Großkarolinenfeld – Die Tour von Landrat Otto Lederer geht weiter. Diesmal in Großkarolinenfeld. Im großen Sitzungssaal fanden sich am Montag rund 200 Bürger ein, um über die geplante Flüchtlingsunterkunft an der Pfälzerstraße informiert zu werden. „Ich freue mich, dass wir mit dieser Veranstaltung euren Geschmack getroffen haben“, sagte Bürgermeister Bernd Fessler. So viele Interessierte seien nicht einmal bei Bürgerversammlungen anzutreffen, scherzte er.
Bürgermeister
erklärt Vorgehen
Rede und Antwort standen Landrat, Bürgermeister, Sebastian Thurnhuber von der Polizei Bad Aibling, die Migrationsbeauftragte Anette Steinbauer sowie Sven Friedl und Michael Elzenbeck der Max-Joseph-Schule.
Zu Beginn erläuterte Fessler, warum die Gemeinde erst im Mai 2025 bekannt gegeben hat, dass sie dem Landratsamt ein Grundstück für einen Wohncontainer für bis zu 50 Geflüchtete zur Verfügung gestellt hat. Denn die Gerüchteküche hatte bereits seit Februar gebrodelt. „Es kann nicht sein, dass wir als offene, ökumenische Gemeinde nur so wenige Menschen aufnehmen“, erklärte er. Daraufhin sei die Option lang und breit im Gemeinderat diskutiert worden. Und da es sich um ein nicht erschlossenes Grundstück handle, habe zunächst geklärt werden müssen, wer die Erschließungskosten trägt. „Grundstücksangelegenheiten sind nie öffentlich“, betonte der Bürgermeister.
Hohe Zuwanderung
und kaum Wohnungen
Lederer erklärte Grundsätzliches rund um das Thema Asyl im Landkreis Rosenheim. Der Landrat referierte über die sprunghaft angestiegenen Zahlen seit 2014 und den erneuten massiven Anstieg seit 2022 durch den Ukraine-Krieg. Gleichzeitig machte er deutlich, dass der angespannte Wohnungsmarkt in der Region dem Landratsamt keine andere Wahl lasse, als Containeranlagen aufzustellen oder Gewerbe-Objekte anzumieten. Bis vor Kurzem musste der Landkreis nach wie vor auf Turnhallen zurückgreifen. Seit Mitte September kann auch in Raubling die Turnhalle nach drei Jahren wieder ihren eigentlichen Zweck erfüllen. „Uns wäre eine dezentrale Unterbringung auch lieber. Aber es gibt derzeit nichts“, erläuterte Otto Lederer. Da auch Einheimische nur schwer Wohnraum finden, müsse das Landratsamt auf Gewerbeobjekte oder Containeranlagen für Geflüchtete zurückgreifen.
Pachtvertrag über sechs Jahre ab Baubeginn
Lederer nannte einige Eckdaten zum Objekt an der Pfälzerstraße: Der Pachtvertrag läuft derzeit befristet auf sechs Jahre ab Baubeginn. Es sollen bis zu 50 Personen in dem dreistöckigen Komplex Platz finden – pro Stockwerk also 18 Personen. Auf jeder Etage gebe es Gemeinschaftsbäder und -räume. Ein externer Hausmeisterservice soll für Ordnung in den Gemeinschaftsräumen und auf dem Gelände sorgen. Die Integration der Geflüchteten liegt in der Hand der Migrationsbeauftragten Anette Steinbauer. Sie macht seit 13 Jahren den Job und koordiniert auch künftig den Helferkreis. Im Anschluss an die Veranstaltung trugen sich einige Großkarolinenfelder in ihre Helferlisten ein.
Die Bürger konnten im Anschluss ihre Fragen stellen. Neben Fragen zur Finanzierung bestimmten auch Sicherheitsfragen und Ängste die Fragerunde. Bürgermeister Fessler erklärte, dass die Erschließungskosten für das Grundstück vom Freistaat Bayern übernommen wurden und die Gemeinde nicht für die Unterbringung aufkommen muss.
Was muss die
Gemeinde zahlen?
„Die trägt zu 100 Prozent der Freistaat“, sagte Lederer. Ihren Lebensunterhalt müssten die Geflüchteten mit ihrem Asylgeld beziehungsweise Bürgergeld selbst bestreiten. „Und wenn jemand Arbeit findet?“, wollte ein Bürger wissen. „Dann müsste derjenige auch für den Wohnraum Miete bezahlen“, so der Landrat.
Fessler signalisierte den Bürgern, dass sich Verwaltung und Gemeinderat bewusst dafür entschieden hätten, dem Landratsamt ein Grundstück für eine Asylunterkunft zur Verfügung zu stellen. „Wir wissen natürlich nicht, wer dort einziehen wird. Aber wir hoffen, durch das Angebot mitreden zu können, wenn es soweit ist.“ Denn aufgrund der angespannten Betreuungssituation in den Kindertagesstätten der Gemeinde wären etwa Familien mit Kleinkindern weniger wünschenswert als Familien mit Kindern im Schulkindalter.
Ist die Schule
ein sicherer Ort?
Für Reibung und Spaltung sorgte das Thema Sicherheit: Eine besorgte Mutter wollte wissen, warum die Türen der Max-Joseph-Schule während der Unterrichtszeit nicht zugesperrt werden, wie es an anderen Schulen üblich sei. Sebastian Thurnhuber, stellvertretender Dienststellenleiter der Polizeiinspektion (PI) Bad Aibling, erklärte, dass diese Sicherheitskonzepte als Schutzmaßnahmen vor potenziellen Amokläufen eingeführt worden seien.
Schulleiter Sven Friedl ergänzte, dass es technisch nur schwierig umsetzbar sei, da die Schule aus zwei separaten Schulgebäuden besteht und die Schüler während der Zeit die Räume und Gebäude wechseln müssen. „Wir haben noch eine Person unerlaubt im Schulhaus gehabt“, sagte Friedl. Das Schulpersonal sei angehalten, Unbekannte anzusprechen. „In den meisten Fällen sind es Eltern oder Lieferanten.“ Thurnhuber ergänzte: „Das größte Risiko für Kinder ist der Schulweg. Zu 80 Prozent liegt es an den Eltern, die ihre Kinder mit dem SUV bis vor den Schulhof fahren.“
Der Polizeibeamte verdeutlichte, dass es in den drei Jahren, in denen die Turnhallen mit Geflüchteten belegt waren, zu keinen Beschwerden oder Zwischenfällen gekommen sei. Auch Anette Steinbauer sagte, dass in den 13 Jahren als Migrationsbeauftragte, kein Großkarolinenfelder zu Schaden gekommen sei.
Sorgen vor sexueller
Gewalt gegen Frauen
„Wenn sie sich prügeln, dann untereinander.“ Dem hielt jedoch eine Bürgerin entgegen: Sie berichtete von einer 16-Jährigen, die von zwei Afghanen vergewaltigt wurde. Einer der Täter, die deswegen auch vor Gericht standen, sei aus Großkarolinenfeld. Für die Bürgerin stünden derartige Meldungen im Widerspruch zu dem, was den Bürgern nun gesagt würde.
„Gewalt gegen Frauen ist ein Problem. Allerdings hat das weniger mit Hautfarbe und Herkunft zu tun. Es ist ein geschlechterspezifisches Problem“, hielt eine Bürgerin dagegen. Dieser Meinung schloss sich auch Thurnhuber an, der auf Fälle von sexueller Gewalt durch Deutsche verwies.
Straftaten im
Landkreis rückläufig
Mehrmals betonte Thurnhuber, dass die Zahl der Straftaten im Landkreis Rosenheim rückläufig sei – auch bei den Ausländern. Kritiker der Unterkunft schienen diese Argumente jedoch nicht zu erreichen. Denn mehrere berichteten von ihren negativen Erfahrungen mit mutmaßlichen Asylbewerbern, die abends am Großkarolinenfelder Bahnhof Frauen „nachgestiegen“ seien, von Polizeibussen vor Flüchtlingsunterkünften und dem Müll vor ihrer Haustür. Andere wiederum berichteten von ihren positiven Erfahrungen, der Bereicherung, die sie durch den persönlichen Kontakt und die Arbeit mit den Geflüchteten erlebt hätten.
Wiederum andere waren in Sorge, das Unterrichtsniveau würde sinken und sich negativ auf die Bildung ihrer Kinder auswirken. Die Schulleiter Friedl und Elzenbeck erklärten, dass das Deutschlernen und die Integration bei Kindern durch die Teilnahme am Unterricht schnell und einfach vonstatten gehen. Zudem sei noch gar nicht klar, wie viele Kinder letztlich in die Unterkunft an der Pfälzerstraße einziehen werden. „Bei der Zahl an Menschen wird es logisch gedacht nicht mehr als ein Kind pro Klasse sein“, so Konrektor Michael Elzenbeck. „Die Erfahrung zeigt, dass es kein Problem ist“, sagte Rektor Sven Friedl. Schließlich kämen auch aus dem europäischen Ausland immer Kinder dazu.
Flyer spaltet Bürger
in zwei Lager
Nach hitzigen Auseinandersetzungen – auch mit Bürgermeister Fessler – verließen einige Bürger die Veranstaltung vorzeitig. Jene, die bis zum Schluss blieben, sprachen sich trotz teils gegensätzlicher Meinung für den Dialog aus. Es störe sie, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Dazu beigetragen hatten auch diverse Flyer und Statusmeldungen in den Sozialen Medien, die kurz vor der Infoveranstaltung geteilt wurden.
„Wir wollen die Veranstaltung nicht rechten Stammtischparolen überlassen“, hieß es darin, was bei so manchem Stammtischgänger zu Verstimmungen führte. Eine Bürgerin resümierte: „Es kommen 50 Leute zu 7000 dazu. Das müssen wir schaffen.“