Das Moor muss wieder ein Moor werden

von Redaktion

Die Moorlandschaft vor Raubling ist ein umstrittenes Thema, wenn über das Hochwasser in der Gemeinde diskutiert wird. Im Zentrum steht die Renaturierung der Hochrunst- und Kollerfilzen. Was genau dort passiert und wie groß die Gefahr aus dem Moor seit der Katastrophe im Juni 2024 wirklich ist.

Raubling/Nicklheim – Es mag für den ein oder anderen seltsam wirken, wenn eine kleine Menschengruppe durch das Unterholz der Hochrunstfilze stapft, angeführt von einer Frau mit einer riesigen Metallstange in der Hand. Doch was aus der Ferne betrachtet wie eine unkoordinierte Übung für eine Dschungel-Safari aussieht, ist tatsächlich ein seit Jahren geplantes und durchdachtes Projekt.

Denn die Frau an der Spitze ist Sharon Rakowski, Hydrogeologin der Bayerischen Staatsforsten, und der seltsam anmutende Stab ist eine sogenannte Moorklapp-sonde. Mit dieser will die Expertin verdeutlichen, was spätestens seit der Hochwasserkatastrophe im Juni 2024 in Raubling heftig diskutiert wird – die notwendige Renaturierung der Moorlandschaft. „Man sieht eindeutig, wie sehr sich die Torfschicht hier zersetzt hat“, meint Rakowski, während sie die Sonde in den Boden rammt. Mithilfe einer drehbaren Klappe an der Unterseite kann sie Proben aus unterschiedlichen Schichten entnehmen.

In der Hochrunstfilze muss sie die Klappsonde allerdings gar nicht lange drehen, bis sie einen Klumpen Erde in der Hand hält. „Dass ich den Torf so zerbröseln kann, deutet auf die starke Zersetzung dieser Schicht hin“, meint die Hydrogeologin. Genau hier liegt demnach das Problem. Die bestehende Mischung aus viel Lehm und dem zersetzten Torf kann nicht mehr viel Wasser aufnehmen. Die Folge: „Bei Regen fließt das Wasser deutlich schneller aus dem Moor heraus“, sagt Rakowski.

Dieses Phänomen belegen auch die Wasserstandpegel, die das Moorteam der Bayerischen Staatsforsten überall in den Filzen verteilt hat. „Wir sehen bei starkem Regen zwei größere Ausschläge, einmal beim direkten Niederschlag und noch einmal circa einen Tag später“, meint die Expertin.

Im Optimalfall sollte ein Moor allerdings nicht 24 Stunden nach einem Starkregen gleich für die nächste Katastrophe sorgen, sondern einen Großteil des Wassers aufnehmen, um es als eine Art natürliches Auffangbecken nach und nach wieder abzugeben. Was beim Blick auf die Daten seit Juni 2024 aber beruhigen könnte. „Auch wenn es dieses Jahr wieder einige heftige Regentage gab, waren die Pegelstände nie so hoch, dass eine echte Gefahr bestand“, meint die Expertin. Damit das so bleibt, sollen Teile der Hochrunst- und Kollerfilzen um Nickl-heim wieder vernässt werden. Denn nur der feuchte Torfboden kann das Regenwasser aufnehmen, anstatt es direkt über die vor vielen Jahren angelegten Gräben abzuleiten.

Doch schon der erste Schritt sorgte für Unmut. Denn um das Moor wieder zum Moor werden zu lassen, muss ein großer Teil der Fichten raus. Sie würden zum einen das sich sammelnde Wasser in Bodennähe „auffressen“ und bei starker Vernässung lediglich dem Borkenkäfer dienen. „Dabei gab es jedoch ein Kommunikationsproblem“, sagt Lukas Hofmann, Revierleiter des Forstbetriebs Rott und somit ebenfalls zuständig für die Rosenheimer Wälder. Als er und sein Team begannen, die Fichten zu entnehmen, waren einige Anwohner überrascht und schlugen sofort Alarm.

Das hat sich mittlerweile jedoch gebessert. „Ich hatte einige Gespräche mit den umliegenden Nachbarn, die das sogar richtig gut finden, was wir hier machen“, sagt Hofmann. Gut 7000 Kubikmeter Holz sind bereits gefällt, aktuell kommen weitere 5500 Kubikmeter dazu. „Wir hoffen, dass wir im Winter damit durch sind“, meint der Revierleiter.

Im Herbst 2026 soll dann ein erster Teil der Abflussgräben zugemacht werden, um den Wald wieder zu vernässen. „Allerdings erst mal in den anwohnerfernen Gebieten, damit wir danach schauen können, wie sich das auswirkt“, meint Rakowski. Über ein Jahr lang will sie die Pegelstände auswerten, bevor die Renaturierung in der Filze weitergeht. Aufgrund der Sorgen und der Dynamik, die das Thema in der Gemeinde annehmen kann, versprechen die Experten zudem, die Raublinger künftig besser im Prozess zu begleiten.

„Immer bevor wir den nächsten großen Schritt machen, wird es eine Infoveranstaltung für die Bürger geben“, verspricht Rakowski, die daher jetzt schon den Weg zwischen der Zentrale der Staatsforsten in Regensburg und Raubling bestens kennt.

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