Prutting – Braucht ein Dorf mit rund 3000 Einwohnern einen Baukulturpreis? In Prutting ist man der Meinung: eindeutig ja. Und warum, das war zu erfahren, als der Preis kürzlich zum ersten Mal verliehen wurde.
Am Anfang, so erläuterte da Bürgermeister Johannes Thusbaß sei ein Vortrag von Rupert Seeholzer, dem Kreisbaumeister des Landkreises gestanden. Seeholzer habe an Beispielen gezeigt, wo im Landkreis Bauen vorbildlich gelungen sei und wo gründlich danebengegangen. „Wir vom Gemeinderat haben danach tatsächlich auch unser Dorf mit anderen, neuen Augen gesehen. Uns war klar geworden, wie sehr man gelungenes oder misslungenes Bauen aufnimmt: unbewusst, natürlich, aber doch als ein Eindruck, der etwas macht mit einem.“
Positive Beispiele
herausstellen
Der Gemeinderat habe daraufhin bei einer seiner Klausuren auch dieses Thema behandelt und beschlossen, ihm mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Klar sei dabei bald gewesen, dass es weniger darum gehen könne, schlechte Baubeispiele anzuprangern. Negatives gäbe es in unserer Welt schon genug, Ziel sollte es deshalb sein, schönes und wirklich gelungenes als positives Beispiel herauszustellen.
Von da an war der Weg zu einem Baukulturpreis nicht mehr weit und der erste Pruttinger Preisträger ist das Ü60-Wohnen in der Dorfmitte. Wer jetzt denken sollte, „Na klar, da haben sie sich selbst gelobt“ tut dem Gemeinderat und der siebenköpfigen Jury unrecht. Denn jede und jeder aus Prutting hatte mehrere Monate Zeit, um Vorschläge auszureichen. Und die Bewertung der sieben Vorschläge, die man erhalten hatte, war für die Jury alles andere als leicht, so Johannes Thusbaß, der als Bürgermeister dazugehörte.
Warum die Wahl dann auf das Ü60-Wohnen gefallen war, konnte man der kurzen Laudatio entnehmen, die Kreisbaumeister Seehofer bei der Preisverleihung hielt. Er habe vor geraumer Zeit einmal das damals noch leerstehende Pruttinger Wirtshaus fotografiert, als Beispiel für einen schönen historischen Bau. Und sei dabei gegenüber auf jener Brachfläche gestanden, auf der heute das Ü60- Wohnen steht. „Und diese leere Fläche empfand ich als wirklich störend“, so Seeholzer. „Mir fehlte ein Bau, der zu dem durchaus großen Baukörper des Wirtshauses das angemessene Gegengewicht bildet. Mit einem solchen Duett, davon war ich schon damals überzeugt, würde das Ortszentrum einen richtigen Eingangsauftritt bekommen.“
Dass dem nun tatsächlich so sei, sei vielen guten Planungsentscheidungen zu verdanken, so der Kreisbaumeister weiter. Der Bau füge sich in seiner Kubatur und deren Ausgestaltung aber auch in seiner Fassadengestaltung wirklich harmonisch ein. Doch für Rupert Seeholzer gehört zu geglücktem Bauen nicht nur die äußere Gestaltung. Wichtig sei auch die Funktion des Bauwerkes. Und hier sei es das Verdienst des Gemeinderats, für das Pruttinger Seniorenheim an einem Standort mitten im Ort festgehalten zu haben. Die älteren Mitbürger nicht irgendwo an den Rand der Gemeinde zu schieben, sondern sie mitten ins Dorfgeschehen zu holen – das war nicht nur der Wunsch von Altbürgermeister Hans Loy gewesen, auch sein Nachfolger Johannes Thusbaß und der gesamte Gemeinderat hatten an dieser Maxime festgehalten.
Die „Sonnenseite“
geht nach Norden
Und hier komme, so betonte Rupert Seeholzer, dann wieder wirklich geglücktes Bauen ins Spiel, das auch den Bauherren, Stefan Mayer und Theresa Mayer-Baumann zu verdanken sei: Man habe bei der Planung erkannt, dass die „Sonnenseite“ der Anlage hier nicht im Süden liege, denn dort befindet sich die Staatsstraße. Sondern Richtung Nordwest und Norden, mit dem malerischen Blick auf das Mösl und die dahinterliegende Kirche.
Das Ü60-Wohnen, so sah es die Jury, ist ein verdienter erster Preisträger des Pruttinger Baukulturpreises. Weil es hier nicht nur um einen Baukörper gehe, der als gelungenes Gegenüber des Wirthauses eine entscheidende dorfgestaltende Funktion habe. Sondern auch, weil dem Bau auch darüber hinaus Bedeutung zukomme, und das sogar über Prutting hinaus: Wie es gelingen kann, ältere Mitbürger mitten in das Dorf zu holen und diesen damit zu einem Ort zu machen, in dem sich Jung und Alt ganz natürlich begegnen können.