Eine Mutter verzweifelt

von Redaktion

Kein Ausweis, kein Name, kein Kindergeld – Alles hängt am Noch-Ehemann

Großkarolinenfeld – Sie kann keine Elternzeit beantragen, kein Kindergeld und keinen Ausweis für ihr Baby. Maria Lechner (Name von der Redaktion geändert) aus Großkarolinenfeld ist verzweifelt. „Es ist absurd und unmenschlich, dass Frauen in solchen Situationen vollkommen ausgeliefert sind – während Männer, die sich querstellen, faktisch belohnt werden“, schildert sie dem OVB. Lechner und ihr neuer Partner sind kürzlich Eltern geworden. Doch das junge Familienglück wird durch ihren Noch-Ehemann getrübt, wie sie dem OVB erklärt. Da die Scheidung noch nicht abgeschlossen ist, gilt er rein rechtlich als Vater des Kindes – obwohl er dies biologisch nicht ist.

Ohne seine Unterschrift geht nichts

Und das wurde für sie und ihr Kind nun zum Problem. „Ohne die Unterschrift meines Ex-Mannes kann ich keine Geburtsurkunde beantragen, keinen Namen für mein Kind eintragen lassen, kein Kindergeld, Elterngeld oder eine Krankenversicherung, weil er jede Unterschrift verweigert”, sagt sie. Lechner habe unzählige Telefonate mit dem Standesamt geführt. „Doch überall stoße ich auf die gleiche Hürde: Ohne seine Unterschrift geht nichts.“ Auch Gespräche und eindringliche Bitten an ihren Ex-Mann hätten zu nichts geführt. Das Standesamt habe ebenfalls mehrfach versucht, ihn zu kontaktieren, doch er ignoriere konsequent alle Anrufe. „Und warum? Weil das Gesetz es ihm ermöglicht”, ärgert sich Lechner.

Ehemann ist rechtlicher Vater

Doch wie ist die rechtliche Lage konkret? „Wird ein Kind während der Ehe geboren, wird grundsätzlich der mit der Mutter verheiratete Mann rechtlicher Vater des Kindes”, erklärt der Rosenheimer Familienrechtsanwalt Christian Wachter. Dies ist in Paragraf 1592 Nr. 1 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) so festgeschrieben. Aber: „Der leibliche Vater, die Mutter und das Kind können binnen zwei Jahren ab Kenntniserlangung der Umstände, die gegen die biologische Vaterschaft des rechtlichen Vaters sprechen, die Vaterschaft anfechten”, sagt Wachter. Dennoch gilt: „Ein ‚einfacher’ Vaterschaftstest allein hat rechtlich zunächst noch keine zwingende Bedeutung. Das Ergebnis könne lediglich bei der Anfechtung der Vaterschaft eingebracht werden.

Eine Voraussetzung dafür ist Wachter zufolge, dass der leibliche Vater eidesstattlich versichert, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Und es gibt noch eine weitere Bedingung: Zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater darf keine „sozial-familiäre Beziehung“ bestehen. Bei Lechner wäre das der Fall. Sie lebt bereits seit über einem Jahr von ihrem Noch-Ehemann getrennt. Aber: „Eine solche Beziehung wird gesetzlich vermutet, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist“, erklärt Wachter.

Vaterschaft kann angefochten werden

Doch auch diese Vermutung kann dem Anwalt zufolge widerlegt werden. Der Anfechtende muss dann vortragen, dass der rechtliche Vater mit dem Kind nicht zusammenwohnt und er auch keine Zeit mit dem Kind verbringt oder dass die Eheleute zum Zeitpunkt der Zeugung bereits getrennt gelebt haben, also nicht mehr „Tisch und Bett“ geteilt haben, schildert Wachter. Nach einer solchen erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung kommt es in der Regel zum familiengerichtlichen Verfahren. Im Rahmen dessen kommt es zur Entnahme von Blutproben – und schließlich wird der biologische Vater auch zum rechtlichen Vater erklärt.

Ein langes und aufwendiges Verfahren, welches Lechner mit ihrer akuten Problematik nicht weiterhilft. Wachter rät dann zu einem Antrag gemäß Paragraf 1628 BGB. Dieser lautet „Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern” und ermöglicht es, die Entscheidungskompetenz in Fällen zentraler Bedeutung – wenn sich ein Elternteil sperrt – auf einen Elternteil zu übertragen.

Sonderregelung bei laufender Scheidung

Sollte ein Kind nach Stellen des Scheidungsantrags aber noch vor Rechtskraft der Scheidung geboren worden sein, gibt es für leibliche Eltern außerdem weitere Möglichkeiten, die rechtliche Vaterschaft des Kindes zu ändern. Für diesen Sonderfall (Paragraf 1599 II BGB) ist eine gerichtliche Anfechtung der Vaterschaft Wachter zufolge nicht zwingend notwendig. „Es besteht auch die Möglichkeit, dass der biologische Vater des Kindes die Vaterschaft anerkennt und zusätzlich sowohl die Mutter als auch der Noch-Ehemann dieser Anerkennung zustimmen”, erklärt er.

Letztlich bleiben Lechner und ihrem Partner, dem biologischen Vater des Kindes, also nur der Rechtsweg. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist für sie ein Unding. „Wäre es nicht fairer, wenn in solchen Fällen eine schnelle und unkomplizierte Klärung per Vaterschaftstest möglich wäre, um willkürliche Machtspiele zu unterbinden?”, fragt sie.

Hinter ihrer Wut steckt auch die Sorge um ihr Kind. „Wenn mir etwas passiert, hat er das Sorgerecht”, sagt sie. „Und das, obwohl er überhaupt nichts mit diesem Kind zu tun hat.“ Wachter empfiehlt, in solchen Situationen frühzeitig rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um dann die für die jeweilige Situation erforderlichen Schritte zeitnah einleiten zu können.

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