Brustkrebs – Neue Anlaufstelle für Betroffene

von Redaktion

Vier Chemos und 25 Bestrahlungen später: Bernauerin (72) besiegt die Krankheit und hilft seitdem anderen Frauen

Raubling – Eva Bauer ist Anfang 40, als sie die Diagnose Brustkrebs bekommt. Von einem Tag auf den anderen wird ihr Leben von der Krankheit bestimmt. Es folgen Untersuchungen und Arztgespräche, vier Chemotherapien und 25 Bestrahlungen. Ärzte mussten ihre rechte Brust entfernen und alle Lymphknoten unter der Achsel. Die körperlichen Schmerzen sind groß, die psychische Belastung zum Teil noch größer.

Fertigung von 18,5
Millionen Brustprothesen

Seitdem trägt die heute 72-Jährige eine Brustprothese und Prothesen-BHs. Eva Bauer geht offen mit ihrer Erkrankung um. Seit 1993 arbeitet sie als Model für die Firma „amoena“ in Raubling – dem Weltmarktführer für Brustprothesen. Seit der Gründung vor 50 Jahren hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge über 18,5 Millionen Brustprothesen sowie mehr als 36 Millionen Spezialtextilien wie Lingerie und Bademode gefertigt.

Seit über 40 Jahren
als Physio tätig

Neben ihrer Tätigkeit als Model ist Eva Bauer seit über 40 Jahren als Physiotherapeutin tätig. Durch ihren Schwerpunkt in der Psychosomatik und Orthopädie hat sie auch immer wieder mit anderen Betroffenen zu tun. In diesen Gesprächen habe sie schon des Öfteren feststellen müssen, dass viele nicht wissen, wie es nach einer Brustkrebsoperation weitergeht, wer die Kosten für die Versorgung übernimmt, welche Möglichkeiten es gibt oder welche Hilfsmittel einer Betroffenen zustehen. Über die Jahre sei so die Idee entstanden, einen Ort zu schaffen, an dem es Antworten, Beratung und die passende Versorgung gibt. Gemeinsam mit Mitarbeitern der Firma „amoena“ wurde aus der Idee eines Sanitätshauses nun Realität. „Mit der Eröffnung des Sanitätshauses ‚amoCura‘ sollen betroffene Frauen am Unternehmensstandort noch direkter und persönlicher begleitet werden – mit individueller Beratung, hoher Fachkompetenz und langjähriger Erfahrung“, sagt Christina Kaffl. Sie ist unter anderem als Medizinproduktberaterin und Seminarleiterin bei „amoena“ tätig.

Antworten, Beratung und passende Versorgung

Das neue Sanitätshaus wird in Raubling eröffnet und bietet neben zahlreichen Parkmöglichkeiten auch eine umfangreiche Produktauswahl. „Wir haben vor Ort direkten Zugriff auf ein Herstellerlager. Ausverkaufte Produkte oder fehlende Größen sind somit kein Thema“, ergänzt Christina Kaffl. Daran, dass es ein Sanitätshaus speziell für das Thema Brustversorgung braucht, hat auch Eva Bauer keinen Zweifel. „Viele bestehende Sanitätshäuser sind nicht auf Brustkrebs-Patientinnen spezialisiert“, sagt sie. Das würde zum einen dazu führen, dass es nur eine kleine Auswahl an Produkten gibt, und zum anderen dazu, dass der geschützte Rahmen fehlt. „Da kann es schon mal vorkommen, dass man neben jemandem steht, der gerade Schuheinlagen abholt, während man erzählen muss, dass einem gerade eine Brust abgenommen wurde“, sagt Bauer.

Um solche Situationen zu vermeiden, sollen die Frauen zukünftig eine Anlaufstelle in Raubling finden. Nicht nur haben sie mit Eva Bauer jemanden, der genau weiß, was sie durchmachen, auch wird Privatsphäre großgeschrieben. „Bei uns kann man nicht einfach ein- und ausgehen, sondern muss einen Termin buchen“, erklärt Bauer.

Prothesen nach
Voll- oder Teiloperation

In einem geschützten Raum haben Betroffene die Möglichkeit, Prothesen, Textilien und Accessoires in die Hand zu nehmen und fachgerecht versorgt zu werden. Sie können Fragen stellen, Sorgen äußern und sich individuell beraten lassen. Neben Prothesen nach Voll- oder Teiloperation und den zugehörigen Spezial-BHs werden auch Kompressions-BHs angeboten, die den Heilungsprozess direkt nach der Operation unterstützen.

Eröffnung am
morgigen Donnerstag

Weil sich nach der Operation zudem bei vielen Frauen ein Lymphödem entwickelt, liegt der Fokus im neuen Sanitätshaus laut Eva Bauer auch auf der Lymphversorgung für Brust- und Thoraxbereich. Die Eröffnung ist für Donnerstag, 20. November, geplant. Termine können online über die Website vereinbart werden. Alternativ ist das Team auch per Telefon oder E-Mail erreichbar.

Dass Anlaufstellen für Brustkrebs-Patienten immer wichtiger werden, zeigt ein Blick auf die Zahlen. „In Deutschland erkrankt jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs“, sagt Privatdozent Dr. Andreas Schnelzer, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Rosenheimer Romed-Klinikum. Das sind pro Jahr circa 75.000 Frauen – und 700 Männer. Die Neuerkrankungen hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

Angebot für kostenlose
Mammografie-Screenings

„Das liegt auch an den eingeführten Vorsorgeuntersuchungen“, sagt Schnelzer. So wurde zwischen 2005 und 2009 das Deutsche Mammografie-Screening eingeführt. Dieses ist seit 2009 flächendeckend für die Altersgruppe von 50 bis 69 Jahren verfügbar. Seit dem 1. Juli 2024 sind auch Frauen zwischen 70 und 75 Jahren zum kostenlosen Mammografie-Screening eingeladen. „Im Rahmen der Einführung des Screening-Programms kam es zu einem deutlichen Anstieg der diagnostizierten Neuerkrankungen“, erklärt der Chefarzt.

Zahl der Krebsopfer
kontinuierlich rückläufig

Die gute Nachricht: „Während die Neuerkrankungsraten seither in der Gesamtbevölkerung stabil geblieben sind, ist die Anzahl der Patienten, die an Brustkrebs versterben, kontinuierlich rückläufig“, sagt Schnelzer. Er erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass das Risiko, an Krebs zu erkranken, im Alter zunimmt. „In der Altersgruppe von 50 bis 65 Jahren, aber auch vor dem 50. Lebensjahr, scheinen in den letzten Jahren Neuerkrankungen etwas überproportional häufiger diagnostiziert zu werden“, erklärt der Experte.

Eigene Brust und
Achselhöhlen untersuchen

Er rät dazu, regelmäßig die eigene Brust und die Achselhöhlen zu untersuchen. „Verformungen oder Einziehungen der Brust beim Heben der Arme vor dem Spiegel oder auch Veränderungen der Haut oder Austritt von blutigem Sekret aus der Brustwarze sind ebenfalls verdächtig“, sagt er. Die Selbstuntersuchung ersetze jedoch nicht die ärztliche Vorsorge.

In Deutschland haben dem Experten zufolge alle Frauen ab 30 Jahren einen Anspruch, bei der jährlichen gynäkologischen Krebsvorsorge beim Frauenarzt auch die Brust und die umliegenden Lymphknoten abtasten zu lassen. „Dieses Angebot sollte unbedingt wahrgenommen werden“, fügt er hinzu.

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