Gars – Eigentlich hätte es eine simple Knie-Operation werden sollen. Doch diese missglückt. Seitdem sitzt Regina Mittermair, die „Karla Kolumna“ des Haager Lands, im Rollstuhl. Nun haben ihre Töchter einen Spendenaufruf gestartet.
Es sollte ein Routine-Eingriff werden. Viel dachte sich Regina Mittermair nicht dabei, als sie im Juli 2024 zum Operationstermin antrat. Einen ähnlichen Eingriff hatte sie schließlich schon einmal gemacht. „Ich dachte, ich bin wieder zwei Tage in der Klinik, vier Tage auf der Couch und sechs Wochen an Krücken und dann wäre alles vorbei“, sagt die Garserin. Stattdessen ist sie heute schwerbehindert und angewiesen auf den Rollstuhl.
Schwere Nebenwirkungen
nach Operation
Eineinhalb Jahre ist der Schicksalsschlag von Mittermair inzwischen her. Bis heute fällt es der Garserin schwer, über das Geschehene zu reden. Immer wieder kommen ihr im Gespräch die Tränen. Es fallen Sätze wie „Das hat mich gebrochen“ und „Ich komme mir vor wie im falschen Film“. Dabei hat sich die 45-Jährige bisher immer als „taffe Person“ gesehen. Vor allem im Haager Land als „Karla Kolumna“ bekannt, auch durch ihre Mitarbeit bei der Wasserburger Zeitung und innsalzach24.de, zog sie ihre drei Kinder alleine groß, pflegte nebenbei noch die eigene demente Mutter. Niemals, sagt sie heute, hätte sie gedacht, dass ihr ein Ereignis so zusetzen könne. Bis es im Juli vergangenen Jahres zur Katastrophe kommt.
Eigentlich sollte Mittermair eine Meniskus-Operation und eine Achskorrektur am rechten Knie bekommen. „Die Ärzte meinten, ich wäre zu jung für ein künstliches Knie“, erzählt die 45-Jährige, deshalb eben diese Lösung. Ein simpler Eingriff, der schnell heilen sollte. Doch die Operation, sagt sie, sei völlig schiefgegangen. Was alles missglückt ist, das können Mittermair und ihre Töchter Julia und Sarah gar nicht so genau in Worte fassen. „Einfacher wäre es, zu sagen, was gut gegangen ist“, erzählt Sarah Mittermair und lacht in einem Anflug von Galgenhumor. Die drei Frauen sprechen von Behandlungsfehlern, von zu späten Reaktionen seitens der Ärzte und des Pflegepersonals. Im Moment befindet sich die Familie deshalb auch im Rechtsstreit mit der Klinik, deren Name wird auch deshalb hier nicht erwähnt.
Doch egal, ob nun ein Behandlungsfehler der Grund war oder nicht, Tatsache ist: In der Folge der Operation kommt es zu schweren Nebenwirkungen. Darunter Nervenläsion und ein akutes Kompartmentsyndrom. Gerade Letzteres gilt eigentlich als absoluter Notfall. Denn hier steigt der Gewebedruck in den Faszien massiv an und kann dadurch die Durchblutung und die Funktion der Muskeln einschränken. Im schlimmsten Fall kommt es sogar zum Organversagen. „Bei mir wäre es fast so weit gewesen“, sagt Mittermair.
Zweieinhalb Wochen bangen die Töchter Julia (23) und Sarah (19) sowie Sohn Leo (18) deshalb um ihre Mutter. „Wir wussten wirklich nicht, ob sie überlebt“, erzählt Julia Mittermair. Tagelang habe sie überall die Patientenverfügung ihrer Mutter dabei gehabt, „weil wir nie wussten, ob wir sie nicht doch brauchen.“
Acht Operationen später, zwei davon notfallmäßig, war aber immerhin klar: Regina Mittermair wird überleben.
Doch die Folgen sind gravierend. Mittermair erzählt von Schmerzen in der Kniekehle und im Oberschenkel, die bis heute anhalten. Von unzähligen Narkosen, die auf Dauer auch ihre Konzentrationsfähigkeit zerstört hätten. Die schlimmste Folge jedoch: zwei Beinvenenthrombosen. Wobei eine von beiden einen kompletten Gefäßverschluss im Unterschenkel verursacht habe.
Glücklicherweise, sagt Regina Mittermair, habe ihr Körper einen Weg gefunden, um die Durchblutung über andere Blutbahnen aufrechtzuerhalten, „sonst hätte ich das Bein komplett verloren.“ Doch bis heute ist der Fuß gelähmt und sie spürt nichts im betroffenen Bein. „Ich bin zu einer simplen Knie-OP hingefahren und dann durch die Hölle gegangen“, sagt sie mit Tränen in den Augen.
Bis heute falle es ihr schwer, zu akzeptieren, was passiert sei. Noch schwerer falle es ihr, den Rollstuhl zu akzeptieren. Lange habe sie für Krücken oder Orthesen gekämpft. Doch die Oberschenkelmuskulatur sei zu schwach. „Ich kann das Bein nicht nach vorne strecken“, erklärt sie. „Inzwischen sind die Nerven im Fuß wahrscheinlich auch abgestorben. Das hier ist wohl Endstation“, sagt Mittermair. Im Rollstuhl, bei einer Schwerbehinderung von 80 Prozent und Pflegegrad drei.
Seit Mittermair wieder zu Hause ist, kümmern sich vor allem Sarah und Julia Mittermair um ihre Mutter. Sohn Leo lebt derzeit in Grassau, wo er eine Ausbildung zum Koch absolviert. Die beiden Töchter – Julia macht im Moment eine Ausbildung zur Fachinformatikerin, Sarah studiert Kommunikationsdesign – haben extra ihre Stunden reduziert, um besser für ihre Mutter da sein zu können. „Das ist wirklich bemerkenswert“, betont Regina Mittermair. Liebevoll würden sie sich um sie kümmern, würden sie pflegen und schauen, dass es ihr gut gehe. Für Julia und Sarah eine Selbstverständlichkeit. „Wir sind immerhin Familie. Früher hat uns die Mama durch den Zoo geschoben, jetzt machen wir es andersherum“, sagen sie.
Und trotzdem seien die Pflege, die Medikamente, der barrierefreie Umbau des Hauses eine starke finanzielle Belastung. Das Krankengeld ihrer Mutter reiche kaum für die nötigen Medikamente und von der Pflegekasse habe es für den Hausumbau 4000 Euro gegeben. „Das hat nicht mal fürs Bad gereicht“, sagt Julia Mittermair.
Dabei gäbe es noch einiges mehr, was die Familie und vor allem Mama Regina dringend bräuchte. Einen Treppenlift zum Beispiel, denn aktuell würde die Mutter auf dem Po die Treppen hoch- und herunterrutschen. Eine Lösung, die nicht nur körperlich, sondern auch psychisch sehr belastend sei. „Das ist einfach erniedrigend“, sagt die Tochter.
Spenden für
handgasbetriebenes Auto
Auch ein mit Handgas betriebenes Auto würde sich die Familie wünschen, damit die eigentlich so taffe und selbstständige Mutter wieder alleine Termine wahrnehmen könne. Doch die finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite lasse zu wünschen übrig. „Wir werden eigentlich von allen im Stich gelassen“, sagt Sarah Mittermair. Die Töchter hoffen deshalb auf Unterstützung aus der Bevölkerung und haben eine Spendenaktion auf GofundMe gestartet. „Damit wir der Mama wieder ein normales Leben ermöglichen können.“ Schon jetzt sind etwas mehr als 7000 Euro zusammengekommen. Die Familie zeigt sich dankbar dafür, doch weiterhin sei klar: Jeder Euro könne helfen. Denn mit dem Schicksalsschlag werde Regina Mittermair wohl den Rest ihres Lebens zu kämpfen haben, sagt sie.