Kiefersfelden – Mit der Premiere von „Ulrika oder Die Entscheidung um Mitternacht“ ist der Theatergesellschaft Kiefersfelden im historischen Theaterstadl ein kraftvoller Auftakt der diesjährigen Ritterschauspiele gelungen. Das dramatische Ritterschauspiel von Josef Georg Schmalz, verfasst 1836 und seit 1932 in regelmäßigen Abständen in Kiefersfelden gespielt, wurde diesmal unter der Spielleitung von Philipp Kurz neu inszeniert.
Das Stück erzählt die Geschichte der jungen Gräfin Ulrika, die zwischen persönlichem Treueschwur und politischem Heiratsversprechen gefangen ist. Als ihr Geliebter Siegfried aus dem Heiligen Land zurückkehrt, drohen Ehre und Leben zu zerbrechen. Ein Gottesurteil zu Mitternacht entscheidet über das Schicksal der Liebenden. Zwischen Loyalität, Macht und innerer Freiheit entfaltet sich ein dramatischer Konflikt, der überraschende Wendungen bereithält – ohne ins Übertriebene abzugleiten.
Klare
Figurenführung
Die Inszenierung bleibt der historischen Volkstheaterform treu, setzt jedoch durch klare Figurenführung, fein abgestimmte Tempi und theatral wirkungsvolle Kontraste eigene Akzente. Ulrikas innerer Konflikt wird durch Lichtregie und gezielte Pausen wirkungsvoll betont. Die Kasperlfigur Lipperl sorgt mit trockenem Humor und dialektreicher Komik für kluge Auflockerung – ohne die Tiefe des Stücks zu unterlaufen. Die Darstellerin der Ulrika brachte mit feiner Mimik, klarer Stimme und glaubwürdiger Körpersprache die Zerrissenheit der Figur eindrucksvoll zum Ausdruck. Ihr Spiel reichte von leiser innerer Unsicherheit bis zu entschlossener Klarheit. Siegfried, als romantisch verletzter Idealist, wurde mit zurückhaltender Würde und emotionaler Kraft gespielt. Graf Karl von Warry wirkte als machtvoller Gegenspieler nie klischeehaft, sondern als innerlich überzeugter Vertreter von Ordnung und Ehre – ein differenziert angelegter Charakter. Der Räuberhauptmann beeindruckte mit kraftvoller Präsenz, rauer Direktheit und emotionaler Tiefe. Seine Auftritte, besonders im Zusammenspiel mit Ulrika, zählten zu den eindrucksvollsten Momenten des Abends. Ein echter Höhepunkt war die Darstellung des Lipperl – humorvoll, pointiert und mit perfektem Gespür für Rhythmus und Publikum.
Die kraftvoll choreografierten Schwertkämpfe zeugen von beeindruckender Präzision und körperlichem Einsatz und heben sich deutlich vom Niveau provinzieller Bühnen ab – ein sichtbares Ergebnis intensiver Vorbereitung und großer Spielfreude der Darsteller. Die Drehkulissenbühne der Comedihütte setzte das Geschehen in atmosphärisch dichte Bilder um: Handgemalte Prospekte, per Handwechsel gedreht, verwandelten den Spielort von Burgsaal über Turnierplatz bis zur Kapelle mit großer Präzision. Die Kostüme spiegelten mit großer Detailtreue die Charaktere und ihre soziale Stellung wider. Musikalisch begleitete die Musikkapelle Kiefersfelden mit Live-Fanfaren, Zwischenspielen und stimmungsvoller Untermalung. Besonders hervorzuheben war der neu arrangierte Chorgesang des hauseigenen Ensembles.
Lipperl sorgt für
Szenenapplaus
Das Publikum im Theaterstadl zeigte sich durchweg begeistert: Szenenapplaus, herzliches Lachen bei Lipperl und stehende Ovationen am Schluss belegen den starken Eindruck, den diese Premiere hinterlassen hat.
„Ulrika oder Die Entscheidung um Mitternacht“ ist mehr als ein gelungenes Historiendrama. Es ist ein leidenschaftliches Bekenntnis zum lebendigen Volkstheater – präzise gespielt, musikalisch reich und traditionsbewusst in Szene gesetzt.