Zwischen Mist und Modemarke

von Redaktion

Mutter Birgit begann ihre Tochter Lea Jell beim Reiten auf ihrem Pferd zu filmen. Die Videos lud sie auf Facebook hoch. Mittlerweile sind die beiden hauptberuflich Influencer und unterhalten Millionen auf Instagram und TikTok. Wie viel Arbeit dahinter steckt und welche Rolle Zirkustricks spielen.

Riedering – Ein Stall mitten im Grünen: Die Vögel zwitschern und die Pferde schnauben. Hier fühlt sich Lea Jell wohl und kann abschalten. Gleichzeitig ist es aber auch ihr Arbeitsplatz, denn hier entstehen viele ihrer Videos. Diese postet sie anschließend auf Instagram und Tiktok. So erreicht sie über eine Million Abonnenten.

„Ich wollte eigentlich immer Hebamme werden“, sagt Lea. Sie habe es schon früh fasziniert, wenn Leben entstehe. „Sie war schon früh auf Babys fixiert und begeistert von ihnen“, erzählt Mutter Birgit. Das sei auch ein Grund gewesen für ihren damaligen Wunsch: Sie wollte fünf Kinder bekommen. Die hat sie mittlerweile indirekt erreicht, denn sie ist mit gerade einmal 22 Jahren fünffache Pferde-Mama.

Es gibt keinen
freien Tag

Zu ihren Pferden Imperioso, Silencioso, Quibero (kurz Q), Marrakesch und Jaguar fährt Lea eigentlich täglich. Immer mit dabei ist Mutter Birgit. „Am Nachmittag fahren wir an den Stall, drehen dort alles und haben manchmal Fotoshootings“, erklärt Lea. In der Früh und am Abend wird dann das Bildmaterial geschnitten, damit die Videos gepostet werden können. „Teilweise geht das bis 22 oder 23 Uhr“, sagt Birgit – und das sieben Tage die Woche.

Dabei bestehen die Beiträge aus vielen unterhaltsamen Szenen: „Meistens sind die Videos irgendetwas aus dem Alltag. Einfach das Handy hingestellt und dann passiert schon was Lustiges“, sagt Lea. Eine große Rolle spielen dabei auch ihre Pferde, zumindest auf dem Instagram- und Tiktok-
Account „lea_jell_working_ equitation“. Sie hat auch noch einen zweiten, auf dem sie mehr aus ihrem Leben außerhalb des Stalls teilt. „Dort kann ich auch aus dem Urlaub posten. Aber meine Pferde-Community will Pferde sehen“, sagt Lea zur Trennung der unterschiedlichen Accounts.

Ihr Konzept bringt Erfolg, schließlich kann sie auf Instagram und Tiktok zusammen über eine Million Abonnenten vorweisen und das mit erst 22 Jahren. Doch Lea und ihre Mutter haben schon früh angefangen, Bilder und Videos in die sozialen Medien hochzuladen. Anfangs noch auf Facebook. „Ich habe das erst als Gaudi gemacht“, sagt Birgit. Damals war Lea erst um die 14 Jahre alt und saß als kleines Kind auf dem großen Pferd ihrer Mutter. Genau das hat den Leuten gefallen. Dann kam Instagram hinzu und immer mehr Videos seien viral gegangen. „Dann haben Firmen angefragt, ob wir miteinander arbeiten wollen. Es ist einfach von selber gelaufen“, sagt Birgit.

Damals war Birgit Jell noch Angestellte in einem Büro. Mittlerweile arbeitet sie nur noch für ihre Tochter: als Kamerafrau und Managerin. Sie kümmert sich aber auch um das Büro und ist oft in den Videos.

So ein Familienunternehmen könnte manchmal zu Streitereien führen, doch bei den Jells wirkt es harmonisch: „Ich kann meiner Mama ganz anders vertrauen, zum Beispiel bei den Kooperationspartnern. Da weiß ich, die würde mir nie etwas Schlechtes wollen“, sagt Lea. Dabei beschreibt sich das Mutter-Tochter-Gespann als schwungvoll und dynamisch. „Die Mama ist eine Art Dauersprudler: Die kann immer reden und lachen. Sie ist immer auf 110 Prozent Energie. Ich kann das nicht immer so lang, da gleichen wir uns ganz gut aus“, sagt die 22-Jährige.

Genau diese Dynamik kann man in den Videos sehen. Dafür braucht Lea aber auch ständig neue Ideen, wodurch sie ihren Kopf nie richtig abschalten könne. „Bei einem normalen Beruf geht man gegen fünf heim und dann hat man frei“, sagt Birgit. Das ist als Influencer nicht so. Lea ist selbstständig, wodurch sie auch keinen bezahlten Urlaub oder Krankheitstage hat. Doch der Job bringt ihr auch viele Vorteile: „Ich kann mir alles selbst einteilen, kreativ sein und eigene Ideen entwickeln. Ich kann das alles individueller für mich gestalten“, sagt sie.

Dinge individuell für sich zu gestalten, hat Lea schon früh gemacht, unter anderem bei einem Pferdekurs. Damals habe Lea mit neun Jahren an einem Zirkuslektionen-Kurs für Erwachsene teilgenommen. Der Trainer wollte den Teilnehmern und ihren Pferden innerhalb von ein paar Tagen den Trick Kompliment beibringen. Ein Kunststück, bei dem sich das Tier verbeugt. „In dem Kurs sollte das Pferd einfach runtergedrückt werden. Das hatte nichts mit Arbeiten oder Erlernen zu tun, das war Zwang“, sagt Birgit. Als er Lea mit ihrem Pferd gesehen habe, hätte er gleich gesagt: „Das wird nichts“.

Dass Pferdesport nicht auf Zwang basiert, betont auch Sabine Gregg. Sie ist bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zuständig für die Kommunikation. „Tierwohl ist die Grundlage unseres Sports. Das bedeutet, Pferde werden sorgfältig über viele Jahre Schritt für Schritt ausgebildet“, sagt Gregg auf OVB-Anfrage. 

Dabei setze die Vereinigung auch auf ethische Grundsätze, die deutlich machen, wie sie sich eine Zusammenarbeit mit dem Pferd vorstellen. „Dabei gilt es, stets die Natur des Pferdes zu achten“, sagt Gregg.

In dem Zirkuslektionen-Kurs wurde es nichts mit dem Trick, doch zwei Wochen später konnte es Leas damaliges Pferd. „Sie hat immer wieder heimlich geübt. Dann stand sie als Zwerg neben unserem Pferd, das voll im Kompliment war“, erzählt Birgit. Von da an ging es für die noch kleine Lea weiter und sie brachte ihrem Pferd immer mehr Tricks bei, wie hinknien oder hinlegen. Im Alter von 13 Jahren wollte sie dann Lehrvideos aufnehmen, um anderen Leuten zu zeigen, wie das Ganze funktioniert.

Auch heute trainiert sie mit ihren Pferden noch gerne diese Tricks, denn diese Bodenarbeit macht ihr gerade sehr viel Spaß. „Einfach der Umgang – wenn man mit den Tieren arbeitet, dann ist man so komplett und es fühlt sich einfach gut an“, sagt Lea. Die Arbeit mit den Pferden konnte sie mittlerweile auch durch einige Kurse an der spanischen Hofreitschule in Wien verfeinern. Doch auf Wettkämpfe geht sie vorerst nicht. „Ich hatte eine Phase, da bin ich viel auf Turniere gegangen und war ehrgeizig. Mittlerweile nicht mehr“, sagt sie. Aktuell würde sie sich vor allem auf das Training mit ihren beiden Jungen konzentrieren: Q und Jaguar. Vielleicht stehe mit Q irgendwann mal ein Turnier an, aber das habe laut Lea noch Zeit.

Vorerst konzentriert sie sich weiterhin auf ihre Arbeit als Influencerin, welche sie jetzt seit drei Jahren Vollzeit ausübt. Davor ging sie noch zur Schule und musste sich auch auf ihr Abitur vorbereiten. Aber neben den Videos in den sozialen Medien sind Lea und ihre Mutter auch mit ihrer Marke Malea.Le beschäftigt. Ihre Firma für Reitbekleidung, bei der sie erst vor Kurzem neue Reithosen und Oberteile rausgebracht haben.

Auch die Mode ist ein bisschen auf ihrem Pferde-Kanal zu sehen, doch der Fokus liegt vor allem auf der Arbeit mit den Tieren. Mit ihren Inhalten will sie die faire Pferdearbeit verbreiten. „Man muss weg von dem Denken, es gibt nur den einen Weg. Jeder kann es machen, wie er will. Solange es dem Tier nicht schadet“, betont sie.

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