Vogtareuth – Die Lage ist ernst. Mit der Krankenhausreform ändern sich strukturelle Vorgaben in der Kliniklandschaft. So sollen Fachabteilungen für Herzchirurgie künftig nur noch zugelassen werden, wenn am Klinikstandort auch eine Kardiologie vorhanden ist. Das hätte fatale Auswirkungen auf die Versorgung von Patienten im ländlichen Raum. Im Landkreis Rosenheim könnte damit das Aus für das Fachzentrum für Herzchirurgie an der Schön Klinik in Vogtareuth besiegelt sein, denn an der Klinik gibt es keine Kardiologie.
Mitarbeiter
wollen wachrütteln
Um eine Schließung zu verhindern, wurde jetzt eine Petition gestartet. „Erhalten Sie die Schön Klinik Vogtareuth als Fachzentrum für Herzchirurgie in Südbayern.“ Mit diesem Aufruf wollen Mitarbeiter der Klinik nun nicht nur Politiker und Behörden auf Kreis- und Landesebene, sondern auch herzkranke Patienten und deren Familien wachrütteln. Denn wenn die Herzchirurgie-Abteilung in der Schön Klinik Vogtareuth geschlossen wird, gerät die Versorgung herzkranker Patienten im Südosten Oberbayerns ins Wanken.
65 Leistungsgruppen mit Qualitätskriterien
Im Zuge der Krankenhausreform wird das Spektrum der medizinischen Leistungen von Krankenhäusern künftig in 65 Leistungsgruppen mit Qualitätskriterien gegliedert. Diese legen unter anderem die Anzahl, Qualifikationen und zeitliche Verfügbarkeit des ärztlichen Personals sowie die sachlich-apparative Ausstattung des Krankenhauses fest. Die Qualitätskriterien definieren die Voraussetzungen, die eine Klinik erfüllen muss, um Leistungen wie die Herzchirurgie erbringen zu dürfen. Am 24. Mai ist die neue „Prüfrichtlinie“ für Leistungsgruppen des Medizinischen Dienstes in Kraft getreten. Dazu gehört eine „Qualitätskriterientabelle“, die unter anderem festlegt, dass die Herzchirurgie (Leistungsgruppe 21) als Mindestvoraussetzungen auch die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin, Intensivmedizin und Interventionelle Kardiologie am Standort erbringen muss.
Die Entscheidung über die Zuweisung von Leistungsgruppen treffen die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden. Bis zum 31. Dezember 2026 muss der Prozess abgeschlossen sein. Bis dahin solle „eine sorgfältige Prüfung der künftig geltenden Leistungsgruppenvoraussetzungen erfolgen“, teilt das Bayerische Gesundheitsministerium mit. Ziel sei es, „verlässliche Zuweisungsentscheidungen zu treffen, auf deren Grundlage die Versorgungsstrukturen vor Ort gestaltet werden können.“
Im Moment gibt es nach Informationen der Bayerischen Krankenhausgesellschaft noch viele offene Fragen. Das bestätigt auch die Geschäftsführung der Schön Klinik Vogtareuth: „Wir evaluieren im Zuge der bundesweiten Krankenhausreform derzeit alle Fachabteilungen der Kliniken der Schön-Klinik-Gruppe im Hinblick auf die künftige Ausrichtung nach Leistungsgruppen – so auch an der Schön Klinik Vogtareuth“, heißt es auf OVB-Anfrage. „Da die finalen Vorgaben und Zuordnungen durch den Gesetzgeber noch ausstehen, können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Aussagen zu einzelnen Fachabteilungen treffen.“
Große Unsicherheit durch Reformpläne
Die Unsicherheit ist groß. Denn die Krankenhausreform könnte im Bereich der Herzchirurgie einerseits zu einer Konzentration in spezialisierten Zentren führen. Andererseits könnten die neuen Qualitätskriterien dazu führen, dass einige Krankenhäuser ihre bisherigen Herzchirurgie-Leistungen reduzieren oder sogar einstellen müssen, wenn sie den Anforderungen nicht entsprechen. Das wäre in Vogtareuth möglicherweise der Fall. Dabei genießt das Fachzentrum für Herzchirurgie in Vogtareuth seit 19 Jahren einen exzellenten Ruf.
Im deutschlandweiten Gesundheits-Ranking wird die Klinik als eine der führenden Herz-Kliniken bewertet. Hier werden alle herzchirurgischen Eingriffe bei erwachsenen Patienten – mit Ausnahme von Herztransplantationen – durchgeführt. Schwerpunkte sind die Bypass- und Herzklappenchirurgie sowie eine Herzklappen erhaltende Chirurgie.
Eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten wird durch interdisziplinäre Zusammenarbeit gewährleistet. Am Standort Vogtareuth in enger Kooperation mit den Fachzentren für Anästhesie und Intensivmedizin, Gefäßchirurgie, Neurochirurgie, Wirbelsäulenchirurgie, Orthopädie und Rehabilitationsmedizin. In einem regionalen Netzwerk durch die Kooperation mit anderen Krankenhäusern und Leistungserbringern. So arbeiten die Vogtareuther Herzchirurgen beispielsweise im „Heart-Team“ eng mit Kardiologen der Kliniken in Rosenheim, Agatharied, Traunstein, Landshut und Eggenfelden zusammen.
Mit der Krankenhausreform wird nun eine „hauseigene“ Kardiologie zur Bedingung für die Herzchirurgie gemacht. Ohne Kardiologie keine Herzchirurgie. Davon betroffen wären vor allem die Patienten. In Deutschland gibt es nach Informationen der Deutschen Herzstiftung nur 78 Fachabteilungen für Herzchirurgie. Fällt eine weg, steigt der Patientendruck auf die anderen.
In der Region ist Vogtareuth das einzige Zentrum für Herzchirurgie. Andere sind weiter entfernt: in München, Salzburg, Innsbruck, Regensburg oder Augsburg. Schon heute sind die Münchner Herzchirurgien teilweise so stark ausgelastet, dass in Notfallsituationen Patienten aus München nach Vogtareuth zur sofortigen operativen Versorgung gebracht werden.
Bei Notfällen
zählt jede Minute
Bei einem Herznotfall zählt jede Minute. Mit circa 342000 Todesfällen im Jahr sind Herzkrankheiten die häufigste Todesursache in Deutschland. „Vor allem bei herzchirurgischen Notfällen wie einem akuten Herzinfarkt ist eine schnelle und gut erreichbare Versorgung in einer Fachklinik besonders wichtig. Der Erhalt der Herzchirurgie-Abteilung ist daher nicht nur für die Mitarbeiter, sondern für die gesamte Gemeinschaft unerlässlich“, betonen die Initiatoren der Online-Petition.
Ihnen liegt eine stabile Versorgung herzkranker Patienten in Südost-Oberbayern am Herzen. Deshalb rufen sie auf: „Bitte unterzeichnen Sie diese Petition, um die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen auf die Notwendigkeit einer lokalen Herzchirurgie-Abteilung zu lenken.“ Fast 4000 Menschen haben bereits unterschrieben. Innerhalb von nur zwei Wochen.