von Redaktion

Und täglich grüßt das Murmeltier: Wieder einmal diskutierte Rott am Inn über die Flüchtlingsunterkunft am Eckfeld. Wieder einmal sorgte das Vorgehen des Landratsamts im Gemeinderat für Empörung. Was das Problem ist und warum sogar von einer korrupten „Bananenrepublik“ gesprochen wird.

Rott – Bürgermeister Daniel Wendrock (parteifrei) fühlt sich an „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende erinnert. Anwalt Jürgen Greß spielt auf den Filmklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“ unter Regie von Harold Ramis an. Die Rede ist, wie sollte es auch anders sein, natürlich von der Dauer-Debatte rund um die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete im Gewerbegebiet am Eckfeld in Rott.

Denn wieder einmal stand dazu am vergangenen Montagabend eine Sondersitzung des Gemeinderats an. Und wieder einmal sollte der Gemeinderat darüber entscheiden, ob sie einem Bauantrag für die Flüchtlingsunterkunft zustimmen können. Die Entscheidung war natürlich wieder einmal ein einstimmiges Nein. Dieses Mal allerdings unter erschwerten Bedingungen, denn das Landratsamt Rosenheim hatte sich, laut Aussage von Wendrock, trotz mehrfacher Nachfrage nicht dazu äußern wollen, von welchem konkreten Bauantrag hier gesprochen werden sollte.

Unklarer
Bauantrag

Aber von vorn: Anlass für die gesamte Sondersitzung war die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH), dem Eilantrag der Gemeinde Rott auf „Anordnung der aufschiebenden Wirkung“ doch stattzugeben und somit die bisherige Baugenehmigung mehr oder weniger zu kippen. Wegen dieses Beschlusses hatte das Landratsamt deshalb angekündigt, eine neue Baugenehmigung anzustreben und am 15. September ein Schreiben an die Gemeinde Rott herausgegeben.

Einen Monat hatte die Gemeinde Zeit, Stellung zum Bauantrag zu beziehen. „Leider wissen wir gar nicht so genau, wovon wir hier reden“, erklärte Wendrock sowohl dem Rotter Bauausschuss, als auch dem Gemeinderat.

Denn auf Anfrage verwies das Landratsamt auf den Bauantrag, der der Gemeinde seit Ende 2023 vorliegt. „Dieser bezieht sich aber auf die Unterbringung von 500 Flüchtlingen und ist unbefristet“, so Wendrock. Zuletzt, nach vielen Monaten Verhandlung und Protest, hatte das Landratsamt die Anzahl der untergebrachten Personen auf maximal 270 beschränkt und einer Befristung bis zum 30. September 2028 zugestimmt.

Ob diese Reduktion und die Befristung in der Baugenehmigung wieder Einzug finden wird: „Das wissen wir nicht“, sagte Wendrock. Zwar sei davon auszugehen, basierend auf dem Schriftverkehr.

„Aber sicher können wir uns nicht sein.“ Eine klare Auskunft habe es seitens des Landratsamts dazu trotz mehrfacher Nachfrage nicht gegeben. „Wir müssen also zunächst davon ausgehen, dass wir hier von einer Unterkunft für 500 Geflüchtete sprechen.“

Das bestätigte auch Anwalt Greß. „Die Gemeinde hat immer noch keinerlei Akteneinsicht“, monierte er und sprach hier von einem „Unding“. Aber deshalb könne er auch keine konkreteren Angaben machen, um welchen Bauantrag es sich genau handle. Zwar war wieder einmal schnell klar: Die Argumente dagegen sind unabhängig von der Anzahl an untergebrachten Personen dieselben – darunter die Einschränkung der Planungshoheit der Gemeinde und eine fragliche Dringlichkeit der Unterkunft nach Paragraf 246, Absatz 14 im Baugesetzbuch – trotzdem sorgte das Vorgehen des Landratsamtes zum wiederholten Mal für Empörung in Rott. Insbesondere Marinus Schaber (Bürger für Rott) sprach von einer „Frechheit“. Bei jedem anderen Bauwerber müsse dem Gemeinderat ein konkreter Antrag vorgelegt werden „und das Landratsamt ist nicht fähig, so etwas zu machen“, empörte er sich. „Entschuldigung, aber gilt in Deutschland nicht gleiches Recht für alle? Das sind Zustände wie in einer Bananenrepublik.“ Auch Bürgermeister Wendrock ärgerten die wenig konkreten Aussagen des Landratsamtes. „Es ist schon sehr traurig, dass wir uns hier auf Vermutungen darüber, was der wirkliche Plan ist, stützen müssen.“

Für Stirnrunzeln und Verwunderung sorgte im Gemeinderat auch die Tatsache, dass die Erstaufnahme-Einrichtung derzeit weiter belegt ist. Von 80 Personen sprach das Landratsamt Rosenheim Anfang Oktober gegenüber der Wasserburger Zeitung, auf 70 Flüchtlinge schätzte Wendrock die Zahl in der Sondersitzung. „Diese Belegung ist im Moment nicht rechtskonform. Das muss man ganz klar so sagen“, stellte Wendrock fest.

Zwar würden derzeit nicht noch mehr Flüchtlinge nach Rott gebracht werden, ein Vorgehen durch die Rechtsaufsichtsbehörde – die im Übrigen ebenfalls im Landratsamt angesiedelt ist – gegen die eigene rechtswidrige Nutzung sei aber im Gespräch mit der Behörde abgelehnt worden, so Wendrock. Anscheinend gehe das Landratsamt davon aus, dass demnächst eine neue Baugenehmigung erlassen werden könne. „Es herrscht wohl die Überzeugung, dass der VGH die Baugenehmigung nur wegen kleinerer formeller Fehler gekippt hat“, erklärte Wendrock.

Tatsächlich war der offizielle Grund für das Kippen der Genehmigung lediglich eine fehlende Verpflichtungserklärung seitens des Landratsamts, die Sanitär-Container am Gebäude nach Ende der Nutzung wieder zurückzubauen. Dieser Formfehler könnte wohl aus Sicht der Behörde schnell behoben werden, weshalb ein Vorgehen gegen die rechtswidrige Nutzung wohl als nicht nötig angesehen werde, so Wendrock. „Das ist schon bemerkenswert“, kommentierte der Bürgermeister. „Hier beißt sich wohl die berühmte Katze in den Schwanz.“

Sowohl Wendrock als auch Greß betonten allerdings, dass die Gemeinde die Ansicht, die Baugenehmigung sei nur zwecks formeller Fehler gekippt worden, nicht teile. „Der VGH hat sich nicht weiter zu unseren Hauptargumenten bezüglich Dringlichkeit und Planungshoheit geäußert“, bemerkte Wendrock. Es gebe keinerlei Tendenz weder in die eine noch in die andere Richtung.

„Wir gehen davon aus, dass der VGH schlicht die einfachste Möglichkeit für seinen Beschluss genommen hat“, erklärte Greß. Was nicht bedeute, dass die weiteren Argumente der Gemeinde hinfällig seien. „Grundsätzlich wären das Landratsamt und die Regierung von Oberbayern gut beraten damit, von dem Projekt Abstand zu nehmen“, meinte Bürgermeister Wendrock.

Max Zangerl (Bürger für Rott) stimmte diesem zu und verwies zudem erneut auf die Steuergelder, die in das gesamte Projekt bislang geflossen seien. „Das ist absolute Geldverschwendung, dafür ist irgendjemand im Landratsamt verantwortlich und wenn es am Ende der Landrat selbst ist.“

Veränderungssperre
wird verlängert

Einstimmig beschloss zunächst der Bauausschuss somit, die Nutzungsänderung der Gewerbehalle im Rotter Eckfeld zu einer Flüchtlingsunterkunft abzulehnen. Einstimmig beschloss anschließend der Gemeinderat die Veränderungssperre, die über dem Gewerbegebiet liegt noch, um ein Jahr zu verlängern. Den Bauantrag für die Flüchtlingsunterkunft lehnte der Gemeinderat einstimmig ab.

„Wie in einer Bananenrepublik“

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