Bad Endorf – Ein gebrochener Arm, Depressionen oder die Zeit im Wochenbett: Wenn in Familien ein Elternteil krank oder „außer Gefecht“ ist, bringt das das fragile Gleichgewicht schnell zum Wanken. Plötzlich steht man vor ganz neuen Herausforderungen. Wer versorgt die Kinder, wer macht den Haushalt und wer geht einkaufen? In Fällen wie diesen müssen Mütter und Väter nicht allein sein. Das macht Julia Sander von der „Mamahilfe – Mütter für Mütter“ aus Bad Endorf deutlich.
Hilfe für Mütter
in der Region
Circa 150 „Mamahelferinnen“ hat Sanders Organisation inzwischen ausgebildet. Angefangen hat alles im Jahr 2018. „Wir hatten ein kleines Netzwerk aus Fachkräften, die mit Familien gearbeitet haben“, erzählt Sander im OVB-Gespräch. Sie selbst war damals schon Mütterpflegerin und hatte in Gesprächen mit Freunden und Bekannten bemerkt, dass das Interesse an dieser Tätigkeit recht groß ist. „Viele haben gesagt, wie toll das ist, und dass sie das auch gerne machen würden“, erzählt sie. „Und da ist dann ganz spontan die Idee entstanden, eine kleine, kompakte Ausbildung anzubieten.“
Zunächst war geplant, das Ganze nur auf ehrenamtlicher Basis anzubieten. Letztlich haben sich aber Türen zur Krankenkasse geöffnet – und so können die „Mamahilfen“ nun auch mit der Krankenkasse abrechnen. Denn: „Wenn eine Mutter krank ist, kann der Arzt das attestieren. Dann kann man einen Antrag auf Haushaltshilfe stellen, die von der Krankenkasse finanziert wird“, erklärt Sanders.
Die ausgebildeten Helferinnen sind bunt gemischt. Zum einen sind das junge Frauen, die selbst noch keine eigenen Kinder haben, aber mit vielen Geschwistern aufgewachsen sind, erklärt die Gründerin. Zum anderen seien die Helferinnen auch ältere Frauen, deren Kinder bereits aus dem Haus sind. Während Sanders Organisation anfangs nur lokal agierte, wurde die Ausbildung zur „Mamahilfe“ aufgrund der Corona-Pandemie später auch online angeboten.
Die Helferinnen kommen dann zum Einsatz, wenn sich die Familie in einer Ausnahmesituation befindet. Neben dem Wochenbett oder Verletzungen, wie etwa Knochenbrüchen, kommen die Helferinnen auch bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen zu den Familien nach Hause. Dabei entlasten sie nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter. Die Hürde, sich überhaupt Hilfe zu holen, sei aber dennoch groß, berichtet Sander. Dazu trage auch Social Media bei. „Auf Instagram haben die Mamas ja auch keine Probleme. Das vermittelt ein komplett falsches Bild“, sagt sie. „Manche schämen sich richtig, wenn sie um Hilfe bitten“, bedauert Sander. Sie weiß: „Oft muss es erst krachen, bis es gar nicht mehr anders geht.“ Dabei könne sich das Gesundheitssystem viel sparen, wenn man schon frühzeitig Familien unterstützt.
Nun unterstützen die Mamahilfen bisher also Mütter, die die Hilfe von der Krankenkasse bezahlt bekommen. „Dieses Jahr sind wir aber wieder zu unserem Ursprungsgedanken zurückgegangen und werden demnächst Ehrenamtliche ausbilden.“ So könnten dann auch die Mütter Hilfe erhalten, die bei den Kassen durchs Raster fallen. Also beispielsweise Frauen, die chronisch krank sind. „Ich hoffe, wir finden noch einige Ehrenamtliche, die sich das vorstellen können“, sagt Sander.
Auszeit und
Netzwerk für Mamas
Neben der Mamahilfe bietet „Mütter für Mütter“ aber auch noch weitere Hilfen für Familien an. Dazu gehört auch das Familiendorf. Dabei handelt es sich nicht um ein Dorf, wie man es sich vorstellt, sondern vielmehr um die Vision eines Familiennetzwerks, in dem sich Menschen gegenseitig unterstützen und über lokale Whatsapp-Gruppen vernetzen. Zudem bietet Sander mit ihrem Team Auszeiten für Mütter von schwerstkranken Kindern an. „Das Ganze wird größtenteils über Spenden und Fördermittel bezahlt“, erklärt Sander. „Die Mütter werden von uns rundherum umsorgt“, berichtet sie. Das Ziel: Erholung, Energie gewinnen und für sich selbst sorgen. „Eine Mama kam mal zum Frühstück und hat zu mir gesagt: ‚Ich habe seit sieben Jahren die erste Nacht durchgeschlafen.‘“ Wie wichtig und wertvoll das Angebot ist, zeigen auch die Zahlen. „Wir haben eine Warteliste von 100 Frauen“, sagt Sander.