Brannenburg/Inntal – Ein Mann liegt am Boden, ausgeraubt, verletzt. Zwei, die das sind, was man Großbürger nennen könnte, sehen ihn, gehen aber vorbei. Erst ein einfacher Mann aus dem Volk nimmt sich seiner an. So erzählt es das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Und es steht auch für das ganze Wirken des Pfarrerehepaars Löffler, Thomas Löffler und Renate Hübner-Löffler, die jetzt von ihrem Dienst entpflichtet und damit in den Ruhestand entlassen wurden.
Nächstenliebemuskel gut trainiert
Denn die Löfflers gehörten und gehören nicht zu jenem Typ Mensch, der es schaffen würde, an irgendjemanden, der in irgendeiner Form Hilfe oder Unterstützung braucht, vorüberzugehen. Dabei hat Pfarrer Löffler in seiner Abschiedspredigt sogar versucht, Verständnis für solche Gleichgültigkeit aufzubringen: Man habe, so sagte er, manchmal eben den Kopf so voll von anderen Dingen, dass man seine Umgebung und die Menschen darin gar nicht mehr wirklich wahrnehme. Der Samariter aber tut es. Der offene Blick für den Anderen ist ebenso sehr ein Geschenk Gottes wie, so formulierte es Pfarrer Löffler, ein Tun aus eigener Kraft – das bewusste Training des eigenen „Nächstenliebemuskels“ nämlich.
Und wohl gemerkt: Nächstenliebe geht über Mitleid haben deutlich hinaus. Sie ist tätig. Auch durch alle Reden, die an diesem Festtag gehalten wurden, zog es sich wie ein roter Faden: Dass es dem Pfarrerehepaar Löffler immer um mehr gegangen sei als um das bloße Mitfühlen mit jemandem, der sichtbar in Nöten ist, sei es körperlich oder seelisch. Und dabei hatten sie immer alle Altersgruppen im Blick. Nicht umsonst war die feierliche Entpflichtung auch eingebettet in einen Familiengottesdienst, bei dem die Kinder alles andere als bloße Begleitung der Erwachsenen waren: Sie waren aktiv dabei, stellten das Gleichnis vom barmherzigen Samariter in einem kleinen Schauspiel nach.
Auch damit wird klar, was man unter tätiger Nächstenliebe verstehen kann: Nicht nur einen abstrakten Wert für gutzuheißen, gewissermaßen auf ein Ehrenpodest zu stellen und dann ab und zu abzustauben. Sondern diesen Wert als Maxime für das eigene Tun zu sehen, so sehr, dass er auch in den kleinen und scheinbar nebensächlichen Dingen des Alltags zu spüren ist.
Etwa auch im Kontakt mit der katholischen Kirche. Hier, so sagte Pfarrer Helmut Kraus, der den katholischen Pfarrverband Brannenburg-Flintsbach leitet, sei Ökumene in aller Selbstverständlichkeit gelebt worden. Und die drei evangelischen Raublinger Kindergärten, denen Pfarrer Löffler als Dienstherr „vorstand“, würdigten ihn als einen, der viel mehr echter Partner als Vorgesetzter gewesen sei und darüber hinaus oft auch ein Fels in der Brandung. Dass der gesamte Kirchenvorstand das ganz genau so sieht, machte er in einem Lied deutlich, selbst getextet auf eine Melodie von Reinhard Mey, das das Wirken von Thomas Löffler Revue passieren ließ.
Besonders auf den Punkt brachte das Wesen von Thomas und Renate Löffler die Schilderung von Menschen, denen Renate Hübner-Löffler in ihrer Tätigkeit als Seelsorgerin in verschiedenen Kliniken in der Region begegnet war. Eine Kollegin aus der Schön-Klinik in Bad Aibling beschrieb Renate Hübner-Löffler so: „Sie war immer mit ganzem Herzen dabei, auch bei jenen, von denen keine wahrnehmbare Reaktion mehr kommen konnte.“ Und fügte hinzu: „Du, Renate, hast die Menschen berührt mit deinen Händen und mit deiner Seele.“
Optimistisch
für die Zukunft
Es wurde an dem Festsonntag immer wieder deutlich: In Brannenburg, Flintsbach, Nußdorf, Neubeuern und Raubling und auch in den Krankenhäusern der Region wird man die beiden nach den 14 Jahren, die sie hier tätig waren, wirklich vermissen.
Die Löfflers selbst aber stehen ihrem neuen Lebensabschnitt ebenso wie der Zukunft ihrer Kirchengemeinde in fröhlicher Zuversicht gegenüber. Es ist bezeichnend für sie, dass sie diesen Optimismus auch weitergeben wollen. So sprach den beiden Betina Heckner, Rosenheims stellvertretende Dekanin, wohl aus dem Herzen, als sie sagte: „Wir, die wir uns nicht mit Gleichgültigkeit gegenüber Mensch und Umwelt abfinden wollen, schon gar nicht mit Hass, wir können die Welt besser machen. Also los, lasst uns anfangen.“