John und Rita hören auf

von Redaktion

Obinger Wirtspaar geht in den Ruhestand – Nachfolger für Gasthof gefunden

Obing – Vor 55 Jahren packte den gebürtigen Amerikaner John Gonzalves das Reisefieber, 1980 verschlug es ihn nach Bayern. John lernte den Chiemgau lernen und lieben, wie er grinsend verrät: „Der Lifestyle ist ähnlich. Hier ist man sofort per ‚Du‘ – wir Amis kennen es ja nicht anders.“

Es dauerte nicht lange, bis John entschied, sich zusammen mit seiner Rita, die er 1978 in Goa kennengelernt hatte, der Gastronomie, gepaart mit Kunst und Kultur, zu widmen. Die Idee einer Musikkneipe mit Bierausschank war geboren.

Zum Geheimtipp entwickelt

„Nur Bier ausschenken wollten wir nicht. Wir wollten den Leuten etwas bieten“, erinnert sich Rita an die Anfänge in der „Rossschänke“, einem ehemaligen Reiterstüberl in der Nähe von Seeon. Dort führten sie eine biologische Landwirtschaft mit allerlei tierischen Bewohnern. Die „Rossschänke“ entwickelte sich in kürzester Zeit zum Geheimtipp. Damals waren Irish Folk und Bluegrass angesagt.

Die Vertragskündigung wegen Eigenbedarf nach sieben Jahren zwang die Wirtsleute aus heiterem Himmel nach Emertsham umzuziehen. Hier führten sie ihr Konzept acht Jahre lang weiter, ehe sie die Möglichkeit ergriffen, den Gasthof „Zur Post“ in Obing zu pachten. Das war im Mai 1996.

„Für uns wurde ein Traum wahr“, erzählt Rita und John ergänzt: „Wir wollten nie ein Szenelokal sein, sondern für ein breites Publikum jeden Alters erreichbar sein.“ Tausende Weltstars und lokale Acts – darunter Mick Jaggers Bruder Chris, Spencer Davis, Mungo Jerry, Hans Söllner, die Biermösl Blosn oder Gerhard Polt – gaben sich über die Jahre hinweg die Ehre im Chiemgau. „Sogar Mozart war da“, witzelt der 74-Jährige und lacht so ansteckend, dass selbst sein üppiger Bart zu wackeln beginnt.

„Geh ma zum John“ heißt es nun schon seit über 44 Jahren – ob in Roitham bei Seeon, Emertsham bei Tacherting oder eben Obing. Zeit, den wohlverdienten Ruhestand anzutreten. Drei Jahre dauerte die Suche nach einem passenden Nachfolger.

„Ab einem gewissen Alter merkt man, dass es nicht mehr so geht wie früher. Spätabends nach den Konzerten die Treppe hinauf in unsere Wohnung in den Feierabend und um sechs Uhr morgens wieder Frühstück für die Übernachtungsgäste herrichten, das zehrt an den Kräften“, räumt die 71-jährige Rita ein und ihre Stimme gerät leicht ins Stocken. „Wir hören mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf. Unser Dank gilt von ganzem Herzen unseren Gästen, die uns über die Jahre immer treu blieben.“

Das erste Konzert in der damaligen „Rossschänke“ war klassischer Natur. Mit Klassik geht es nun auch am 7. September „Beim John“ unter der neuen Leitung von „Ben vom Beathouse“ weiter.

„Nach außen hin wird‘s ein Eventhotel und nicht mehr eine reine Kleinkunstbühne“, erklärt Ben die Beweggründe. „Wir sind nicht leise, wir sind laut und bieten hier etwas. Wer internationale und regionale Größen erleben möchte, ist bei uns an der richtigen Adresse.“  

„Reinkommen und Wohlfühlen“ lautet die Devise – und die soll bleiben, versichert Ben, der mit zwei weiteren Mitstreitern der „Beathouse Company GmbH“ das Traditionsgasthaus in der Dorfmitte fortan weiterführt. Deshalb bleibt auch der Name erhalten. „Beim John“ hat sich über Jahrzehnte etabliert. „Wir fühlen uns geehrt, das Lebenswerk von John und Rita weiterführen zu dürfen und wollen die Herzlichkeit der bisherigen Inhaber mitnehmen“, betont Ben.

„Gleichzeitig ist es aber auch eine Herausforderung. Jeder hat seinen roten Faden, das ist auch gut so – nicht nur die Obinger, sondern Gäste aus der gesamten Region lieben John und Rita. Wir möchten die Tradition fortführen, aber auch in die Zukunft investieren, unsere eigenen Visionen einbringen und insgesamt ein bisserl moderner werden.“

Kleine Änderungen
in der Küche

So soll die Speisekarte aufgepeppt und bunter werden: Ab Oktober ist ein Mittagstisch geplant, der neben den gängigen bayerisch-amerikanischen Schmankerln auch Grill-Klassiker, Fisch oder Pizza zur Auswahl hat.

Außerdem wird im Inneren des urigen Gebäudes der Tresen zu einer „Irish Bar“ mit Karaokebereich umgebaut. Das soll die Pub-Atmosphäre und den ohnehin vorherrschenden Stil intensivieren. Freilich gibt es dann neben einer erweiterten Cocktail-Karte auch Guinness-Bier, worauf vor allem John sehr stolz ist. Schließlich war er damals einer der Ersten in der Gegend, der „Guinness“-Bier vom Fass in der „Rossschänke“ ausschenkte.

Zurück in die USA zieht es John nicht: Dafür sind er und Rita zu sehr im Chiemgau verwurzelt. Ab und an ein Abstecher bei Verwandten in seiner alten Heimat San Francisco ist durchaus drin – ansonsten findet man die beiden natürlich „Beim John“ in Obing – wo auch sonst?

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