Bau-Verbot in Nendlberg

von Redaktion

Weil das Landratsamt Rosenheim die Bebauungspläne für zwei Wohnhäuser in Nendlberg (Prutting) ablehnte, zog die Gemeinde vor Gericht. Nach fünf Jahren Wartezeit wies das Verwaltungsgericht die Klage nun ab. Was das für die Pruttinger Bauwerberinnen bedeutet und wie es weitergeht.

Prutting – Fünf Jahre haben die Schwestern Benedikta Hannibal und Brigitte Aiblinger gewartet, ob sie am Nendlberg in Prutting bauen dürfen. Der Wunsch nach eigenem Wohnraum besteht noch länger. 2006 wurde der elterliche Hof, der seit gut 300 Jahren in dem Ortsteil steht, an ihren Bruder übergeben. Damit die Schwestern nicht leer ausgehen, sollten sie je einen Bauplatz auf einem dazugehörigen Grundstück etwa 50 Meter weiter erhalten. Das Problem: Das Grundstück liegt im Außenbereich und ist privilegiert für landwirtschaftliche Zwecke. Sprich: Es darf nicht einfach bebaut werden. Obendrein liegt es in einem Landschaftsschutzgebiet.

Beide Frauen
leben zur Miete

Derzeit leben beide Schwestern zur Miete. Benedikta Hannibal, die einen Orthopädie-Schuhmachermeister-Betrieb führt, hat sich in ein Zuhäusl des elterlichen Hofes eingemietet. Schwester Brigitte Aiblinger wohnt mit ihrer Familie in Bad Endorf. „Wir haben beide Kinder und wollten die Häuser für die Familie“, sagt Aiblinger.

Dafür ließen sie sich 2006 die Grundstücke im Grundbuch überschreiben. Dabei setzte das Amtsgericht Rosenheim einen höheren Wertefaktor – also ein Multiplikator, der verwendet wird, um den Wert eines Objekts zu bestimmen – als es für landwirtschaftliche Flächen üblich ist. „Auf die Frage, warum wir da so viel zahlen müssen, hieß es, es handle sich offensichtlich um Bauland“, erinnert sich Aiblinger.

Und so reichten sie einen Bauantrag ein, damals noch bei der Gemeinde. Im April 2020 wurden die Pläne konkreter: Der Pruttinger Gemeinderat, damals noch mit Hans Loy als Bürgermeister, beschloss die Aufstellung eines Bebauungsplans sowie die Änderung des Flächennutzungsplans für den Bereich Nendlberg-Nord. Darin sollten angrenzend an die Bebauung im Norden zwei Grundstücke – für die beiden Schwestern Hannibal und Aiblinger – sowie ein weiteres im Süden für eine andere Bauanwärterin enthalten sein. Bislang sind sie als Flächen für die Landwirtschaft dargestellt, die Gemeinde wollte sie als Dorffläche ausweisen lassen.

Das Landratsamt stimmte den Plänen der Gemeinde nicht zu. 2018 erhob die Untere Naturschutzbehörde in drei Stellungnahmen Einwände. Insbesondere die Grundstücke im Norden würden gravierend in das 1972 ausgewiesene Landschaftsschutzgebiet „Hofstätter- und Rinssee“ eingreifen.

Der Überplanung eines bestehenden Ortsteils im Landschaftsschutzgebiet steht die Schutzgebietsverordnung nicht entgegen, erklärt Sibylle Gaßner-Nickl, Pressesprecherin des Landratsamtes Rosenheim auf Nachfrage. Denn nicht als Baufläche genehmigt werden konnten lediglich rund 2000 Quadratmeter im Nordosten. Diese unbebaute Fläche würde den Ortsteil erweitern. „Die geplante Flächendarstellung dieser landwirtschaftlichen Fläche als gemischte Baufläche widerspricht der gültigen Landschaftsschutzgebietsverordnung. Diese schließt die Errichtung baulicher Anlagen im Außenbereich aus und hat Vorrang vor der bauplanungsrechtlichen Entscheidung der Gemeinde.“

Was die Bauanwerberinnen aber verärgert: Direkt neben ihrem Grundstück wurde Mitte der 1990er ein Wohnhaus gebaut – ohne landwirtschaftliche Zwecke – und das Landschaftsschutzgebiet bestand zu diesem Zeitpunkt bereits. Das bestätigte Daniela Klinginger, Bauamtsleiterin in Prutting auf Nachfrage des OVB: „1997 wurde für den Bau des Einfamilienhauses eine Baugenehmigung erteilt.“

Über die rechtliche Grundlage für die Entscheidung kann das Landratsamt Rosenheim keine Auskunft geben. „Die Genehmigungsunterlagen für den Bau aus dem Jahre 1997 liegen uns leider nicht mehr vor“, sagt Sibylle Gaßner-Nickl. Sie wurden an das Bayerische Staatsarchiv abgegeben. Die Bebauung des Grundstücks als Abrundung der vorhandenen Bebauung sei aus Sicht des Landratsamtes durchaus vertretbar.

Die Gemeinde Prutting hielt aber an ihren Plänen fest und beschloss im Dezember 2019 die Änderung des Flächennutzungsplans. Das Landratsamt genehmigte diesen im April 2016, allerdings nur für den südlichen Teil. Die Grundstücke von Aiblinger und Hannibal waren von der Genehmigung ausgenommen. Im Juli 2020 nahm die Behörde dann die Genehmigung komplett zurück. „Die Flurnummer sei versehentlich nicht von der Genehmigung ausgenommen worden“, heißt es in den Unterlagen des Gerichts. Denn kurz darauf hatte die Gemeinde Klage am Verwaltungsgericht eingereicht. Die nach fünf Jahren Wartezeit nun abgewiesen wurde. Die Entscheidung des Landratsamtes als zuständige Genehmigungsbehörde ist damit vom Verwaltungsgericht als rechtmäßig bestätigt.

Für Aiblinger und Hannibal sind die fünf Jahre Verfahrensdauer und das Vorgehen einzelner Beteiligter rund um die Klage nicht verständlich. „Nachdem wir vier Jahre auf eine Anhörung gewartet haben, ist der Anwalt des Landratsamtes ohne Unterlagen erschienen“, sagt Aiblinger kopfschüttelnd. Zu weiteren Verzögerungen kam es dann, weil der zuständige Richter die Kammer wechselte und die Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt treffen wollte, erklärt Hannibal.

Auf Nachfrage teilte das Verwaltungsgericht mit, dass die durchschnittliche Laufzeit für Hauptsacheverfahren in Bausachen je nach Kammer bei ein bis zwei Jahren liegt. „Wie lange ein einzelnes Verfahren tatsächlich dauert, hängt dabei von vielen Faktoren ab. Neben der Komplexität der Materie ist dabei beispielsweise auch das Verhalten der Prozessbeteiligten zu berücksichtigen“, erläutert Pressesprecher Dr. Matthias Prinzler. Dass das Urteil für die Pruttingerinnen so lange auf sich warten ließ, liege zum einen daran, dass ins schriftliche Verfahren gewechselt wurde. Zum anderen liege es am hohen Fallaufkommen und der Tatsache, dass die Baukammern ihren Kollegen beisprangen und auch mit einer erheblichen Zahl von Asylverfahren belastet waren.

Auch dass ein Richter innerhalb des Gerichts die Kammer wechsele, sei durchaus üblich. „In Fällen, in denen die Bearbeitung eines Verfahrens schon sehr weit fortgeschritten ist, kann das Präsidium des Gerichts bestimmen, dass der die Kammer wechselnde Richter für dieses Verfahren noch Mitglied seiner bisherigen Kammer bleibt“, so Prinzler.

Thema heute
im Gemeinderat

Auch Bürgermeister Johannes Thusbaß, der durch seine Wahl den Fall „geerbt“ hat, positioniert sich klar für die Pruttinger Bauanwerberinnen. „Ich kann mit dem Vorgehen des Landratsamtes und der Entscheidung des Gerichts nicht leben“, sagt er gegenüber dem OVB. Deswegen habe die Gemeinde entschieden, vorsorglich den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. „Bei der nächsten Sitzung am 4. August soll der Gemeinderat entscheiden, ob wir diesen rechtlichen Schritt gehen wollen.“

Für Thusbaß sei der Schritt entscheidend in Bezug auf die Gemeindeentwicklung. „Wir wünschen uns, dass die Pruttinger hier bleiben und Familien auch generationenübergreifend bei uns im Dorf leben können“, so der Bürgermeister. Schließlich wolle man „keine Splittersiedlung“ entstehen lassen, sondern „zwei Familien ermöglichen zu bauen“.

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