Brenner-Nordzulauf – Dicke Luft im Inntal

von Redaktion

„Idyllisch, ruhig, Natur pur“ – mit all diesen Begriffen wird der Campingplatz am Natursee Einöden in Flintsbach beschrieben. Doch mit der Ruhe könnte bald Schluss sein – wenn der Brenner-Nordzulauf gebaut wird. Die Betreiber sind empört, vor allem von den Grünen fühlen sie sich verraten.

Flintsbach – Es war eine TV-Sendung, die immer noch Spuren in der Region hinterlässt. Bei „jetzt red i“ sprachen Verkehrs-Staatssekretär Ulrich Lange (CSU) und die Landtags-Grünen-Vorsitzende Katharina Schulze über zwei große Verkehrsthemen, die die Region bewegen. Einerseits das Verkehrschaos in den Gemeinden, das bei Stau auf den Autobahnen in der Region entsteht.

Zahl der Züge lässt
Emotionen kochen

Dieses Problem hat nun mit den temporären Durchfahrtsverboten zumindest in der Theorie eine Lösung gefunden. Auf der anderen Seite stand der Brenner-Nordzulauf zur Diskussion. Ein hochemotionales Thema, wie auch die Politiker zu spüren bekamen. Als sich Katharina Schulze deutlich für die von der Deutschen Bahn geplante Neubautrasse aussprach, konnte man im Publikum an einigen Ecken Kopfschütteln vernehmen.

Ein empörtes Raunen folgte, als Schulze sagte: „Es braucht den Neubau. […] Nach den Berechnungen werden – wenn die Österreicher und Italiener fertig sind – bis zu 400 Züge mehr pro Tag kommen. Und dann reicht es einfach nicht, die auf der modernisierten Strecke fahren zu lassen.“ Da nützte auch die Beteuerung ihres Verständnisses für betroffene Landwirte nichts. Wie groß der Frust war, zeigte sich auch nach Ende der Live-Sendung.

Zahlreiche Bürger, die als Zuschauer in Rohrdorf dabei waren, kamen auf Schulze zu und gingen mit ihr in die Diskussion – und diese geht bis heute weiter. Hans Fleischmann vom Camping-Erholungsverein Bayern aus Flintsbach wandte sich in einem offenen Brief an die Grünen-Politikerin. Er habe Schulzes Auftritt „mit großem Befremden“ verfolgt. Wie auch den Zuschauern in Rohrdorf stieß Fleischmann die Aussage zu den Zugzahlen sauer auf.

Auf Nachfrage bei den Grünen, woher diese Zahl stamme, antwortet der Landessprecher für Mobilität, Markus Büchler, dass die 400-Züge-Aussage aus diversen Planungsunterlagen des Brenner-Korridors, unter anderem aus der Machbarkeitsstudie des Brennerbasistunnels, stamme. Dieser könne 400 Züge täglich aufnehmen. Zudem ergänzt Büchler: „Momentan gibt es zwei durchgehende Gleise zwischen München und Verona. Diese sind weitgehend ausgelastet. Die allseits gewünschte, nennenswerte zusätzliche Güterverlagerung von der Straße auf die Schiene ist damit nicht möglich.“ Auch nicht bei etwaigen Modernisierungsmaßnahmen, ergänzt der Grünen-Politiker und nennt als Quelle für seine präsentierten Zahlen die Brenner-Nordzulauf-Infowebsite der Deutschen Bahn.

Fleischmann sieht das anders. Er führt eine derzeitige Auslastung von 180 Zügen täglich an – und ein mögliches Maximum von 300 Zügen. Die zentrale Frage, warum man den Bestand nicht ausschöpfe, bleibe bestehen.

Ein zusätzlicher Kritikpunkt des Campingplatz-Vorsitzenden: „Ihre Haltung zur geplanten Neubaustrecke widerspricht in eklatanter Weise den Grundwerten, die Sie und Ihre Partei lange vertreten haben – dem Schutz der Natur, der Landschaft und der ländlichen Lebensqualität.“

Grüne kontern die
Kritik der Betroffenen

Bei den Grünen hat man darauf eine klare Antwort: „Der Alpentransit verursacht seit Jahren Klimaschäden durch beispielsweise Abgase und Reifenabrieb. Dazu kommt die Lärmbelästigung“, macht Büchler deutlich. Und das würde auch in Zukunft so bleiben, wenn keine Verkehrsverlagerung auf die Schiene erfolge. „Es braucht die massive Verlagerung von Straße auf Schiene – vor allem aus Naturschutzgründen.“ Zudem würden zum Schutz der Umwelt die beiden neuen Gleise überwiegend unterirdisch geplant. Nur halt nicht im Inntal.

„Wir teilen das Ziel, CO2-Emissionen zu reduzieren – jedoch nicht den eingeschlagenen Weg“, macht Fleischmann deutlich. „Die geplante Trasse zerstört trotz Tunnelabschnitten wertvolle Kulturlandschaften, zerschneidet Naherholungsräume und gefährdet bäuerliche Existenzen – ohne belastbare Belege dafür, dass dies alternativlos wäre“, sagt Fleischmann. Naturzerstörung sei kein Klimaschutz. Stattdessen solle man andere Maßnahmen ergreifen. Etwa die Förderung von Wasserstoff-Lkw oder attraktiven Mautmodellen.

„Viele Bürgerinnen und Bürger – darunter Landwirte, Unternehmer, Kommunalpolitiker und auch wir als Tourismusbetrieb – haben das Gefühl, nicht gehört zu werden“, erklärt Fleischmann. Auch aus diesem Grund hat er Schulze zu einem Dialog vor Ort eingeladen. Eine Einladung, wie sie auch in der TV-Sendung bereits ausgesprochen wurde.

Eingehen möchte man darauf bei den Grünen allerdings nicht. Die Grünen-Fachpolitiker hätten sich von Anbeginn des Projekts intensiv damit beschäftigt und seien vor Ort und in vielen Gesprächen gewesen.

„Jetzt braucht es eine
rasche Realisierung“

Man unterstütze das Vorhaben. Da es sich allerdings um ein EU-Projekt, ausgeführt vom Bund, handle, liege die Zuständigkeit nicht in Bayern. „Wir sind hier schon viele Jahre in Verzug und wir Grüne sind der Meinung, dass es jetzt eine rasche Realisierung braucht“, macht Büchler noch einmal – genau wie seine Parteikollegin Schulze – deutlich.

Fleischmann sieht das Ganze anders. Ihm zufolge wurden bisher ausgesprochene Einladungen ignoriert. „Glaubwürdige Politik bedeutet jedoch auch, sich unbequemen Fragen zu stellen – nicht nur in Plansälen und Parteibüros, sondern direkt bei den betroffenen Menschen“, sagt er.

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