Ein erster kleiner Schritt

von Redaktion

Prutting und Vogtareuth diskutieren über Umgehung

Vogtareuth/Prutting – In Prutting fand jüngst ein Ereignis statt, das im Landkreis bislang einzigartig war und dies wohl auf längere Zeit bleiben wird: Eine gemeinsame Gemeinderatssitzung zweier Kommunen – nämlich von Prutting und Vogtareuth.

Es ging dabei aber auch um ein Großprojekt, nämlich um die Frage, ob um die Dörfer Niedernburg (Prutting) und Aign, Lochen sowie Ziellechen (Vogtareuth) eine Umgehungsstraße gebaut werden soll. Den beiden Bürgermeistern – Johannes Thusbaß und Rudolf Leitmannstetter – war eines dabei wichtig: Bevor die endgültige Entscheidung in den jeweiligen Gemeinderäten getroffen werden würde, sollten beide Gremien zum genau gleichen Zeitpunkt die exakt selben Informationen haben.

Identischer Kenntnisstand

Denn beiden Bürgermeistern war klar: Die Gemeinderäte würden sich jetzt, da ihnen das Staatliche Bauamt Rosenheim den weiteren Zeit- und Prozessablauf bis zu einer möglichen Verwirklichung dargestellt hatte, vielen Bürgerfragen gegenübersehen. Dafür sei, so die Überzeugung der Bürgermeister, ein identischer Kenntnisstand von entscheidender Bedeutung.

Denn es gibt da ein Problem, das ganz am Anfang dieses Vorhabens steht, noch lange bevor die eigentliche Planung losgeht. Ein Problem, das bei nicht- oder nur halb informierten Betrachtern zu Irritationen führen könnte. Denn bevor man überhaupt an irgendeine konkrete Planung denken kann, muss das Projekt Aufnahme im sogenannten Ausbauplan des Freistaates finden – sprich die Bayerische Regierung muss davon überzeugt werden, dass Prutting und Vogtareuth tatsächlich eine Umgehung benötigen.

Denn in diesem Fall würde der Freistaat das Planungsverfahren und die damit verbundenen Kosten übernehmen. Das setzt aufwendige Berechnungen und Bewertungen voraus, die an einer Linie entlang verlaufen, die ungefähr im Bereich einer möglichen zukünftigen Umgehungsstraße liegt. Diese Linie ist natürlich in Karten eingezeichnet und etwas, das so handfest dargestellt ist, wirkt verständlicherweise so, als ob damit schon eine tatsächliche Straßenführung vorgegeben oder zumindest angedacht wäre.

Für Veronika Nies vom Staatlichen Bauamt Rosenheim wäre das jedoch ein fataler Irrtum. Denn die Linie, die im vorbereitenden Kartenwerk zu sehen ist, hat mit einer späteren Streckenführung so gut wie nichts zu tun, sie ist definitiv alles andere als ein Vorgriff auf eine kommende Streckenplanung. Man könnte diese Linie eher als ein „ideelles Konstrukt“ ansehen, an dessen Verlauf entlang die Untersuchungen durchgeführt werden, die dann möglicherweise zu einer Aufnahme in den Ausbauplan führen können.

Es geht dabei zunächst vor allem um die Überprüfung, ob bei einem Ausbau der entstehende Nutzen die aufzuwendenden Kosten überwiegt. In diese Überprüfung fließt zum Beispiel eine Hochrechnung der kommenden Unterhaltskosten ein: Wie steht eine Umgehung im Vergleich zur bestehenden Straßenverbindung da? Natürlich geht es aber auch um die Erleichterungen, die eine Umgehung mit sich bringen könnte, etwa über „Reisezeit“-Verkürzungen im Personen- aber auch im Güterverkehr.

Verhältnis von
Kosten zu Nutzen

Wenn diese Untersuchung grundsätzlich zum Ergebnis führt, dass der Nutzen die Kosten überwiegt, ist das Verfahren, das zur Aufnahme in den Ausbauplan führen soll, aber noch längst nicht abgeschlossen. Denn erst wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis positiv ist, wird das Straßenprojekt genauer untersucht: Hier geht es zum Beispiel darum, wie verträglich es mit dem innerörtlichen Verkehr in den betroffenen Orten ist, vor allem auch darum, wie groß die Akzeptanz in den betroffenen Gemeinden gegenüber diesem Vorhaben eigentlich ist.

Jeder der Untersuchungsbereiche wird nach einem vorgegebenen Schema mit Punkten bewertet. Die Höhe der Punktzahl ergibt, ob das Vorhaben im Ausbauplan – wenn es denn dort aufgenommen wird – in seiner Dringlichkeit weiter oben oder weiter unten angesiedelt wird. Und davon hängt ab, wann mit den nächsten Schritten, also einer eigentlichen Planungsaufnahme, überhaupt zu rechnen ist.

Klar ist, dass all diese Berechnungen und Vorüberlegungen nicht im luftleeren Raum durchgeführt werden können. Man braucht dafür eben eine Linie, die in dem Umfeld liegt, in dem spätere konkretere Planungen durchgeführt werden. Sinn macht es natürlich, diese Linie nicht völlig willkürlich in den Raum zu legen, sie soll sich zumindest im Groben an den Gegebenheiten orientieren.

Studie zur Machbarkeit

Diese Gegebenheiten herauszufinden – etwa Landschafts- oder Wasserschutzgebiete, Wohnbebauung, die vor Lärm geschützt werden muss – war Inhalt der Machbarkeitsstudie, die die Gemeinden als notwendigen allerersten Schritt haben durchführen lassen. Wichtig jedoch, so Veronika Nies: Diese Machbarkeitsstudie und die darauf basierenden Vorabuntersuchungen sind nicht zu verwechseln mit den tiefgreifenden Detailbetrachtungen und -abwägungen, die später dann notwendiger Teil einer Variantenplanung sind.

Die erfolgt in zwei Stufen: In einer Voruntersuchung, in der man sich prinzipiell überlegt, wie man es machen könnte und verschiedene Alternativen betrachtet und dann erst in einem Vorentwurf, bei dem es um die Ausarbeitung der Vorzugsvariante geht. Der Zeithorizont für diese beiden Etappen: Mindestens vier, eher sieben Jahre.

Auch für die Gemeinderäte beider Kommunen war der gedankliche Spagat „Hier ist eine Linie eingezeichnet, die jedoch noch kein Vorgriff auf irgendeine Planung ist“, nicht immer leicht durchzuhalten. Wie schon gesagt: Es ist einfach zu verführerisch, etwas, das man in einer Karte sozusagen greifbar vor sich sieht, schon für eine Vorabfestlegung, wenn nicht gar gleich für das Ergebnis des Prozesses zu halten.

Theoretisches Konstrukt

Veronika Nies vom Staatlichen Bauamt Rosenheim versuchte deshalb während der Sitzung immer wieder, den Unterschied zwischen einem theoretischen Konstrukt und einer tatsächlichen Planung herauszuarbeiten. Sie betonte, dass es völlig unsinnig wäre, bereits eine konkrete Streckenführungsvariante zu entwerfen, um an ihr dann Vorabuntersuchungen durchführen zu können, die am Ende nur möglicherweise in einer Aufnahme in den Maßnahmenkatalog münden. Salopp formuliert wäre das ungefähr so, als würde sich ein Ehepaar bereits um die Frage des Strampelanzugs streiten, wenn noch gar nicht klar ist, ob sie denn überhaupt Kinder bekommen können.

Der endgültige Beschluss, ob man das Bemühen, erstmal in den Maßnahmenplan zu kommen, in Angriff nehmen soll, wird auf zwei weiteren öffentlichen, dann aber wieder getrennten Gemeinderatssitzungen gefasst werden: Am 14. Oktober in Prutting und am 21. Oktober in Vogtareuth.

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