Wasserburg – Mein Experiment „Unfreiwillig milchfrei“ habe ich begonnen, da mich seit Jahren viele Allergien plagen. Gräser, Hausstaubmilben, Tierhaare: Die Palette der Auslöser ist vielfältig. Meistens nehme ich von März bis Oktober Tabletten dagegen. Empfohlen wurde mir, einfach mal Milchprodukte wegzulassen, da ich sie möglicherweise nicht vertrage – und somit die anderen Allergien auslöse oder verstärke.
Umsetzung ist
gar nicht so einfach
Also einfach mal ausprobieren. „So schlimm kann das nicht sein, oder? Eigentlich sollte es kein Problem sein, ohne Milch zu leben“: Das habe ich am Anfang des Experiments gedacht. Doch die Umsetzung ist gar nicht so einfach, wie ich schnell gemerkt habe.
Fängt ja schon beim Frühstück an: Kaffee ab sofort schwarz? Keine Chance. Dann muss eben ein Ersatzprodukt her. Doch das gestaltet sich auch nicht so einfach: Es gibt Drinks aus Hafer, Mandel, Haselnuss, Dinkel. Was schmeckt am besten im Kaffee, beziehungsweise am unauffälligsten? Ich probiere sämtliche Sorten. Der Bio-Hafer-Drink schmeckt im Kaffee gar nicht, Haselnuss ist sehr süß, Dinkel geht auch nicht. Ich bleibe dann bei Mandelmilch, die geht im Kaffee. Sie gibt es von verschiedenen Marken, die Produkte schmecken auch immer ein bisschen unterschiedlich. Nach rund zwei Wochen habe ich mich daran gewöhnt und der Kaffee schmeckt eigentlich wie immer – auch ohne Kuhmilch. Festzustellen bleibt aber, dass Ersatzprodukte deutlich teurer sind. Bio-Mandelmilch gibt es im Supermarkt zwischen 2,50 und drei Euro.
Auch bei Käse haben sich verschiedene Firmen etwas einfallen lassen. Es gibt Scheiben auf Kokosbasis, die sind allerdings recht teuer. 100 Gramm gibt es für über drei Euro im Biomarkt. Besonders appetitlich sind sie leider nicht – eigentlich schmecken die Scheiben nach gar nichts. Die Konsistenz ist recht schmierig, beim Essen wird es im Mund schnell trocken. Zur Brotzeit eher ungeeignet, finde ich. Auch für Schinkennudeln kann ich die Alternative nicht empfehlen, da der Reibekäse beim Anbraten eine sehr schleimige Konsistenz bildet. Zum Überbacken für Pizza oder (Nicht-)Käsetoast geht er aber ganz gut. Beim Camembert steige ich aus: Es gibt zwar eine vegane Variante, aber ein kleines Stück auf Cashew-Basis für rund 100 Gramm kostet im Bio-Laden acht Euro.
Alternativen für Joghurt gibt es ebenfalls mit Kokos- oder Sojaprodukten. Kirsche, Heidelbeere, Himbeere, Pfirsich-Maracuja: Die Auswahl ist groß und schmeckt auch noch. Einen Unterschied merke ich kaum – vielleicht bei den Joghurts auf Kokos-Basis. Sie haben einen leichten Nachgeschmack nach Kokos, aber das empfinde ich als angenehm. Für Quark, Sahne und Crème fraîche gibt es Produkte aus Soja, Hafer oder Kokos. Sie haben einen leichten Eigengeschmack, das fällt beim Kochen unter den anderen Zutaten aber nicht auf. Anstatt Butter verwende ich Margarine oder Pflanzencreme zum Anbraten.
Mein nächstes Problem: Schokolade. Es gibt Ersatzprodukte, vegane Schokolade aus Mandeln oder mit hohem Kakao-Anteil. Für mich leider keine Option, denn nichts schmeckt wie Milka Vollmilch. Also streiche ich die Schokolade vorerst aus meinem Speiseplan und steige auf Gummibärchen um. Aber auch hier Vorsicht: Es gibt viele Gummibärchen, in denen Molkepulver enthalten ist. So stehe ich beim Einkaufen am Regal im Supermarkt und lese bei jeder Packung die Inhaltsstoffe genau durch.
Grundsätzlich brauche ich beim Einkauf anfangs deutlich länger: Frühstücksflocken, Brot, Kekse, Fischstäbchen. Überall lese ich auf der Verpackung zuerst, welche Zutaten drin sind. Leider steht oft „Molkepulver“ oder Ähnliches drauf, also zurück ins Regal.
Auch im Kühlregal gibt es Frischkäse, Joghurt und Frischteignudeln zuhauf. Alles tabu für mich. Aber: Es gibt auch vegane – also milchfreie – Alternativen. Fleischsalat, vegane Tortellini und Streukäse, sogar bei Tiefkühlpizza werde ich fündig. Nach einigen Wochen weiß ich, was ich einkaufen kann und ich werde routinierter.
Was tatsächlich schwierig ist: Essen gehen. Zwar gibt es in vielen Restaurants rund um Wasserburg vegetarische Gerichte, aber oft nicht milchfrei. Den Cappuccino danach gibt es mit Hafermilch, da schmecke ich kaum einen Unterschied – im Gegenteil. Ich mag den „Hafer-Chino“ mittlerweile sogar lieber als den mit Mandelmilch.
Allerdings gibt es auch Gefahren der Mangelernährung. So warnt die Bayerische Verbraucherzentrale insbesondere vor einem Kalzium-Mangel. „Milch und Milchprodukte sind aufgrund der verzehrten Menge für die Versorgung des Menschen mit Kalzium von großer Bedeutung“, erklärt Pressesprecherin Daniela Krehl. Wer Milch und Milchprodukte gänzlich ablehnt oder nicht verträgt, sollte beispielsweise auf kalziumreiche Mineralwasser achten, so die Empfehlung Krehls.
Gewinn an
Lebensqualität
Mein Fazit: Man kann sehr gut ohne Milchprodukte leben – aber nur mit Vorbereitung. Am besten geht es, wenn man selber kocht und Gerichte für die Woche vorbereitet.
Aber: Die Alternativen sind oft teurer. Beim auswärts essen oder wenn ich irgendwo eingeladen werde, wird es schwierig. Oft bringe ich die Hafermilch zum Kaffee selbst mit.
Doch der größte Vorteil: Ich habe dieses Jahr noch keinen Heuschnupfen und keine meiner Allergien macht sich bemerkbar. Für mich ein großer Gewinn an Lebensqualität. Somit war das Experiment für mich erfolgreich und ich werde definitiv weiter ohne Milchprodukte leben, zumindest größtenteils.