Multikulti vor fast 2000 Jahren

von Redaktion

In der römischen Provinz Noricum vermischten sich einst Römer und Einheimische

Eggstätt – „Wir sind alle Römer. Lasst uns stolz auf unsere Römerstraße sein.“ Dem Lob von Eggstätts Bürgermeister Christoph Kraus schlossen sich die zahlreich erschienenen Gäste bei der Gesprächsreihe zur Ausstellung „1100 Jahre Echistat“ an. Professor Siegmar von Schnurbein, emeritierter Archäologe und Eggstätter Bürger, nahm bei der Veranstaltung – gemeinsam mit Andrea Krammer, Archäologin und Leiterin des Städtischen Museums Rosenheim – die Zuhörer mit auf eine unterhaltsame Reise durch die Vor- und Frühgeschichte der Hartseegemeinde.

Sehenswerte
Ausstellung

In der sehenswerten Ausstellung im Haus des Gastes konnte man sich schon einstimmen, die Leihgaben aus Rosenheim – sorgfältig dokumentierte Grabfunde aus zwei Reihengräbern, die man zufällig bei Bauarbeiten Anfang der 1950er-Jahre am südlichen Ortseingang fand – machten Lust auf mehr. Und den Wissensdurst stillte Professor von Schnurbein mit Fotos und kurzweiligen Informationen.

Eggstätt liege im damaligen Gebiet des Noricum, wo eine einzigartige Kultur entstand, als sich Römer und Einheimische mischten. Anders als in der Provinz Raeticum jenseits des Inns, wo sich die unterschiedlichen Völker wohl eher bekämpften. Doch schnell ging es wieder zurück an den Chiemsee: Die Größe der römischen Gutshöfe von Unterkitzing – 32 mal 21 Meter misst allein das Wohngebäude samt „wunderbarem Blick in den Süden“ – oder Erlstätt – das Hauptgebäude macht hier 70 mal 40 Meter aus – ließen das Publikum staunen.

Viel ist nicht mehr erhalten, einzelne Funde wie Mosaiksteine, Luftaufnahmen und Messungen machen derlei Erkenntnisse möglich. Die Bronzefunde lassen auf Wohlstand schließen, wohl ein Verdienst des guten Ackerlands, auch belegt durch Pollenfunde, dazu noch der Panorama-Blick – kein Wunder, dass sich die Römer hier wohlfühlten.

Durch das Fenster der Vergangenheit blicken, heiße nicht umsonst so, so der Archäologe. Von der Turnhalle in Grabenstätt kann man das Gebäude in Erlstätt ausmachen. Der Schaukasten im Breitbrunner Rathaus zeigt ebenfalls sehenswerte Funde.

In Seebruck finden sich unter der Kirche Fragmente eines quadratisch angelegten, 27 mal 27 Meter großen römischen Tempels. Und in Chieming wurde zum Bau der Kirche ein Stein verwendet, der auf das Jahr 219 n. Chr. datiert ist, leicht auszumachen an der Inschrift. Es lohne sich also, die Augen aufzumachen und rund um den Chiemsee – sei es in Bernau, in Aschau oder im Römermuseum in Seebruck – die Römerregion Chiemsee näher zu erkunden, warb Professor von Schnurbein. Warum allerdings die Römer nach dem vierten Jahrhundert immer weniger wurden, konnte auch er nicht klären. Erst ab dem sechsten Jahrhundert spreche man von den Bajuwaren.

Was macht nun das Besondere an Eggstätt aus? Die Gemeinde lag direkt an der römischen Straße, die von Augsburg (Augusta Vindelicum) über Seebruck (Bedaium) nach Salzburg (Iuvavum) führte. Quasi die Autobahn nördlich der Alpen in Ost-West-Richtung, so von Schnurbein. Hier in Eggstätt habe man die schon erwähnten Reihengräber gefunden. War der Unterwirt gar einst eine Taverne? Der Ortsname Straß deute jedenfalls darauf hin, dass hier die Straße durchführte. Man wisse aus Funden, dass die Römerstraße gut ausgebaut war, rechts und links Gräben hatte und dass mittig ein Damm mit Kies verlief. Meilensteine zeigten die jeweiligen Entfernungen an.

Kiesabbau
am Einbes-See

Die Via Julia sei eine reine Erfindung, merkte der Experte auf Nachfragen an. Und nein, es gebe keine Fragmente mehr, die römische Straße wurde ständig erneuert und wieder aufgeschottert. Einer der zahlreichen Rundwege durch die Eggstätt-Hemhofer Seenplatte führe zum Einbes-See. Dort könne man Kiesabgrabungen ausmachen. Auch der Blick von Schloss Hartmannsberg nach Süden über den Langbürgner See sei sehr zu empfehlen: Richtung Südwesten blickend kann man einen bewaldeten Kegelberg ausmachen, dort stand früher die Zickenburg. Ein Besuch Eggstätts und seiner Umgebung lohnt sich also. Und wer weiß, vielleicht machen die Eggstätter ja noch mehr aus ihren Schätzen der Vergangenheit.

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