Vogtareuth – Wer genau hinschaut, kann erkennen, dass an dem Haus am Kirchplatz zwischen der Hausnummer 2 und dem gelben Briefkasten mal ein Schild hing. Ein gelbes Schild mit der Aufschrift DHL. Egal, ob Brief, Paket oder eine Frage wegen der richtigen Frankierung – in der kleinen Filiale erledigten die Vogtareuther bislang ihre Postangelegenheiten. Doch das ist Vergangenheit. Wer jetzt etwas abschicken will, ohne alles auf dem digitalen Weg zu erledigen, muss in die nächstgelegene Filiale nach Griesstätt oder Stephanskirchen fahren.
Vor allem Senioren
betroffen
„Die Schließung kam überraschend und kurzfristig“, sagt Berta Frai, Seniorenbeauftragte der Gemeinde Vogtareuth. Mit etwa 14 Tagen Vorlauf hätten es Betreiber und Kunden erfahren. Besonders ältere Bürger, die nicht mehr so mobil sind, trifft die Schließung. Außerdem: „Senioren können das nicht mit dem Handy“, so Frai. Was sie damit meint: Die digitale Abwicklung von Postgeschäften ist zwar für einen großen Teil der Bevölkerung jüngeren und mittleren Alters Alltag geworden. Senioren falle der Umgang mit Smartphones oft schwer.
„Wir werden immer mehr abgehängt“, sagt Frai. Besonders auf dem Land. „Viele Leute nehmen solche Veränderungen einfach hin und sagen nichts.“ Die Landbevölkerung, so die Seniorenbeauftragte, sei eben so. Deswegen wurde 2019 in Vogtareuth die Bürgerhilfe gegründet. Egal, ob einkaufen, Hilfe bei der Garten- oder Hausarbeit oder Unterstützung bei Papierkram – ein Anruf bei der Bürgerhilfe bringe in aller Regel eine Lösung für das Alltagsproblem. „Das Angebot wird inzwischen gut angenommen. Immer mehr Leute trauen sich, es zu nutzen“, so Berta Frai.
Doch wenn die Infrastruktur schwächelt, wird es auch für die Helfer schwieriger, zu helfen. Wie Thomas Gögerl, Vorsitzender der Bürgerhilfe, erklärt, ist auch ein Teil der Helfer selbst schon älter. Dass es weder Apotheke noch Hausarzt und jetzt noch dazu keine Post gebe, erleichtere den Alltag auf dem Dorf nicht. „Auch das gastronomische Angebot schrumpft“, sagt Gögerl. Zwar gebe es ein Café sowie eine kleine Pizzeria im Ort. Doch die Wirtshäuser hätten alle geschlossen, sodass es keine „Stammtisch-Kultur“ gebe.
Auch der Vogtareuther Bürgermeister Rudolf Leitmannstetter bedauert die Schließung der Filiale. Zwar hätte diese nur beschränkte Öffnungszeiten gehabt und im örtlichen Supermarkt sei eine große Packstation eingerichtet worden. Trotzdem habe es einen Ansprechpartner gegeben, eine Person, die hilft. Die fehle jetzt. „Der gesamte ländliche Bereich wird durch Optimierungsprozesse großer Dienstleister wie beispielsweise der Post benachteiligt“, sagt er. Die Bürgerhilfe und ihre Fahrdienste seien daher eine große Bereicherung. Damit Senioren im Alter mobil bleiben, müsste auch der ÖPNV verbessert werden: „Die Verbindung zwischen Rosenheim und Wasserburg ist ausbaufähig, da es am Wochenende und abends nur wenige Verbindungen gibt.“ Die Querverbindung nach Bad Endorf oder Rott sei schlecht.
Doch nicht nur Vogtareuth ist von der Schließung der Post betroffen. Auch die Filiale in Halfing wird zum 1. Oktober ihren Dienst einstellen. Wie die Deutsche Post auf Nachfrage erklärt, werden die Wirtschaftlichkeit und der Bedarf regelmäßig geprüft. Die Deutsche Post möchte gleichwohl „das Servicenetz entsprechend weiter verdichten, sei es mit Verkaufsstellen oder Automaten wie Post- und Packstationen“, heißt es auf Nachfrage des OVB.
Nachfolger
für Halfing gesucht
Die Einrichtung von Postfilialen, insbesondere in ländlichen Gebieten mit wenig ausgeprägter Einzelhandels-Infrastruktur, sei herausfordernd: „Wir müssen immer wieder mit Geschäftsaufgaben von Filialpartnern rechnen“, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Dennoch habe die Zahl der Filialen zugenommen: Während es 2009 laut Angaben der Post noch 1820 Partner-Filialen gab, waren es 2024 insgesamt 2201. „Wir ziehen uns nicht zurück und werden auch weiterhin mit Hochdruck und im engen Dialog mit den Bürgermeistern in den betreffenden Kommunen daran arbeiten, an allen sogenannten ‚Pflichtstandorten‘ präsent zu sein, um eine verlässliche Versorgung mit Paket- und Briefdienstleistungen zu bieten.“ Dazu gehört auch der weitere Aufbau von Poststationen und deren Zulassung als Ersatz für eine Universaldienstfiliale gemäß Postgesetz.
Die Filiale am Vogtareuther Kirchplatz sei laut Post-Sprecherin „nur wenig genutzt worden“. Im Gegensatz zur Poststation beim Nettomarkt. Diese sei von der Bundesnetzagentur als vollwertige Filiale genehmigt worden und zudem an allen Tagen der Woche rund um die Uhr zugänglich.
„In Halfing schließt die Filiale bis Ende September 2025 infolge der Geschäftsaufgabe unseres Filialpartners“, heißt es auf Nachfrage. Die Deutsche Post möchte laut eigenen Angaben auch in Zukunft mit einem Service-Standort in Halfing vertreten sein und suche einen Nachfolger.