Hemhof – „50 Minuten Verspätung“, lautet die lapidare Antwort von Bahnhofsvorsteher und Ticketverkäufer Schorsch Brandl (Hans Söldner) fast zu jedem, der vom kleinen Regionalbahnhof einen Zug nehmen will, aber dann warten muss. Das sind im neuen Theaterstück der Hemhofer Laienbühne viele und so trifft sich ein kleiner Kosmos an Menschen im Wartebereich, deren heimliche Herrscher Brandl und Kioskbesitzerin Grete Lachauer (Heidi Blank)) sind. Doch ihr ländliches Paradies ist von Schließung bedroht.
Mikrokosmos
in der Wartehalle
Dem „Mikrokosmos“ Regionalbahnhof hat sich die Hemhofer Laienbühne in ihrem Winterstück gewidmet und mit einem perfekten Bühnenbild (Ralf Oelschlegel, Ralf Korten, Franz Kriechbaum, Florian Ziegler, Florian Trautinger) die Komödie in drei Akten von Ulla Kling hervorragend in Szene gesetzt. Christine Lechner und Valli Ziegler, die beiden Regisseurinnen, erklärten vor der Premiere im ausverkauften Turnsaal der Grundschule Stefanskirchen, dass es auch für sie beide in dieser Kombination eine Premiere sei.
Mit dem Ehepaar Schöffler betreten auch schon die ersten Reisewilligen den Wartebereich und Darsteller Konrad und Christine Blank sind sich zumindest in ihrer Uneinigkeit einig. Angefangen von der Menge des benötigten Gepäcks, über das Reiseziel bis hin zu den angebotenen Snacks und Zeitschriften, um die Wartezeit zu überbrücken. Da sorgt auch die milde Beschwichtigung von Brandl nichts, dass „unsere Verspätungen immer pünktlich sind“.
Der nächste im Reigen ist ein gestresster Unternehmensberater (Ludwig Kriechbaum), dessen Auto liegengeblieben ist und bei dem es „um Leben und Tod“ geht. Brandl wie Lachauer, kümmern sich menschlich und fast liebevoll um die „Gestrandeten“, sind immer mit gutem Rat, ebensolcher Tat und mit leiblicher Stärkung zur Stelle. Dabei werden sie von Hedi Brandl (Tatjana Hirzinger) unterstützt, die sich nicht nur um das Wohlergehen ihres Onkels sorgt. Nach und nach trifft eine bunte Schar an Reisenden ein, ein getürmtes Brautpaar auf der „Flucht“. Heiner (Philipp Arenz) und Hanni (Katharina Hölz) sind vor ihrer eigenen Hochzeitsgesellschaft davongelaufen, allerdings nicht ohne alle Umschläge mitzunehmen. Beim möglichen Reiseziel weiß Kioskbesitzerin Lachauer Rat, ist die Stadt der Liebe Venedig auch ihr erklärtes Ziel.
Das Publikum ahnt schnell, dass ihre Ankündigungen beim eigentlichen Adressaten anfangs ihre Wirkung total verfehlen. Denn die kleine Oase der Menschlichkeit zwischen den Gleisen ist bedroht von der Schließung und ängstlich wird Robert Freitag (Josef Lex) von der BezirksDirektion erwartet.
Doch zuvor offenbart die nächste Verspätung und die damit einhergehende Zwangspause, dass die Trauer eines Geschwisterpaares um den verstorbenen Onkel rasant schnell vom Ärger über das Testament abgelöst wird. Während Thomas (Josef Kriechbaum) hinsichtlich der wenigen Besuche am Krankenbett noch ein schlechtes Gewissen hat, hat da seine Schwester Lotte (Christine Wildgruber) weniger Skrupel. Die Gegensätze wechseln sich im Bahnhof ab und kaum gegensätzlicher könnte das Ehepaar mit der erwachsenen Tochter kaum sein. Während Vater Franz (Rupert Rotter) seine Tochter (Cornelia Hell) zwecks deren Umzugswunsch nach Hamburg zum Freund reisen lassen will, fällt Mutter Elsa (Mechthild Mitterer) jede mögliche Schauergeschichte zur Elbmetropole ein. Zu guter Letzt findet dann auch noch ein Bauer (Florian Trautinger) mit seiner Gans auf dem Weg zum Schwager in den Bahnhof.
Wer wegfährt,
kommt auch wieder
Doch wer wegfährt, der kommt auch wieder und so treffen nach und nach die Reisenden wieder im Bahnhof ein und berichten von ihren Erfahrungen. Doch das Damokles-Schwert der Stilllegung schwebt nach wie vor über dem Bahnhof …. Das Premierenpublikum war begeistert vom neuen Stück, bei dem Anna Waldleitner und Bernadette Zahler als Souffleusen und viele Theaterbegeisterte hinter den Kulissen wirken.