Vogtareuth – Falko Kunze hat kein alltägliches Hobby: das Ultracycling. Eine spezielle Radsportdisziplin, bei der mit dem Rennrad lange Strecken gefahren werden. Viel Schlaf und Erholung gibt es während der Rennen allerdings nicht. Zuletzt machte der 44-jährige Grafiker aus Vogtareuth beim „Race Around Austria“ mit, bei dem es 1500 Kilometer Strecke und insgesamt 17000 Höhenmeter zu überwinden galt. Mit dem Ziel, neue Erfahrungen zu sammeln und das Zeitlimit nicht zu überschreiten, legte er die gesamte Strecke innerhalb von vier Tagen und einer Stunde zurück.
Unglücklicher Start
in Österreich
Sankt Georgen im Attergau (Österreich): Der Traum von Kunze rückt immer näher. Kurz vor Abfahrt wurden seine Pläne jedoch durchkreuzt. Eigentlich sollte die Teilnahme im Zweier-Team erfolgen. 2200 Kilometer auf 30000 Höhenmetern. Bei seinem Mitstreiter klappte dies allerdings nicht, da er das erforderliche Team, welches ihn betreuen sollte, nicht zusammenbekam. Alleine auf der 2200 Kilometer langen Extremstrecke zu sein, kam für den Extremsportler allerdings nicht infrage – „also musste ein Plan B her“, sagt Kunze. Die kürzere Strecke, die traute er sich alleine zu. Gesagt, getan. Das Rennen begann also an einem Mittwoch im August in St. Georgen (Österreich). „Meine Nervosität war mir anzumerken. Selbst auf einfache Fragen konnte ich kaum antworten“, sagt Kunze.
Dann war es endlich so weit. Unter Applaus fuhr er die ersten Meter. „Der erste Tag war recht angenehm – es war ein ständiges Überholen und Überholtwerden“, sagt Kunze. Fans am Fahrbahnrand jubelten, was den Extremsportler zusätzlich motivierte. Dann wurde es jedoch stetig wärmer. Über 30 Grad soll es zwischenzeitlich gehabt haben. „So ging es recht flott durch Oberösterreich in Richtung Niederösterreich“, betont Kunze. Mit der Nacht wurden auch die Temperaturen wieder angenehmer und die erste kurze Schlafpause von circa 40 Minuten stand bevor.
Der erste Tag forderte seinen Tribut. So benötigte Kunze nach dem Aufwachen einige Zeit, um „Körper und Geist wieder in Fahrt zu bekommen“. Es wurde nun noch heißer, doch „Aufgeben ist keine Option“, sagt Kunze. Schon am Vormittag zeigte das Thermometer 30 Grad an. Dann folgte der Motivationsschub: Alexandra Meixner, Ultratriathletin aus Österreich, fuhr ein paar Minuten mit Kunze zusammen auf der niederösterreichischen Strecke mit. „Eine mehr als gelungene Überraschung“, betont Kunze.
Danach folgte das Tief: Die Temperaturen wurden unerträglich und hatten mittlerweile 36 Grad erreicht. Für Kunze wurde es zu einem immer größer werdenden Problem, seine Leistung aufrechtzuerhalten, wie er erzählt.
So waren einige kürzere Pausen erforderlich, um seinen Körper wieder abzukühlen. Motivieren konnte er sich während dieser Tiefs durch sein Team. „Das Team begleitet mich die ganze Zeit, spricht mit mir und motiviert mich“, sagt Kunze.
Mittags stand der Crewwechsel an. Dabei war die Freude seitens Kunze besonders groß. An diesem Tag (18. August) feierten er und seine Frau Jenny ihren Hochzeitstag. „Ein besonderer Tag in einem besonderen Rennen“, sagt Kunze. Wobei die Umstände des Rennens immer unerträglicher wurden. Die Mittagshitze setzte dem Extremsportler enorm zu, wodurch er sich bis in die frühen Abendstunden langsam dahinschleppte. Dann folgte endlich die zweite Schlafpause, die ein kleines Wunder bewirkte, wie er selbst sagt. Er wurde wieder fitter und brachte seine Power zurück auf die Rennstrecke.
2 Uhr nachts, eine Stunde Schlaf, der dritte Tag im Rennen und 40 Kilometer steile Strecke vor ihm. So bezwang Kunze den Anstieg von Kötschach-Mauthen in Richtung Lesachtal. Oben angekommen, ging es gleich wieder runter, nach Tassenbach, wo ein Nickerchen auf ihn wartete. Dann ging es weiter nach Lienz, wobei das Wetter wieder nicht mitspielte. Statt Hitze verhieß der Himmel nun dunkle Wolken und Donnergrollen. Nun hatte es Kunze eilig, blieb jedoch nicht verschont. In Lienz angekommen, begann das Gewitter, das ihn bei seinem Aufstieg zum Hochtor begleitete. „Dieser Aufstieg war absolut rennentscheidend“, sagt Kunze.
Dort befand sich eine Time-Station. Wenn man hier die vorgegebene Karenzzeit überschreitet, ist das Rennen sofort beendet. Damit das nicht passierte, übersprang Kunze die geplante Pause in Heiligblut. Der 44-Jährige gab alles, wodurch er das Hochtor kurz vor Ablauf des Zeitlimits erreichte. Ab dort ging es abwärts nach Bruck, um die letzte kurze Schlafpause anzutreten.
Kurz vor der Schlafpause wartete ein weiterer Überraschungsmoment auf den Extremsportler. Sein älterer Sohn Ryan war klammheimlich, wie Kunze sagt, aus Deutschland angereist, um die letzten Kilometer mit seinem Vater gemeinsam zu bestreiten. „Mit so einem enormen Motivationsschub waren die Schmerzen wie weggefegt“, sagt Kunze. Mit Ende der Nacht und in strömendem Regen fuhren sie Richtung Sankt Georgen. Die Zeit war knapp, also holte Kunze die letzten ihm verbliebenen Energiereserven hervor. 15 Kilometer vor dem Ziel erlebte das Duo die nächste Überraschung: Reiner Steigenberger, der erfolgreiche Titelverteidiger des „Race Around Austria“, begleitete den Hobby-Ultracycler und seinen Sohn mit ins Ziel.
Elf Monate
Vorbereitung
„Das ist erst mal eine riesengroße Erleichterung, im Ziel zu sein“, sagt Kunze. Seine Fahrtzeit betrug am Ende drei Tage, 20 Stunden und 24 Minuten bei vier Stunden und 40 Minuten Schlaf. „Unsere Taktik war sehr konservativ, dafür aber robust und zielführend“, so Kunze. Trotz der Erleichterung, die sich nach dem Rennen einstellte, sei er gleichzeitig auch in eine gewisse Leere hineingefahren.
„Elf Monate habe ich mich auf dieses Rennen vorbereitet, da ist es erst mal logisch, in ein kleines Loch zu fallen“, sagt Kunze. Pläne für weitere Rennen hat Kunze auch schon: Das „Race Around Austria“ wird auch nächstes Jahr nicht auf Kunze verzichten dürfen.