Der „Horror“ und die Folgen

von Redaktion

Bergbauernladen in Aschau nach Brand vollständig zerstört – Besitzer schmieden Pläne

Aschau – Das rot-weiße Absperrband der Polizei weht leicht im Wind. Ein rußiger Brandgeruch liegt in der Luft. Vor dem völlig zerstörten Haus sind verbrannte Holzteile, heruntergefallene Trümmer einer Hausmauer und Reste eines Dachstuhls aufeinandergestapelt. „Das sieht schon wild aus“, sagt Sebastian Pertl, während er ungläubig auf die Stelle neben dem Aschauer Bahnhof blickt. Dort, wo einmal sein „Lebenswerk“ stand, ist nur noch eine verkohlte Ruine übrig. In der Nacht auf den 23. Oktober wurde der Bergbauernladen ein Raub der Flammen.

Polizei ermittelt
nach dem Feuer

Wie oft er in der vergangenen Woche hierhergekommen ist, kann Pertl, Geschäftsführer des Bergbauernladens, nicht sagen. Unzählige Male seien es gewesen. Gemeinsam mit Wolfgang Schwaiger, Marktleiter des kleinen Geschäfts, inspiziert er gerade eine Stelle am Zaun, der um die Überreste des Gebäudes aufgestellt wurde. „Hat sich da jemand verbotenerweise Zutritt verschafft?“, fragt Schwaiger und deutet auf ein kleines Loch zwischen den Gitterstäben. „Das waren bestimmt die Brandfahnder von der Kripo“, beruhigt ihn Pertl.

Nach wie vor ist die Polizei dabei, die Brandursache herauszufinden. Was bislang bekannt ist: Gegen vier Uhr muss im hinteren Teil des Hauses Feuer ausgebrochen sein. Bis die Feuerwehr vor Ort war, stand das Gebäude in Vollbrand. Womöglich nicht zufällig. Bereits am Tag danach gab es die Vermutung, dass es jemand vorsätzlich angezündet haben könnte, teilte die Polizei damals mit. Das werde auch nach wie vor geprüft, sagt Daniel Katz vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd auf OVB-Anfrage. „Fest steht das aber noch nicht, wir ermitteln in alle Richtungen.“

Keine Wut bei
den Betreibern

Selbst wenn Absicht dahinter steckte, Wut auf die Person verspürt Sebastian Pertl nicht. „Ich beschäftige mich kaum mit dem Gedanken, warum das jemand gemacht haben könnte. Das bringt nichts“, sagt der Geschäftsführer. Er sei in der Nacht noch während der Löscharbeiten von Bürgermeister Simon Frank informiert worden. Sofort habe er Wolfgang Schwaiger angerufen und ihm erklärt, dass der Laden brennt. Der habe es ihm zunächst gar nicht geglaubt. „Ich war überzeugt, dass der ‚Wast‘ übertreibt“, sagt Schwaiger, der seinen Hof in Tirol hat. Vom Großaufgebot der Einsatzkräfte und den ständigen Sirenen habe er nichts mitbekommen.

Fast alles wurde zum
Opfer der Flammen

Als die beiden gegen acht Uhr vor den brennenden Überresten standen, sei ihnen das Ausmaß der Zerstörung bewusst gewesen. „Es war schlimmer als angenommen, eine Katastrophe“, sagt der Österreicher. Darüber zu sprechen, fällt ihm nicht leicht. Immer wieder macht er kleine Pausen, schaut sich kopfschüttelnd um. Noch am Abend vor dem Brand sei er nach Hause gefahren und habe sich gedacht, dass der Bergbauernladen endlich so ausschaut, wie er sich das immer gewünscht habe. Auch der Umsatz und der Kundenstamm seien so gut wie noch nie gewesen.

Keine fünf Stunden später war davon nur noch Schutt und Asche übrig. „Es ist alles kaputt“, sagt Sebastian Pertl. Die Kühlanlagen, die Kasse, die EC-Geräte, das Inventar von Pfannen bis Käsemesser und die Lebensmittel. So ziemlich alles, was in den vergangenen 26 Jahren zusammengekommen ist. „Als Landwirt haben wir immer Angst, dass der Hof in Flammen aufgeht. Dass es jetzt den Bergbauernladen trifft, daran hatte ich nie einen Gedanken, das ist ein Horror“, sagt Pertl.

Gegründet und geöffnet wurde der Bergbauernladen 1999. Den Wunsch, dass regionale Produkte wie Brot, Käse oder Eier von den Höfen um Aschau herum direkt vor Ort gekauft werden können, gab es aber schon länger – bei den Bürgern, der Gemeinde und den Landwirten selbst. „Und so haben wir uns entschieden, einen zentralen Laden zu gründen und keinen Bauernmarkt, auf dem jeder seinen eigenen Stand hat“, erzählt Pertl.

Schnell sei die Wahl – nach einem Tipp der Gemeinde – auf das kleine Gebäude neben dem Bahnhof gefallen. „Das stand damals leer und war eher eine Ruine“, sagt Pertl. Die beteiligten Landwirte – inzwischen sind es elf Gesellschafter – richteten das Haus her und bauten es zu einem „schönen Laden“ um. Immer wieder habe man das Geschäft vergrößert – bis es neben dem Verkauf auch zu einem „sozialen Treffpunkt“ für viele Menschen wurde. „Da steckt viel Herzblut drin“, sagt Sebastian Pertl.

Viel Herzblut im Aufbau
des Ladens seit 1999

Das sei auch der Grund gewesen, warum nur wenige Stunden nach dem Feuer eine Entscheidung fiel: „Wir haben vor Ort noch gesagt, dass es auf jeden Fall weitergeht“, sagt Sebastian Pertl. Wie, sei völlig offen gewesen. Auch weil der Geschäftsführer zunächst von der Polizei befragt wurde. Wirklich begriffen habe er das aber nicht. „In dem Moment war ich so geflasht von den Ereignissen, man ist da wie im Tunnel und überlegt, worum man sich jetzt alles kümmern muss“, schildert er die ersten Stunden danach.

Nach der Befragung der Polizei traf auch Dr. Andrea Kohl, Vorsitzende des Fördervereins des Bergbauernladens, am Bahnhofsvorplatz ein. „Die Stimmung war gruslig“, erinnert sie sich. Zusammen mit Pertl, Schwaiger und den anderen Gesellschaftern seien dann die Köpfe zusammengesteckt worden. „Wir waren uns relativ schnell einig, dass wir schon am nächsten Tag wieder aufsperren“, sagt Wolfgang Schwaiger. Nach einem Gespräch mit dem Bürgermeister war eine Lösung da: ein leer stehender Raum im Bahnhofsgebäude. Innerhalb weniger Stunden sei der Raum geputzt und für den Verkauf hergerichtet worden. Tische wurden aufgestellt, Regale und Schränke aufgebaut und eine kleine Kühltheke organisiert. Bereits am Abend sei alles fertig gewesen.

Geschäft bis zum Frühjahr
im Bahnhof untergebracht

„Als Landwirt muss man ein gutes Notfallmanagement haben, nur deshalb hat es so gut funktioniert“, sagt Wolfgang Schwaiger, während er sich in dem provisorischen Verkaufsraum im Bahnhof umsieht. In einer Ecke haben die selbst gemachten Marmeladen ihren Platz gefunden, in der anderen ein kleiner Bereich für die Mitarbeiter und die Theke besteht größtenteils aus Bierbänken. Die Mühe sei es wert gewesen, sagt Sebastian Pertl. „Es kamen am Freitag, 24. Oktober, wirklich viele Kunden, teilweise standen sie bis zur Straße“, berichtet er. Einige hätten geweint, einige hätten dem Team gut zugesprochen oder sogar Geld gespendet. „Das war schon emotional.“

Der Bahnhofsraum soll trotzdem nicht die endgültige Heimat des Bergbauernladens bleiben. „Bis ins Frühjahr können wir jetzt mal hierbleiben“, sagt der Geschäftsführer. Wie es danach weitergeht, stehe noch in den Sternen. Das zerstörte Gebäude werde wohl nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen abgerissen. „Für danach gibt es die Überlegung, dass genau an der Stelle wieder ein neues Gebäude errichtet wird“, sagt Pertl.

Neuanfang womöglich mit
einem neuen Gebäude

Dazu gebe es bereits die ersten Gespräche. „Das wäre ein Neuanfang für uns. Auch weil wir bei der Gestaltung des Gebäudes mitreden könnten, damit es perfekt genutzt werden kann“, sagt Sebastian Pertl. Zum Beispiel könnten die Lagerflächen kleiner und der Verkaufsraum sowie das Büro größer gebaut werden. Bislang sei das aber nur ein Wunsch.

Sebastian Pertl hat allerdings noch einen zweiten Wunsch. „Vielleicht lassen sich zu unserem Neuanfang ein paar jüngere Mitstreiter finden, die mit uns den Weg weitergehen wollen“, sagt er. Dann vielleicht schon in einem neuen Zuhause.

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