Aschau – Fast fünf Monate wanderte Thomas Mayer (34) aus Aschau im Chiemgau durch Amerika. Nicht nur einmal traf er dabei auf wilde Tiere. Doch ausgerechnet der Biss eines Hundes wurde für ihn zum härtesten Rückschlag. Wieso der Aschauer die Strapazen auf sich nahm und welchen Traum er sich noch erfüllen will.
Mal eben ein paar Bären begegnen, unter freiem Himmel schlafen und morgens in gefrorene Schuhe schlüpfen. Für manch einen hört sich das nach einem Albtraum an, nicht aber für Thomas Mayer aus Aschau. Der 34-Jährige wanderte dieses Jahr den fast 5000 Kilometer langen „Continental Divide Trail“. Der Fernwanderweg führte Mayer quer durch Amerika, einmal von Süden nach Norden. Nächte ohne Dach über dem Kopf und Begegnungen mit wilden Tieren standen da auf der Tagesordnung.
„Am 18. April bin ich in New Mexiko gestartet, direkt an der Grenze zu Mexiko“, erzählt Mayer, der eigentlich in einem Aschauer Hotel als Hausmeister arbeitet. Um dorthin zu gelangen, musste er erst einmal einen Shuttle buchen, der extra für Wanderer angeboten wird. Mit einem Jeep seien er und einige andere zur Grenze gebracht worden.
Erster Abschnitt:
Wüste in New Mexiko
Die ersten 1000 Kilometer führten ihn durch die Wüste New Mexikos. „Am Anfang ist alles relativ flach. Dafür sind die Hitze und die Suche nach Schatten und Wasser aber herausfordernd“, betont der 34-Jährige. Die Suche nach Wasser sei insgesamt auf der ganzen Wanderung ein „Riesending“. „Bei Kuhtränken bin ich aber oft fündig geworden. Allerdings war das Wasser dort sehr algig“, erinnert sich Mayer und lacht. Das sei aber für ihn kein großes Problem gewesen, denn extra dafür hatte er sich einen Wasserfilter eingepackt. „Das Wasser presst man dann einfach durch. Bis jetzt hatte das immer gut funktioniert.“
Jeder Tag auf der Wanderung sei anders gewesen. „Es kommt immer darauf an, wo man ist“, betont Mayer. Je nach den Gegebenheiten habe man Wüste, Hochgebirge, sogar Schnee. „Die ersten Wochen habe ich einfach nur auf einer Isomatte im Schlafsack geschlafen. Unter freiem Himmel“, erzählt er. Obwohl der Weg durch einsame Gegenden führt, sei er selten wirklich alleine gewesen. „Tagsüber geht man alleine, aber zum Campen trifft man sich gelegentlich.“
Elche, Bären – und
ein gefährlicher Hund
Das kann beruhigend sein, wie er erzählt. „Wenn nachts ein Bär ums Zelt schleicht, ist es gut, zu wissen, dass irgendwo in der Nähe auch jemand anderes ist“, betont Mayer. Auf seiner Wanderung begegnete er mehr als einmal wilden Tieren, Elchen, Schwarzbären, Grizzlybären.
Vorab sei er darüber informiert worden, wie man sich am besten verhält, wenn plötzlich ein wildes Tier auftaucht. „Mit Schwarzbären redet man wie mit Hunden und ist laut“, erklärt Mayer. Grizzlybären versuche man, auf sich aufmerksam zu machen, bleibe aber ruhig. „In den Gebieten, in denen es Grizzlys gibt, hatte ich ein Bärenabwehrspray dabei“, sagt der Aschauer. Er habe es zwar nie benutzen müssen, sich aber damit deutlich sicherer gefühlt.
Am Ende war es ausgerechnet ein Hund, der ihn wirklich angriff. „Der gehörte anderen Wanderern, die auf dem Weg unterwegs waren“, erzählt Mayer. Der Hund rannte auf ihn zu, sprang ihn an und biss ihn ins Gesicht. „Das war ein Rückschlag“, sagt der 34-Jährige. Die ganze Wanderung sei mental schon schwer zu bewältigen.
In Colorado beispielsweise sah er sich mit Eis und Schnee konfrontiert, seine Ausrüstung war morgens regelmäßig eingefroren. Doch der Hundebiss sei besonders hart gewesen. „Ich musste Antibiotika nehmen. Aber durch dieses Ereignis wurde ich auch mental und körperlich stärker“, betont Mayer. „Man kämpft sich eben durch.“
Ohne Training
auf den Wanderweg?
Je mehr Kilometer der Aschauer zurückgelegt hatte, desto fitter wurde er. Vorbereitet habe sich Mayer allerdings nicht. „Ich bin vorher kaum was gegangen“, verrät er. Deshalb glaubt er, dass prinzipiell jeder den Fernwanderweg gehen kann. Um passende Ausrüstung habe er sich aber gekümmert und darum, dass er möglichst wenig Gepäck zu tragen hat. „Es hilft schon, wenn man nicht alles mitschleppen muss.“ Mayer selbst war mit etwa sechseinhalb Kilogramm unterwegs – Essen und Trinken nicht einberechnet.
Während er sich unterwegs an verschiedensten Wasserquellen versorgte, musste er deutlich mehr Aufwand betreiben, um an Nahrung zu gelangen. „Es dauert immer etwa vier oder fünf Tage, bis man wieder an eine Straße gelangt“, erzählt Mayer. Dort habe man dann die Chance, in die nächste Ortschaft zu trampen. „Dann duscht man, wäscht und versucht, alles zu kaufen, was man an Lebensmitteln benötigt“, erklärt der Aschauer.
Eltern stehen
hinter dem Vorhaben
Die Menschen dort seien an Wanderer gewöhnt und immer hilfsbereit und nett gewesen. „Die wissen einfach, dass man Hilfe braucht.“ Dennoch sind die Wanderer auf dem Continental Divide Trail auf sich alleine gestellt. Einzig über ein sogenanntes Satelliten-Telefon hielt Mayer Kontakt mit der Familie. „Das Telefon hat meinen Standort getrackt. Auch Nachrichten schreiben konnte ich damit“, erklärt der Aschauer.
Seine Eltern standen bei dem Vorhaben komplett hinter ihm, wie er selbst sagt. „Sie meinten zu mir: ‚Wenn nicht jetzt, wann dann?‘“, so Mayer. Genau das habe er sich selbst auch gedacht. Er findet, dass jeder versuchen sollte, seine Ziele zu verfolgen und zu erreichen. „Irgendwann ist es sonst zu spät“, betont er.
Mayers Ziel war es allerdings nicht, die Wanderung so schnell wie möglich abzuschließen. „Es gibt Wanderer, die gehen den Trail auf Zeit“, erzählt er. Für ihn sei es mehr darum gegangen, in der Natur zu sein und nach Kanada zu kommen. „Ein bisschen Zeitdruck hat man natürlich, damit man vor dem Herbst ankommt.“ Der Aschauer empfindet die Wanderung auf dem Trail einerseits als Herausforderung für den Körper, andererseits habe er dadurch ein wenig zu sich selbst finden wollen.
Die „Triple Crown“
ist das Ziel
Genau 148 Tage später, am 12. September, war Mayer am Ziel: der Grenze zu Kanada. Für ihn war es nicht die erste große Wanderung. „2018 bin ich schon den ‚Pacific Crest Trail‘ gegangen“, erzählt er. Dieser führte ihn etwas mehr als 4000 Kilometer entlang der Westküste Amerikas.
„Insgesamt gibt es drei solcher Trails“, sagt Mayer. Den dritten will er auch noch gehen. Um dann die sogenannte „Triple Crown“ zu erhalten, die jedem gebührt, der alle drei Fernwanderwege erfolgreich geschafft hat.