Mahnungen an verstorbenen Mann

von Redaktion

Oberaudorferin kämpft mit übler Betrugsmasche – Falsche Verträge von Telefonanbieter

Oberaudorf – Plötzlich kam eine Zahlungserinnerung über 419,88 Euro von der 1N Telecom. Angeblich wurde übersehen, den fälligen Betrag zu überweisen. Zuvor hatte Monika H. (Name von der Redaktion geändert) ein Schreiben darüber erhalten, dass die Kündigung und Mitnahme der Rufnummer von der Telekom zur 1N Telecom zurückgezogen worden sei. Ihr war nichts über eine Vertragsänderung bewusst, und ihr Mann war erst drei Tage zuvor verstorben. Deshalb legte sie das Schreiben erst einmal ad acta. Schließlich waren zu dem Zeitpunkt andere Dinge wichtiger.

Wenige Tage später schrieb sie an die 1N Telecom, dass bei ihr kein Auftrag vorläge. Außerdem schickte sie das Widerrufsformular mit und kündigte an, alles an einen Rechtsanwalt weiterzuleiten. Nach zwei Wochen kam dann die Antwort der 1N Telecom: Man habe keine neue Kündigung für den bisherigen Vertrag erteilt. Deshalb wurde Monika H. eine neue Rechnung gestellt für einen pauschalisierten Schadensersatz über 419,88 Euro.

Nicht die einzige Betroffene

Diese Forderung leitete die Betroffene an eine Anwaltskanzlei aus Wuppertal weiter, die sie von ihrer Rechtsschutzversicherung vorgeschlagen bekommen hatte. Die Kanzlei übernahm ihren Fall und teilte ihr mit, sie sei nicht die einzige Betroffene.

Die ganze Thematik ging jedoch weiter. Im März 2024 kam eine weitere Mahnung bei Monika H. an und sie zahlte auch diese nicht. Dadurch kam kurz vor Weihnachten 2024 eine Forderung vom „Bayerischen Inkasso-Dienst“ bei ihr an.

Die Schreiben waren alle an ihren verstorbenen Ehemann adressiert. Der Betrag, den Monika H. mittlerweile zahlen sollte, war auf 480 Euro angestiegen. Die ganzen Schreiben und Forderungen leitete die Oberaudorferin an ihren Anwalt weiter. Dieser schrieb der Inkassogesellschaft. Weder diese noch die 1N Telecom reagierten auf die Briefe ihres Anwalts. Dadurch hielt Monika H. den Fall für abgeschlossen.

Doch im Mai 2025 kam wieder eine Inkasso-Forderung bei ihr an, von der Firma „riverty“ aus Gütersloh. Diesmal sollte sie 458,43 Euro zahlen. Auch diese leitete sie an ihren Anwalt weiter. Im Juli folgte der nächste Brief an ihren verstorbenen Ehemann von der „TPI Investment GmbH“.

Nach eineinhalb Jahren Briefverkehr tauchte in diesem Schreiben auf einmal eine Kopie eines Vertrags auf, den ihr Mann im August 2023 unterschrieben haben soll. „Zu diesem Zeitpunkt hat er garantiert keinen Auftrag mehr erteilt. Er war damals sehr krank und wurde wenige Tage später zu Hause palliativ betreut“, sagt Monika H. Auch dieses Schreiben schickte sie an ihren Anwalt.

Jetzt informierte sie sich zusätzlich selbst. Bei der Verbraucherzentrale fand sie Informationen zu „TPI Investment“. Laut dieser Darstellung habe TPI die Forderungen der 1N Telecom übernommen, allerdings würden konkrete Nachweise hier vollständig fehlen. Außerdem wurde TPI erst im Juli 2025 gegründet und wird von einer einzelnen Person vertreten. In den Mahnschreiben an Monika H.s verstorbenen Ehemann bezeichnet sich das Unternehmen mehrfach als „Inkasso“.

Bei der Verbraucherzentrale ist für den Geschäftszweck allerdings der Erwerb und die Verwaltung wie auch Verwertung von Vermögenswerten angegeben. Laut Verbraucherzentrale Auerbach sei es rechtlich höchst problematisch, dass sich das Unternehmen selbst als „Inkasso“ bezeichnet, obwohl es keine Zulassung als Inkassodienstleiter hat. „Verbraucher werden hier gezielt unter Druck gesetzt – mit juristisch klingenden Formulierungen und einer Fülle an Urteilen, die in den meisten Fällen gar nicht zutreffen“, warnt Heike Teubner von der Verbraucherzentrale Sachsen. Laut ihr gibt es ohne eine klare Abtretungsurkunde der 1N Telecom an TPI keine Grundlage für Zahlungen.

Auch dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd sind laut Pressesprecher Daniel Katz solche Fälle bekannt. So kann es ihm zufolge in Einzelfällen zur Zusendung mehrerer Schreiben kommen. „Nach Erhalt einer Rechnung und/oder Zahlungsaufforderung können weitere Schreiben bezüglich der Ankündigung eines Mahnverfahrens, die Einbindung eines Inkasso-Unternehmens oder der Einbindung eines Gerichtsvollziehers folgen, um Druck auf die Empfänger auszuüben“, erklärt Katz das System dahinter.

Diesen Druck hat Monika H. aus Oberaudorf erlebt. Als Anlage zur Inkasso-Forderung erhielt sie eine Liste von angeblichen Urteilen zu diesem Fall. Auf die Schreiben ihres Anwalt reagierte TPI nicht. Stattdessen erhielt Monika H. eine weitere Forderung und überlegt mittlerweile, einfach zu zahlen. „Diese Hilflosigkeit, Machtlosigkeit, dieses Ausgesetztsein. Ich kann einfach nicht mehr“, erzählt Monika H. Auch wenn es sich nur um 480 Euro handle, sei es für sie viel Geld. Aber sie wolle einfach keine Schreiben mehr von irgendwelchen Inkasso-Firmen bekommen, die dazu keinerlei Berechtigung hätten.

Sie ist sich sicher, dass ihr Ehemann zu dem angegebenen Zeitpunkt nicht mehr in der Lage war, eine solche Aktion zu tätigen. Laut ihr sei die vorliegende Unterschrift gefälscht. In ihrer Situation fragt sie sich auch, wo der Rechtsstaat sei. Ihr zufolge werde man für jede Kleinigkeit zur Rechenschaft gezogen, aber dann kann ein Unternehmen so sein Unwesen treiben. Es könne Menschen so lange mürbe machen, bis sie endlich zahlen.

In solchen Fällen kann laut Katz für eine umfassende Rechtsberatung eine Vertretung durch einen entsprechenden Anwalt ratsam sein. Monika H. ist laut ihrem Anwalt mit diesem Vorfall nicht alleine. Genaue Zahlen von der Polizei gibt es dazu allerdings nicht. Solche Fälle laufen allgemein unter der Bezeichnung Betrug. Außerdem werden laut Katz in diesem Bereich nicht alle Fälle durch die Geschädigten zur Anzeige gebracht. „Somit sind einige Fälle nicht polizeibekannt. Deshalb ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen“, sagt Katz.

Bleibt nur
das Bezahlen?

Die Verbraucherzentrale informiert auf ihrer Webseite über diese Betrugsmasche. Unter anderem klärt sie die Leute auf, wann sie reagieren sollen oder bietet auch Musterbriefe an. Außerdem suchen sie aktuell Betroffene für eine Sammelklage.

Laut Monika H. stünden ihre Chancen durch die vorliegende Unterschrift schlecht. Das sei auch auf den Seiten der Verbraucherschutzzentrale nachzulesen. Ein Gerichtsverfahren könne sie sich nicht leisten, das würde auch die Versicherung nicht bezahlen. Am Ende bleibe für sie nur eins: Bezahlen, damit die Geschichte endlich ein Ende hat.

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