Bad Aibling/Chiemgau – Es ist eine alarmierende Häufung von tödlichen Badeunfällen, die die Region derzeit in Atem hält. In Bayern sind in diesem Sommer bereits über 30 Menschen beim Baden ums Leben gekommen. Dramatisches Beispiel ist die Tragödie vom Eibsee, bei dem ein Sechsjähriger Anfang Juli beim Tretbootfahren ins Wasser fiel. Sein Vater versuchte, ihn zu retten – beide starben.
Auch im Kreis Würzburg verschwand kürzlich ein 17-Jähriger, nachdem er mit seiner Fußball-Trainingsgruppe nach einem Lauf im Main schwimmen gegangen war. Tage später wurde eine Leiche gefunden, bei der es sich nach Polizeiangaben „höchstwahrscheinlich“ um den Vermissten handelt. Doch woran liegt es, dass in diesem Jahr so viele Menschen dem Wasser zum Opfer fallen?
Quote „definitiv zu hoch und steigend“
Dominik Englhauser, Vorsitzender der Wasserwacht Bad Aibling, hatte zuletzt gegenüber den OVB-Heimatzeitungen betont, dass die genauen Ursachen der Badeunfälle vielfältig seien, „erhebliche Hitze aber durchaus als Risikofaktor für Unfälle an und in Gewässern zu werten ist.“ Auch wenn er in seinem Einsatzgebiet bisher noch keine Häufung von dramatischen Badeunfällen vermeldet, seien generell Fließgewässer gefährlicher als stehende Gewässer, so Englhauser. Stellt sich grundsätzlich die Frage, welchen Einfluss die generelle – womöglich teils mangelhafte – Schwimmfähigkeit der Bevölkerung auf die aktuellen Ereignisse hat.
Laut Englhauser lässt sich ein solcher Zusammenhang aufgrund der vielen Einflussfaktoren nur sehr schwer validieren. Aber: „Definitiv ist die Quote der Kinder und Erwachsenen, die nicht oder nicht richtig schwimmen können, zu hoch und steigend.“ Passend dazu betont die Wasserwacht Bayern mit ihrer Kampagne „Bayern schwimmt“ immer wieder, dass die Sicherheit beim Schwimmen möglichst frühzeitig im Kindesalter erlernt werden sollte. Schwerpunkt der Initiative in diesem Jahr: das Kraulen.
Demnach befürwortet es die Wasserwacht Bayern, dass Kinder möglichst als erste Schwimmart das Kraulen erlernen – noch vor dem Brustschwimmen. Bislang ist Letzteres die bekannteste und am weitesten verbreitete Schwimmart in Deutschland. Laut Angaben der Wasserwacht lässt sich dies auf die Schwimmausbildung der Soldaten im 19. Jahrhundert zurückführen. „Hauptargument war dabei die Ähnlichkeit mit der Fortbewegung des Frosches im Wasser, die der Mensch einfach zunächst an Land, dann im Wasser nachahmen sollte“, so die Wasserwacht Bayern. Als typische Erstschwimmart habe sich das bis heute außerhalb der Schwimmvereine in Deutschland erhalten. Motorisch sei das Brustschwimmen jedoch eine sehr komplexe Bewegung, die der natürlichen Diagonalkoordination der Kinder widerspricht. Neben unnatürlichen Beinbewegungen sei das Brustschwimmen aus biomechanischer Sicht die ungünstigste und damit langsamste sowie kraftaufwendigste Schwimmart.
DLRG mit Appell
an Bootsverleiher
Laut Wasserwacht wird deshalb in vielen anderen Ländern, wie Australien, Schweiz, England oder USA sowie auch im Bereich der Schwimmvereine das Kraul- und Rückenkraulschwimmen bevorzugt. Erst später folge das Brustschwimmen.
In Deutschland würde häufig versucht, Kindern das Schwimmen mit erhöhtem Kopf beizubringen. In zahlreichen anderen Ländern lernten Kinder, erst in Ruhe unterzutauchen und unter Wasser auszuatmen, zu gleiten und dann auf dem Wasser „zu schweben“. Zwar dauert diese Methode länger. Sie sei jedoch langfristig der geeignetere Weg, um richtig schwimmen zu lernen. Indes meldet sich auch der Landesverband der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) angesichts der vielen tödlichen Badeunfälle zu Wort. Demnach komme es immer wieder auf den Seen in Bayern zu tödlichen Unfällen in Verbindung mit Tretbooten und Stand-Up-Paddling. „Schon mindestens fünf Menschen sind in diesem Jahr von einem Tretboot ins Wasser geraten und ertrunken“, hieß es in einer DLRG-Mitteilung.
Man weise deshalb auf die Zusammenhänge hin: „Betroffen sind in aller Regel Personen, die nicht oder nicht sicher schwimmen können und die keine Rettungsweste tragen.“ Betroffene, die sich Tretboote oder die Stand-Up-PaddlingBoards geliehen haben, seien oftmals wenig ortskundig und sich der Gefahren auf dem Wasser nicht bewusst. „Deshalb ruft die DLRG Bayern die Bootsverleiher und auch die Nutzer zu einem sicherheits- und verantwortungsbewussten Verhalten auf“, auch weil das Tragen von Rettungswesten in der Freizeit gesetzlich nicht verpflichtend sei. Aus diesem Grund sollten Bootsverleiher die Kunden möglichst fragen, ob jeder tatsächlich sicher schwimmen kann. Auch sollte jedem eine Rettungsweste mitgegeben werden und eine Hilfestellung beim Anziehen der Rettungswesten angeboten werden. Außerdem: „An Personen, die nicht ausdrücklich sagen, dass sie sicher schwimmen können, sollte ein Boot oder ein Board nur zusammen mit Rettungswesten vermietet werden“, so der DLRG-Appell. Für Kinder sind Rettungswesten zudem in geeigneter Größe erforderlich. „Auch Senioren sind, vor allem bei extremer Hitze, auf dem Wasser besonders gefährdet.“ „Rettungswesten anzuschaffen und mit jedem Kunden ein wenigstens kurzes, aufklärendes Gespräch zu führen, ist natürlich ein Aufwand. Jedoch gehe es hierbei um Leben und Tod, erklärt Manuel Friedrich, Präsident der DLRG Bayern. Volker Kvasnicka, Leiter Einsatz der DLRG Bayern, ergänzt: „Nichtschwimmer, die weit draußen auf einem See ins Wasser fallen, können meist nicht mehr gerettet werden. Trotzdem löst so ein Fall immer eine große Such- und Rettungsaktion aus.“ Es seien ehrenamtliche Retter, die bei solchen Einsätzen Enormes leisten müssen, oft über Stunden hin unter größter Anspannung. „Nicht zu vergessen auch die Belastung der Polizeitaucher, die letztlich die Leichen bergen müssen.“
Wenige Zentimeter reichen für Gefahr
Unterdessen fordert das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit, ein bundesweiter Zusammenschluss von kinder- und jugendmedizinischer Fachgesellschaften, Berufsverbänden oder Kinderkrankenpflegeorganisationen, frühzeitige Aufklärung, gezielte Präventionsmaßnahmen und Ausbau von Schwimmangeboten. So zählten Ertrinkungsunfälle zu den häufigsten unfallbedingten Todesursachen bei Kindern in Deutschland. „Besonders gefährdet sind Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren – eine Altersgruppe, in der die Fähigkeit zur Gefahreneinschätzung noch nicht ausreichend entwickelt ist“, erklärt das Bündnis in einer Mitteilung. Demnach geschehe Ertrinken „meist schnell und lautlos – oft reichen wenige Zentimeter Wasser aus.“
Kinder niemals unbeaufsichtigt lassen
Präventiv empfiehlt das Bündnis, dass man etwa Säuglinge niemals unbeaufsichtigt baden lassen sollte. Dies gelte auch für Kleinkinder (ein bis fünf Jahre), bei denen man zudem die Wasserquellen sichern und eine frühzeitige Wassergewöhnung beachten sollte. Schulkinder (sechs bis zwölf Jahre) sollten an qualifizierten Schwimmkursen teilnehmen und Jugendliche (ab zwölf Jahre) bräuchten Unterstützung bei einer realistischen Selbsteinschätzung. Insgesamt könnten Ertrinkungsunfälle durch gezielte Präventionsmaßnahmen und durch den Ausbau von Schwimmangeboten verhindert werden. Falls bei der Schwimmtechnik noch nachgebessert werden kann, empfiehlt auch Dominik Englhauser allen Eltern, sich auf der Homepage über das Angebot an Kinder- und Jugendschwimmkursen zu erkundigen.