Kleiner Krebspatient wird eingeschult

von Redaktion

Die Freude ist groß: Maxi Schmidt (7) aus Bad Aibling, der seit Jahren gegen den Krebs kämpft, wurde nun eingeschult. Kurzzeitig wird er vor Ort die Schulbank drücken, dann aber mithilfe eines Avatars virtuell im Klassenzimmer sein. Wie diese Art des Unterrichts für Maxi ablaufen wird.

Bad Aibling – Mehr als die Hälfte seines noch jungen Lebens kämpft der kleine Maxi Schmidt (7) aus Bad Aibling schon gegen eine schwere Krebserkrankung. Stammzellen von seiner Mutter, die ihm erst kürzlich in der Uniklinik Tübingen in Baden-Württemberg transplantiert wurden, nähren derzeit wieder die Hoffnung des Buben und seiner Eltern, dass die Mediziner in seinem Fall den mittlerweile über drei Jahre andauernden Kampf gegen die Geißel der Menschheit gewinnen können.

Nur kurz im
Klassenzimmer

Nun hatte Maxi seinen ersten Schultag an der Luitpoldschule in Bad Aibling. Kein alltäglicher Vorgang, denn Maxi nimmt zwar für kurze Zeit am Präsenzunterricht teil. Dann werden seine Klassenkameraden den Siebenjährigen jedoch monatelang nicht in ihren Reihen begrüßen können.

Er verfolgt nämlich mithilfe eines sogenannten Avatars, den er von zu Hause aus bedient, das Geschehen. Das einem Roboter gleichende Gerät repräsentiert ihn während dieser Zeit im Klassenzimmer. „Er bekommt im Grunde alles mit und kann auch Fragen stellen oder Antworten geben. Wir sind seiner Lehrerin unheimlich dankbar, dass sie diese Form der Wissensvermittlung akzeptiert und sich darauf einlässt“, sagt Vater Florian Schmidt (41).

Ob diese Form des Distanzunterrichts für einen Erstklässler eine Premiere in Bad Aibling oder gar im Landkreis darstellt, kann das bayerische Kultusministerium nicht sagen. „In Bayern werden keine Daten darüber erfasst, wie viele Kinder und Jugendliche aufgrund einer Erkrankung nicht regelmäßig in die Schule gehen können“, so die Begründung auf eine schriftliche Anfrage. Ebenfalls nicht erfasst werde die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die in Form von digitalem Hausunterricht beschult würden.

Für die Verwendung des Avatars als Unterrichtsmittel muss Maxis Lehrerin keine besonderen Voraussetzungen erfüllen. Das Ministerium steht der für das krebskranke Kind gefundenen Lösung schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus positiv gegenüber. Hausunterricht solle nach Möglichkeit auch durch den Einsatz elektronischer Datenkommunikation unterstützt und auch in Form des Distanzunterrichts erteilt werden. Dies diene insbesondere dazu, dass Betroffene den Kontakt zu ihrer Stammschule aufrechterhalten könnten, heißt es in der Antwort des Ministeriums weiter.

Ansteckungsgefahr
minimieren

Dass der Bub von daheim aus dem Unterricht folgt, hat vor allem auch den Zweck, die Gefahr zu minimieren, dass der Siebenjährige in der Schule eine Krankheit aufschnappt. „Das könnte in der momentanen Situation sehr gefährlich für ihn sein, weil er noch kein gut funktionierendes Immunsystem hat“, erläutert sein Vater.

„Maxi freut sich trotz aller Einschränkungen sehr auf die Schule und ist wahnsinnig wissbegierig. Er ist ganz stolz darauf, dass er schon ein bisserl rechnen und lesen kann“, weiß seine Mama Maria Schmidt (38). Sie hofft, dass der regelmäßige Unterricht auch Balsam für die Seele ihres Kindes ist. Als Abc-Schütze gelten zu dürfen, ist für den Buben ein wichtiger Schritt auf dem Weg zurück in ein halbwegs normales Leben, das ihm nicht nur seine Familie so sehr gönnt. Freilich sieht der Alltag für ihn auch in naher Zukunft nicht nur wegen des Avatars deutlich anders aus, als das bei Gleichaltrigen üblicherweise der Fall ist.

Bis etwa Ende des Jahres stehen noch drei Blöcke zu je 14 Tagen der auf die Zellübertragung folgenden lmmuntherapie an, die Maxi auf jeden Fall in der Klinik absolvieren muss. In dieser Zeit geht er dann in die sogenannte Schule für Kranke in Tübingen. Wenn er wieder zu Hause ist, unterrichtet ihn zusätzlich maximal vier Stunden pro Woche ein Privatlehrer.

„Drei verschiedene Lehrer, Lehrpläne aus zwei Bundesländern – da war einiges an Papierkrieg zu erledigen“, berichtet Florian Schmidt. Jetzt ist er froh, dass alle offenen Fragen – auch hinsichtlich anstehender Kostenübernahmen – geklärt sind und sein Sohn in einen neuen Lebensabschnitt starten kann. Ebenso wie sein jüngster Bruder Ludwig (3) dies kürzlich tat. Er besucht seit September denselben Kindergarten in Willing wie Moritz (5), der Zweitälteste der Geschwister. Auch Maxi ging für rund ein Jahr dorthin, ehe er Ende Oktober 2024 einen Rückfall erlitt und seither gegen die Folgen eines Gehirntumors ankämpft.

Dankbar sind Florian und Maria Schmidt der Renate- und-Roland-Gruber-Stiftung. Sie stellt dem Schulanfänger den benötigten Avatar unentgeltlich leihweise zur Verfügung. „Das hilft uns sehr. Ein Avatar kostet zwischen 4000 und 5000 Euro. Hinzu kommen rund 1000 Euro jährlich für Updates und die Wartung des Geräts“, so Florian Schmidt. Geld, das sich die Familie jetzt sparen kann.

Das Kultusministerium weist jedoch darauf hin, dass es durchaus verschiedene Finanzierungsoptionen gebe. Für den Einsatz sogenannter „Telepräsenzsysteme“, worunter auch ein Avatar falle, gäbe es „unterschiedliche Kostenträger“. Sie könnten beispielsweise über die Kommunen oder den Bezirk Oberbayern beschafft werden. Auch eine Finanzierung durch die Krankenkasse sei denkbar. „Prüfung und Gewährung ist Sache der zuständigen Kostenträger“, schreibt es in seiner Antwort auf die Frage, wohin sich Betroffene bezüglich einer Kostenübernahme wenden können.

Avatare sind
förderfähig

Nichtstaatliche Kostenträger könnten nach dem Kauf eines solchen Gerätes wiederum auf finanzielle Unterstützung des Staates zurückgreifen. Telepräsenzroboter, wie Maxi einen nutzt, seien im Rahmen des „Digital-Pakts Schule 2019 bis 2024“ über die Richtlinie „Digitale Bildungsinfrastruktur an bayerischen Schulen“ (dBIR) förderfähig. Auch im Digital-Pakt 2.0“ solle unter anderem die Förderfähigkeit von Avataren erhalten bleiben. Noch eine andere Möglichkeit, Kinder kostenlos zum Präsenzunterricht zuzuschalten, zeigt Bayerns oberste Schulbehörde auf. „Unabhängig von der Verfügbarkeit eines Telepräsenzroboters ist die Zuschaltung von Schülerinnen und Schülern zum Präsenzunterricht der Klasse mit dem für alle Schulen über die ‚Bayern-Cloud Schule‘ kostenlos bereitgestellten ‚Videokonferenztool Visavid‘ möglich“, heißt es in der Antwort des Ministeriums.

Artikel 1 von 11