Rohrdorf/Rosenheim – Weniger Vorschriften, mehr Unterstützung. Und mehr Dynamik: Im Wirtschaftswachstum sieht Kanzleramts-Chef Thorsten Frei die Antwort auf Deutschlands zahlreiche Herausforderungen. Die Rosenheimer CSU-Abgeordnete Daniela Ludwig, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, hatte Frei in die Region eingeladen. Bei seinem Auftritt im Zementwerk Rohrdorf zog der CDU-Politiker eine Bilanz der wirtschaftlichen und politischen Lage in Deutschland. Und mit dem OVB sprach er über Rezepte gegen Populismus und für die Wirtschaft, über Großprojekte und über die Unterstützung für Kommunen.
Es gab selten eine Bundesregierung, die von Anfang an so unter Druck stand wie die aktuelle Mannschaft. Das zeigt auch der Erfolg der AfD in NRW. Wie wollen Sie diesem Trend entgegentreten?
Wir sind an der Regierung, wir haben die Dinge in der Hand. Wir haben die große Chance, nicht nur zu reden, sondern zu handeln. Und wir werden natürlich am Ende an unserem Handeln gemessen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Populisten und Extremisten zu einer solchen Stärke nur gelangen, wenn Unzufriedenheit mit den politischen Akteuren in der Mitte des politischen Spektrums herrscht. Wir müssen besser werden, um Radikale und Populisten wieder schwächer zu machen. Die Herausforderung ist riesig. Die kann uns aber auch niemand abnehmen. Wir werden das schaffen müssen. Und wenn wir das hinkriegen, dann werden wir auch die politischen Ex-treme wieder reduzieren.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Am Ende des Tages geht’s immer auch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das hat auch etwas mit Ex-tremisten im politischen Betrieb zu tun. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass die größte Herausforderung darin liegt, Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen und Wirtschaftswachstum zu erreichen, um die Herausforderungen, die wir haben, auch finanzieren zu können. Das ist, glaube ich, etwas, was die Menschen dann ganz unmittelbar in ihrem Lebensumfeld sehen. Das ist es, was wir brauchen, um wieder Zuversicht zu stiften. Und wer Zuversicht hat, der wählt keine Populisten mit vermeintlich einfachen Lösungen, der wählt nicht Extremisten, die die Gesellschaft spalten, sondern der wählt konstruktive Fortschritte.
Ein Thema, das im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielte, ist die Einwanderungspolitik. Wie beurteilen Sie die Leistung des Innenministeriums?
Das Innenministerium ist, wenn man es am Output an Gesetzen und auch an der Wirkung der Gesetze misst, ohne Zweifel eines der absolut erfolgreichsten Ministerien. Das Innenministerium hat viele Gesetze schon jetzt im Sommer durchs Parlament gebracht. Da geht‘s beispielsweise um die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Da geht‘s um das Staatsangehörigkeitsrecht. Da geht es um die Frage der Verbesserung von Rückführungen und vielem anderen mehr. Die Erfolge kann man tatsächlich auch an den Zahlen ablesen.
Können Sie uns da ein paar Zahlen nennen?
Gerne. Wir haben im August 2025 etwa 65 Prozent Asylanträge weniger als im August des Vorjahres. Wir haben im gesamten ersten Halbjahr 2025 bereits 45 Prozent Asylanträge weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Rückführungen haben wir um 20 Prozent erhöhen können. Daran wird deutlich, dass Hausaufgaben gemacht worden sind. Das hat bereits politische Wirkung entfaltet. Und das wiederum sorgt vor allen Dingen für die Entlastung der Kommunen, die sich dann stärker auf die Integration derer konzentrieren können, die schon hier sind.
Für die Kommunen haben Sie als ehemaliger Oberbürgermeister sicherlich ein Herz. Viele Kommunen, auch hier im scheinbar reichen Oberbayern, klagen über zu hohe Belastungen. Wie kann man den Kommunen schnell helfen?
Für die Kommunen haben wir schon viel gemacht. Von den 500 Milliarden Euro Sondervermögen haben wir 100 Milliarden abgeknapst. Die werden wir den Ländern und Kommunen zur Verfügung stellen, zur eigenen Verwendung und Nutzung. Unser Investitions-Booster sorgt in den nächsten vier Jahren für eine Entlastung der Wirtschaft in der Größenordnung von 48 Milliarden Euro. Den Anteil der Kommunen in der Größenordnung von 13,5 Milliarden übernimmt der Bund vollständig. Wir haben gerade in diesem Jahr deutliche Entlastungen geschaffen. Wir werden weitere Entlastungen bringen, wenn es um überschuldete Kommunen oder auch die Zahlerländer im Länderfinanzausgleich geht. Davon wird Bayern als größter Zahler am stärksten profitieren.
Brenner-Nordzulauf und Ausbau der A8 sind zwei Großprojekte, die in der Region Rosenheim die Infrastruktur stärken sollen. Doch ist zu hören, dass solche Projekte eventuell gefährdet sind. Kann sich Deutschland solche Zukunftsausgaben leisten?
Deutschland muss sich diese Zukunftsausgaben leisten. Eine intakte Infrastruktur ist letztlich eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir auch wirtschaftlich erfolgreich sind. Und wir haben für die nächsten vier Jahre insgesamt 166 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen vorgesehen. Das ist eine Steigerung von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und trotzdem sind Daniela Ludwig und ich und auch die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Auffassung, dass wir da einen noch stärkeren Akzent setzen müssen. Daran arbeiten wir jetzt in diesen Tagen.
Nach etwas mehr als 100 Tagen im Amt: Wie beurteilen Sie den Start der Koalition?
Der Start der Koalition war viel besser als der öffentliche Eindruck davon. Wir haben innerhalb sehr kurzer Zeit sehr viele Gesetze verabschiedet. Ich weiß, dass Quantität nicht gleich Qualität ist, aber es waren wichtige Dinge dabei.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel besagter Investitions-Booster. Wir haben die Forschungsförderung verbessert, wir haben die E-Mobilität verbessert, wir haben die Abschreibungen für Unternehmen verbessert, die Unternehmenssteuern werden gesenkt. Wir haben insgesamt die Rahmenbedingungen verbessert. Durch Reduzierung der Netzentgelte, durch Abschaffung der Gasspeicherumlage und vieles andere mehr haben wir auch für private Haushalte die Strom- und Energiepreise reduziert. Wir haben bereits wichtige Entscheidungen treffen können. Aber ich mache mir keine Illusionen: Was wir vor der Brust haben, ist enorm.
Interview: Michael Weiser