kommt den Bürgern der Gemeinde Aschau im Chiemgau zugute.
Interview: Kathrin Gerlach