Hoffnungssignal oder Nebelkerze?

von Redaktion

Eine Lücke in der Versorgung – das ist die große Angst, die mit der Schließung mehrerer Fachzentren der Schön-Klinik Vogtareuth einhergeht. Nun macht der Klinik-Konzern mit einer Mitteilung Hoffnung für „Jerwa“-Patienten. Doch Betroffene zeigen sich zwiegespalten.

Vogtareuth – „Die medizinische Versorgung der Patienten in der Schön-Klinik Vogtareuth, die bislang in der Abteilung „Jerwa“ (Junge Erwachsene mit Behinderungen) betreut wurden, bleibt auch nach den strukturellen Veränderungen sichergestellt.“ Dass dieser Satz vonseiten der Schön-Klinik Vogtareuth zu hören sein würde, damit hätte wohl niemand gerechnet. Nun schreibt die Pressestelle der Klinik-Gruppe in einer Mitteilung am gestrigen Mittwoch aber: „Die Schön-Klinik-Gruppe organisiert gemeinsam mit Kostenträgern und Schwesterkliniken für alle Betroffenen individuelle Anschlusslösungen.“ Und weiter: „Uns ist wichtig, dass niemand ohne medizinische Perspektive bleibt. Deshalb stehen wir mit allen Beteiligten im persönlichen Austausch und suchen individuelle Lösungen“, erklärt Dr. Mate Ivancic, Vorstandsvorsitzender der Schön-Klinik-Gruppe.

So soll es für die Patienten der „Jerwa“ weitergehen

Ein Teil der monatlich rund 15 Patienten könne je nach Indikation in der neuropädiatrischen Abteilung der Schön-Klinik Vogtareuth oder in der neurologischen Fachabteilung der Schön-Klinik Bad Aibling weiterbetreut werden. Die übrigen Patienten können sich laut Schön-Klinik ambulant in der Spezialsprechstunde vorstellen. Dort würde dann eine ambulante Therapie individuell organisiert und koordiniert. Wie viele Patienten genau künftig in Vogtareuth oder Bad Aibling behandelt werden können, wird nicht genannt.

„Jerwa“-Ärzte
können nicht bleiben

Und auch die Hoffnung, dass Ärzte, Bezugspersonen und das bestehende „Jerwa“-Personal teils vielleicht doch noch bleiben können, wurde aber kurzerhand wieder zerstört. Das OVB hakte nach, ob die Meldung denn nun bedeute, dass beispielsweise die „Jerwa“-Ärzte bleiben können.

Die Antwort ist eindeutig: „Im Zuge der geplanten Neuausrichtung soll die Neurologie am Standort Vogtareuth zum Jahresende eingestellt werden, weshalb wir in diesem Bereich leider keine Anschlussbeschäftigungen anbieten können.“

Eine Klinik-Sprecherin machte zudem deutlich, dass die Schön-Klinik Vogtareuth künftig keine reine „Koordinierungsstelle“ für „Jerwa“-Patienten werden soll. Die Klinik „stellt die Versorgung über klar definierte Anschlusswege sicher – am Standort über die bestehende Neuropädiatrie, in Schwesterkliniken wie der Schön-Klinik Bad Aibling Harthausen sowie durch die fortgeführte Spezialsprechstunde mit individueller Therapiekoordination.“

Zugleich knüpfe man damit an bewährte Strukturen an, die bereits vor 2021 – also vor Einrichtung der „Jerwa“ – die Versorgung dieser Patientengruppe getragen haben. Zudem betont die Sprecherin: „Vor- und nachstationäre Behandlungsphasen finden wohnortnah in geeigneten Einrichtungen statt; der stationäre Aufenthalt in Vogtareuth diente bislang vor allem akuten Anlässen wie neurochirurgischen Eingriffen, die weiterhin gewährleistet werden in Kliniken der Region, aber auch deutschlandweit.“ Darüber hinausgehende therapeutische Leistungen würden wie bisher von Reha- und Behinderteneinrichtungen übernommen, „sodass medizinische Behandlung und Teilhabe durchgehend abgesichert bleiben.“

„Mir sind gleich
die Tränen gekommen“

Auch wenn es an konkreten Zahlen fehlt, gibt die Mitteilung der Schön-Gruppe den Betroffenen Hoffnung. So auch Rainer und Beate Greimel aus Ampfing. Für ihren Sohn Moritz war die „Jerwa“ der Ort, an dem all seine Symptome ernst genommen und die beste Lösung für ihn gesucht wurde. Als sie hörten, dass es die „Jerwa“ im kommenden Jahr nicht mehr geben soll, saß der Schock tief. Umso größer war die Freude, als die Greimels nun hörten, dass eine Lösung im Raum steht. „Mir sind gleich die Tränen gekommen. Freudentränen“, sagt Rainer Greimel am Telefon, kurz nachdem er von der Meldung der Schön-Klinik erfahren hat.

Dass die „Jerwa“ – und vor allem Expertise und das Wissen – mit den Ärzten in Vogtareuth vor Ort bleibt, das wäre der ganz große Wunsch der Familie. „Wir sind froh, dass da jetzt Bewegung dahinter ist“, sagt Rainer Greimel. All ihrer Freude zum Trotz möchten sie erst einmal abwarten. „Wir trauen uns irgendwie noch gar nicht, zu hoffen und zu glauben, dass die Versorgung jetzt in der Nähe bleibt oder überhaupt weitergeführt wird. Aber es ist natürlich unser großer Wunsch“, sagt Beate Greimel. Die Familie hofft, dass dies nicht nur ein Versuch ist, die Gemüter zu beschwichtigen. Und selbst wenn gute Behandlungsmöglichkeiten in der Region bestehen blieben, könne man vonseiten der Klinik jederzeit wieder beschließen, dass die Behandlung von Patienten wie Moritz nicht rentabel sei – und die Versorgung einstellen.

„Eigentlich müsste eine solche Station gesetzlich verankert sein“, wünscht sich Beate Greimel.

Versuch, „sich ein soziales Mäntelchen überzuziehen“

Domingo Heber, Gewerkschaftssekretär bei Verdi, sieht in der Mitteilung der Schön-Klinik lediglich einen Versuch, die Gemüter zu beschwichtigen. „Meiner Einschätzung nach versucht der Schön-Konzern hier, sich ein soziales Mäntelchen überzuziehen, um seine unsoziale Konzernpolitik zu verschleiern“, sagt er auf OVB-Anfrage. Noch vor wenigen Tagen hätten Betroffene ihm berichtet, dass bisher niemand aus der Schön-Klinik mit ihnen in Kontakt getreten sei.

Mit welchen „Beteiligten“ die Schön-Klinik im persönlichen Austausch stehe, beantwortete eine Pressesprecherin der Schön-Klinik folgendermaßen: „Mit ‚allen Beteiligten‘ sind die wesentlichen Akteure im regionalen Versorgungssystem gemeint, darunter die Klinikgeschäftsführer der großen regionalen Klinikverbünde, das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, die Wahlkreisabgeordnete, der Landrat und die Bürgermeister sowie die Teams der betroffenen Fachabteilungen in regelmäßigen Stationstreffen und die Angehörigen betroffener Patientinnen und Patienten.“

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