Bad Feilnbach – Umrahmt von Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, der Volksrepublik China und Pakistan liegt Afghanistan. Krieg und Bürgerkrieg, Armut, Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung, Folter und extralegale Tötungen sowie praktisch nicht vorhandene Meinungsfreiheit sorgen aus diesem Land immer wieder für Schlagzeilen. Regiert wird das mittelasiatische Emirat autoritär von den Taliban.
Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb: Das Land fasziniert Michael C. Müller und inspirierte ihn zu einer besonderen Tour, die er „Jenseits der Schlagzeilen“ nannte. Von seinen Erlebnissen berichtete der Thüringer aus dem Schnepfenthal und inzwischen Neubürger in Bad Feilnbach kürzlich auf Einladung des SPD-Ortsvereins Au-Bad Feilnbach.
Zahlreiche Besucher im vollbesetzten Saal vom Gasthaus-Café Bärenstub‘n in Bad Feilnbach konnten begrüßt werden.
Genehmigung vom
Tourismusminister
Den Iran und vor allem seine Gastfreundlichkeit lernte Müller 2019 während einer Radtour kennen. Mithilfe eines gut organisierten Radfahrernetzes im Iran entstand die Idee, sich der Herausforderung „Afghanistan“ zu stellen und im Juni 2023 mit Freunden eine Reise vom Iran aus in eines der unsichersten und touristenfeindlichsten Länder der Erde anzutreten.
Ein späterer Zeitpunkt, im Sommer in Afghanistan einzureisen, sei angesichts der Hitze nicht sinnvoll gewesen, so Müller.
Spektakuläre Eindrücke hinterließ eine abenteuerliche Grenzüberschreitung mit kuriosen Wechselstuben, eigenen Telefonkarten sowie einer besonderen Genehmigung, ausgestellt vom Tourismusminister, Afghanistan bereisen zu dürfen.
Wie eine Zeitreise
in die Vergangenheit
Müller und seine Begleiter tauchten in eine andere Welt und Kultur ein, die sich als Zeitreise 70 Jahre rückwärts anfühlte. Spürbar waren innere Konflikte, unterdrückte und von der Öffentlichkeit ausgeschlossene Frauen, Kinderheime mit ausschließlich Buben und männlichen Jugendlichen, die von Männern umgeben waren.
Für herzzerreißende Szenen sorgten Bilder mit zahlreichen Straßenkindern (6000 davon leben aktuell in der Stadt Herat), Kinderarbeit und einer extremen Kinderarmut. Geld verdienen Männer. Mädchen und Frauen dagegen haben keine Zukunft. Bildungsverbote für Mädchen ab der Pubertät führen zu Perspektivlosigkeit, Depressionen und hoher Selbstmordrate.
Mit dem Jeep durch
den Staub
Hitze, Trockenheit, Staub und unzureichender Infrastruktur kennzeichnen das Land. Ein geländegängiger Jeep war notwendig, um die Reise am Kundus über auf zentimeterdickem, pudrigen Sand und Staub auf schlechten oder kaum wahrnehmbaren Asphaltstraßen und spektakulären Pfaden fortzusetzen. Verwunderung und Staunen löste eine abenteuerliche Überquerung des Geländefahrzeugs über einen Fluss mittels einer merkwürdig anmutenden Fähre aus.
Autos oder Reifen wurden mit geschickter Fingerfertigkeit von Kindern repariert. Schöpfer und Trichter dienten zum Betanken der Fahrzeuge mit Treibstoff aus Fässern.
Als anstrengend erlebte Michael C. Müller die Großstadt Kabul im Wechselbad zwischen moderner Skyline und Shops sowie Lehmgebäuden in der Altstadt, stinkenden Kanälen und der Realität einer fehlenden Müllabfuhr in Hinterhöfen und Gassen.
Müller und seine Begleiter, mit Turban und Kalaschnikow, zog es zurück in Richtung Kandahar – mit Halt an den legendären Felsenhöhlen mit einst mächtiger Buddha-Statue, die von den Taliban zerstört wurden. Vorbei an Stausee und Wasserfällen, kargen Landschaften und verlassenen Orten.
Beeindruckende
Gastfreundschaft
Eine unfreiwillige Zwischenstation, wieder in Herat angelangt, war ein Krankenhaus, das die schwierige finanzielle Situation des Landes einmal mehr verdeutlichte.
Beeindruckend trotz grenzenloser Armut war die Gastfreundlichkeit der Bevölkerung gegenüber den Gästen aus dem Wohlstandsland Deutschland. Eine Erfahrung an Herzlichkeit, die lehren sollte, Vorurteile abzubauen – über Menschen die, so Müller, gut sind und nicht böse. Peter Strim