Offizieller Plan und geheime Alternative

von Redaktion

Halfing will seine Hausärzte unbedingt im Ort halten. Doch schon in neun Monaten läuft der Mietvertrag für ihre Praxis am Finkenweg aus. Eine Verlängerung ist nicht möglich. Die Zeit drängt.

Halfing – Die Gespräche laufen schon lange, doch nun wird es langsam eng. Die Hausärztliche Gemeinschaftspraxis Bad Endorf GbR sucht für ihren Praxisstandort in Halfing eine Alternative. Im Juni 2026 läuft der Mietvertrag am Finkenweg aus. Eine Verlängerung ist nicht möglich, da das Haus verkauft werden soll.

Platz für einen vierten
Arzt wird gebraucht

„Wir haben eine funktionierende Praxis mit Ärzten, die das Hausarztmodell leben“, würdigte Bürgermeisterin Regina Braun (CSU) das Engagement der Medizinerinnen. In der allgemeinmedizinischen Praxis sind Dr. Regina Baumgärtner-Voderholzer, Dr. Yan Yuh Hopfner und Dr. Angelika Biller tätig. Die Nachfrage ist so groß, dass ein vierter Arzt eingestellt werden könnte, um die Patienten zeitnah und ohne Urlaubsunterbrechung zu versorgen. Dafür fehlte in der Praxis am Finkenweg aber bisher der Platz.

Nun hat sich die Situation mit dem geplanten Verkauf des Hauses sogar noch zugespitzt. Finden sich in Halfing keine Räume, müssten die Ärzte in der Umgebung eine neue Praxis suchen oder vorübergehend in den zur GbR gehörenden hausärztlichen Praxen in Bad Endorf, Eiselfing oder Prien praktizieren. „Finden wir keine Lösung, ist Schicht im Schacht. Dann ist die hausärztliche Versorgung in Halfing nicht mehr gesichert“, stellte die Bürgermeisterin klar und erinnerte an die Verantwortung der Gemeinde für die Daseinsfürsorge ihrer Bürger.

Schon im Mai hatte sich der Gemeinderat in einer Sondersitzung mit einer Lösung beschäftigt. Inzwischen ist die Idee, den Dachboden des Rathauses zu einer großen hausärztlichen Gemeinschaftspraxis auszubauen, zu konkreten Plänen gereift. Wie der Innenausbau erfolgen könnte, stellte Sepp Fink, Altbürgermeister von Schonstett und Inhaber eines Planungsbüros, während der jüngsten Gemeinderatssitzung vor.

Der Speicher des Rathauses müsste teilweise freigeräumt werden. Hier befinden sich im Moment die Registratur der Gemeindeverwaltung sowie Lagerflächen für Feuerwehr, Trachten-, Dorf- und Theaterverein. Damit wären etwa 300 Quadratmeter für eine große Gemeinschaftspraxis frei und ausreichend Platz für vier Behandlungs- sowie weitere Funktions- und Schulungsräume, Rezeption und Wartebereich.

Mit dem Aufzug kommt man schon jetzt vom Erdgeschoss bis ins Dachgeschoss. Ein weiterer kleiner Aufzug soll auf dem Dachboden Barrierefreiheit schaffen. Veränderungen an Dach, Fassade oder Fenstern seien nach Aussage des Planers nicht erforderlich.

„Die Kosten sind überschaubar“, betonte Regina Braun. Der Innenausbau würde nach ersten Schätzungen etwa 700000 Euro kosten. Zudem fördert das bayerische Gesundheitsministerium kommunales Engagement für die Verbesserung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum mit einem Zuschuss von bis zu 150000 Euro. Die Gemeinde müsste also nur etwa 550000 Euro investieren, rechnete Braun den Gemeinderäten vor.

Nicht alle Räte folgten dieser Einschätzung. Zwar distanzierte sich die Bürgermeisterin vorab von Falschmeldungen über eine Investition von zwei bis drei Millionen Euro, die offenbar in der Gemeinde kursieren. Ganz konnte sie die Bedenken aber nicht ausräumen. „Wir kommen locker auf eine siebenstellige Summe“, kritisierte Sepp Hofer (Freie Wähler Halfing) die Berechnung. „Wer etwas vom Bau versteht, schätzt, dass der Ausbau des Dachbodens mindestens zwei Millionen Euro kosten wird.“

In den Planungen sei bislang nur der Trockenbau berechnet. Kosten für die erforderliche Erneuerung der Elektrik, für Heizung, Dämmung, Statik oder für den Brandschutz seien nicht enthalten. Hinzu kommt, dass der zweite Rettungsweg von der Kreisbrandinspektion als „höchst mangelhaft“ eingeschätzt wird. Arztpraxen gehören zu Bereichen mit erhöhter Brandgefährdung. „Bei einer Nutzungsänderung des Dachbodens als Arztpraxis ist ein Brandschutzkonzept Bestandteil der Entwurfs- oder Genehmigungsplanung“, erläutert Kreisbrandrat Richard Schrank auf OVB-Anfrage.

Wie hoch die Kosten für die Umnutzung und den Ausbau des Dachbodens tatsächlich sein werden, ist erst nach den Gutachten der Fachplaner absehbar. Fakt ist: Die Gemeinde Halfing will investieren und die Räume dann an die Hausärztliche Gemeinschaftspraxis Bad Endorf GbR vermieten. „Ich glaube, dass wir uns das leisten können“, betonte Regina Braun. „In 20 Jahren ist die Investition über den Mietzins abgegolten. Halfing zahlt nicht drauf.“

Im Gegenteil: Die Gemeinde würde sich damit dauerhafte Mieteinnahmen sichern. Grundsätzlich gehe es in der Ratssitzung um einen Grundsatzbeschluss, lenkte die Bürgermeisterin die Diskussion aufs Wesentliche: „Sind wir als Gemeinde bereit, das für die Daseinsfürsorge unserer Bürger in die Hand zu nehmen?“ Die Ärzte bräuchten Sicherheit: „Sonst sind sie weg.“

„Wir müssen etwas unternehmen, können nicht zulassen, dass die Ärzte weggehen“, betonte Zweiter Bürgermeister Konrad Aicher (Halfinger Wählervereinigung). Der Ausbau des Dachbodens sei die erste Option, eine zweite Option sei noch nicht ausgegoren. Da die Zeit drängt, müsse man nun schnellstens in Gang kommen, denn: „Ich möchte nicht daran schuld sein, wenn es heißt: In Halfing gibt‘s keinen Doktor mehr.“

Sepp Stettner (Freie Wähler Halfing) fragte nach, ob der Vertragsarztsitz die Hausärzte nicht verpflichte, in Halfing zu bleiben, und welche Sicherheiten sie der Gemeinde angesichts der hohen Investition geben. Dr. Regina Baumgärtner-Voderholzer, die Leiterin des Praxis-Standortes in Halfing, klärte auf: „Der Praxis-Standort kann im selben Planungsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung in einem größeren Umkreis verschoben werden.“ Zudem seien lange Laufzeiten eines Mietvertrages in beiderseitigem Interesse – für die Versorgung der Patienten in der Region, für eine langfristige Arzt-Patienten-Bindung und für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Gemeinschaftspraxis.

Peter Aicher (Halfinger Wählervereinigung) empfahl seinen Ratskollegen, den Beschluss zu fassen, den Dachboden auszubauen und parallel dazu eine alternative Option zu prüfen. Diese, so deutete er an, verspreche eine Win-win-Situation, mit der die Vereine den Dachboden wie bisher nutzen könnten. Bürgermeisterin Regina Braun erläuterte, dass sich eine mögliche Alternative erst kurz vor der Gemeinderatssitzung aufgetan habe und noch nicht spruchreif sei. Deshalb wurde diese erst in der anschließenden nichtöffentlichen Sitzung diskutiert.

Der Gemeinderat stimmte mit 12:2 Stimmen für den „Einbau einer Arztpraxis im Speicher des Gemeindehauses zur Sicherung der ärztlichen Versorgung“ und für die gleichzeitige Prüfung eines alternativen Standortes. Sepp Hofer und Sepp Stettner (beide Freie Wähler) stimmten dagegen. „Das wird da oben nichts und nimmt den Vereinen die Räume“, kritisierte Hofer. „Ich sehe keine Logik darin, diesem Beschluss zuzustimmen“, betonte Stettner. Er sehe in einem Ärztehaus im Gewerbegebiet die bessere Lösung. Auch das könnte seiner Meinung nach bis Ende 2026 fertig sein. Allerdings wäre dieses Projekt weitaus teurer.

Zwei Freie Wähler
stimmen dagegen

Wie es nun weitergeht, bleibt offen: Gehen die Planungen für den Ausbau des Dachgeschosses jetzt mit Hochdruck weiter? Oder wird doch erst einmal aktiv die bislang geheime Option verfolgt? Peter Aicher „glaubt sicher, dass wir gute Chancen haben, eine Alternative zu finden“. Wie diese aussehen könnte, drang bislang aus der nicht öffentlichen Beratung nicht nach außen.

Welchen Weg die Halfinger auch beschreiten werden: Mit dem Beschluss haben sie sich dazu verpflichtet, der Hausärztlichen Gemeinschaftspraxis ab Juli 2026 neue Praxisräume anzubieten. Im Namen des Praxisteams dankte Dr. Stephanie Bolland dem Gemeinderat für „dieses deutliche Signal, das wichtig für unsere Planungssicherheit“ ist.

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