Ökomodellregion für den Chiemgau geplant

von Redaktion

Bei einem Planungstreffen in Frabertsham machen sich Initiatoren und Vertreter von Landesanstalten für die Gründung eines Bündnisses stark, um Bio-Landwirtschaft und regionale Wertschöpfung zu fördern. Doch es gibt auch skeptische Stimmen.

Obing/Chiemgau – Mehr als 100 Einladungen hatten Alois Dirnaichner, Ortsvorsitzender des Bund Naturschutz, Christoph Schwingenstein vom gleichnamigen Biohof in Schnaitsee und Benjamin Schilbach, Design- und Produktmanager aus Harpfing, als Initiatoren für ein Planungstreffen zur Gründung einer Ökomodellregion Chiemgau (ÖMRC) verschickt. Etwa 30 Interessenten kamen nun kürzlich ins Gasthaus Reiter nach Frabertsham, darunter die Bürgermeister Sepp Reitmeier aus Pittenhart und Thomas Schmidinger aus Schnaitsee (beide CSU).

Der Chiemgau ist
noch ein weißer Fleck

Dirnaichner berichtete, dass es in Bayern bereits über 30 Ökomodellregionen (ÖMR) gibt, der Chiemgau aber noch zu den weißen Flecken gehöre. Da die Anerkennung einer ÖMR von mindestens vier zusammenhängenden politischen Gemeinden abhängt, besuchten die drei Initiatoren bereits die Stadt- und Gemeinderäte von neun Kommunen für Gespräche: Schnaitsee, Eiselfing, Wasserburg, Obing mit den Gemeinden Pittenhart und Kienberg, Amerang, Seeon-Seebruck sowie Trostberg.

Auch Jutta Weber von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising, Kathleen Ellmeier vom Amt für ländliche Entwicklung in München und Sophia Lörcher, stellvertretende Schulleiterin für Hauswirtschaft am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Traunstein, kamen nach Frabertsham, um sich für die Gründung einer ÖMRC stark zu machen.

Finanzielle Förderungen für drei Säulen

Kathleen Ellmeier nannte in einem Impulsreferat „gute Gründe für eine Bewerbung als staatlich anerkannte Ökomodellregion in Bayern“. Mit der Initiative „Bioregio 2030“ will die bayerische Staatsregierung den ökologischen Landbau fördern. Bis 2030 soll der Ökolandbau-Anteil auf 30 Prozent der Fläche erhöht werden. Damit verbunden sei die erhöhte Versorgung des Marktes mit in Bayern produzierten Öko-Produkten.

Um den Chiemgau herum existieren bereits die Ökomodellregionen Waginger See-Rupertiwinkel, Inn-Salzach, Mühldorfer Land, Glonn-Mangfalltal-Aying, Miesbacher Oberland und Hochries-Kampenwand-Wendelstein. Als Vorteile einer ÖMR wurden finanzielle Förderungen für drei Säulen aufgezeigt: zum ersten für das Öko-Modellmanagement, zum zweiten für die Begleitung außergewöhnlicher Projekte von Kommunen und privaten Unternehmen bis zu 50000 Euro jährlich und zum dritten als Verfügungsrahmen für Ökoprojekte.

Gerade Kleinstunternehmen, so erklärte Ellmeier, können mit Zuschüssen rechnen. Voraussetzung sei eine Bio-Zertifizierung. Aber auch konventionelle Bauern könnten beim Vertrieb eigener Produkte profitieren. Außerdem müsse das Projekt im Gebiet der Öko-Modellregion liegen, erklärte Ellmeier.

Das Ziel ist der Aufbau regionaler Bio-Wertschöpfungsketten und Bewusstseinsbildung. Gestärkt werden sollen zudem das Handwerk und regionale Kreisläufe. Auch hier wurde ein positives Beispiel angeführt: der Bio-Dinkel und -Hafer aus der ÖMR Mühldorfer Land und der ÖMR Waginger See, der von der Mühldorfer Müsli-Marke „Barnhouse“ verwendet wird. Ein weiteres Beispiel: das Chiemgauer Familienunternehmen Organic Veggie Food GmbH (SOTO) in Bad Endorf, das mit drei Ökomodellregionen kooperiert.

Auch mögliche einzelne förderfähige Kleinprojekte wurden beim Planungstreffen genannt: von der Bio-Eis-Maschine bis zur Errichtung eines Hofladens, vom Erwerb eines Vakuumier- oder Etikettier-Geräts bis hin zum mobilen Servierraum für Jäger oder einer Apfelpresse.

Vernetzung, Vermarktung, Bewusstseinsbildung

Für das Management der ÖMR ist eine Stelle für einen „Kümmerer“ vorgesehen, die in den ersten fünf Jahren zu 75 Prozent aus Landesmitteln und zu 25 Prozent aus Mitteln der ÖMR finanziert wird. Ab dem achten Jahr sinkt der Fördersatz auf 20 Prozent.

Benjamin Schilbach hob hervor, dass die Hauptvorteile einer Ökomodellregion in der Vernetzung, Vermarktung und Bewusstseinsbildung liegen. Er betonte die Bedeutung gemeinsamer Strukturen und Austauschplattformen für Produzenten, Verarbeiter, Gastronomie, Handel und Verwaltung. Mögliche Projekte seien der Aufbau bioregionaler Lieferketten, die Vermarktung regional verarbeiteter Produkte sowie die Förderung von regionalen Lebensmitteln in Schulen. Auch die Verknüpfung von nachhaltiger Energie mit Landwirtschaft und sozialer Verantwortung gehöre zu den Aufgaben einer ÖMR.

„Wichtig, die Bauern
mitzunehmen“

Richard Gruber, Vorsitzender der Bund-Naturschutzgruppe Seeon-Seebruck, sagte, für ihn sei das A und O, „dass die Akteure, die eine ÖMRC möchten, geschlossen auftreten“. „Wenn sich zehn Akteure zusammentun, und sagen ‚Wir möchten das‘, werden sich Gemeinderäte und Bürgermeister leichter davon überzeugen lassen.“ Die maximal 4600 Euro, die jährlich von den Gemeinden für das ÖMR-Management zu zahlen seien, sind in seinen Augen nicht das Problem. „Die sind durch die generierten Steuern schnell amortisiert.“

Schnaitsees Bürgermeister Thomas Schmidinger, der selbst Landwirt ist und vor 25 Jahren mit anderen Bauern das „Wasserburger Bauernfleisch“ mit angepachteter Metzgerei zur Selbstvermarktung gegründet hat, sieht in dem Bestreben nach einer ÖMRC „keinen Selbstläufer“, wie er sagte. Er kenne Biobauern, die eher gegen eine Ökomodellregion seien als dafür. „Umso elementar wichtiger ist es, die Bauern mitzunehmen.“ Er sei nicht gegen die Gründung einer ÖMRC, sehe einer allgemeinen Zustimmung aber eher skeptisch entgegen.

Zum Schluss betonte Sophia Lörcher die ÖMRC als Chance, um Zertifizierungen und Direktvermarktung voranzubringen: „Das könnte der Entwicklung im Bereich biologisch betriebener Landwirtschaft einen Schub geben.“

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