Bad Endorf – „Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, denn sie könnten wahr werden“, so heißt ein alter Spruch. Und nicht wenige Gemeinderatsgremien in ganz Bayern stellen derzeit fest, dass da etwas dran ist. Es geht dabei um den sogenannten „Bauturbo“, der seit Ende Oktober Gesetzeskraft hat. Er soll die Errichtung neuen Wohnraums einfacher und damit schneller machen.
Wohnungsbau
wird erleichtert
Einfacher, weil die einmal festgelegte Bauleitplanung nun kein eng geschnürtes Korsett mehr ist, aus dem die Gemeinderatsgremien keinen Millimeter heraus können. Denn über die Maßgaben der Bebauungspläne können sich die Gremien jetzt in Einzelfällen durch Mehrheitsbeschluss gewissermaßen hinwegsetzen. Bislang war die einzige Möglichkeit, an den festgelegten Vorgaben vorbeizukommen, eine neue Überplanung des Bebauungsplans – ein Verfahren, das jede Menge Zeit und auch gutes Geld kostete.
Auch in den Gemeindebereichen, für die kein Bebauungsplan existiert, kann Wohnungsbau nun einfacher werden. Bislang musste sich ein geplantes Objekt „nach Art und Maß“ in seine Umgebung einfügen, wofür strenge Kriterien festgelegt waren. Über die konnte sich eine Gemeinde zwar hinwegsetzen, indem sie ihr „gemeindliches Einvernehmen“ aussprach. In der Praxis aber legte die eigentliche Genehmigungsstelle, das Landratsamt, nicht selten ihr Veto ein: Das Einfügegebot galt eben als hohes Gut.
Vor welch veränderter Situation man durch den Bauturbo steht, sah jüngst auch der Bad Endorfer Gemeinderat. Da hatte bei einem Bauvorhaben das Landratsamt – anders als die Gemeinde – das Einfügegebot nicht als verwirklicht angesehen. Anstatt nun den Gemeinderatsbeschluss einfach zu ersetzen, verwies das Landratsamt den Fall zurück an die Gemeinde, mit dem ausdrücklichen Hinweis, ihn aufgrund des Bauturbo-Gesetzes noch einmal zu überprüfen. Stark vereinfacht, aber auf gut Deutsch gesagt: Wenn ihr uns belegt, warum ihr dafür seid und glaubt, dass sich das Gebäude an dieser Stelle doch einfügt, dann haben wir dem nichts mehr entgegenzusetzen.
Und Bürgermeister Alois Loferer sieht gerade in diesem „wenn ihr uns belegt“ ebenso viel Herausforderung wie auch noch einstweilige Unsicherheit. Herausforderung, weil es in Zukunft Aufgabe des Ratsgremiums sein wird, all jene Punkte abzuklären, die der Verwirklichung eines Bauprojektes entgegenstehen könnten. Nicht umsonst sind bei Bebauungsplänen ja die „Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange“ ein entscheidender Bestandteil des Verfahrens. Abzuklären, ob etwa vonseiten des Naturschutzes Einwände vorliegen, ob im Sinne des Nachbarschutzes Auflagen nötig sind – all das muss jetzt der Gemeinderat selbst bei seinen künftigen „Bauturbo-Entscheidungen“ dokumentierbar berücksichtigt haben: Nur dann sind sie wasserdicht, egal ob man sich bei den Entscheidungen über Festlegungen eines Bebauungsplans hinwegsetzt oder ohne Bebauungsplan beurteilt, ob sich ein Bau „nach Art und Maß“ in seine Umgebung einfügt.
Bislang kaum
Präzedenzfälle
Einstweilige Unsicherheit herrscht dabei deswegen, weil der Bauturbo ein noch so junges Gesetz ist, dass es dazu noch keine einschlägigen Gerichtsurteile geben kann: Urteile, die sozusagen an Beispielen eindeutig festlegen, wie eine angemessene Berücksichtigung und Beurteilung „nachbarlicher Interessen“ und „öffentlicher Belange“ auszusehen hat. Bis dahin bleiben deshalb die Entscheidungen der Gemeinderäte im Rahmen des Bauturbos gewissermaßen Versuchsballone: erste Schritte in einem Prozess, in dem sich erst allmählich eine alltagstaugliche Behandlungspraxis entwickeln wird.
Schon jetzt aber ist klar: Der Bauturbo gibt den Gemeinderäten nicht nur ein Mehr an langersehnter Freiheit in Bausachen. Ihnen wird auch deutlich mehr Verantwortung übertragen. Denn auch wenn der Bauturbo gedacht ist als eine Erweiterung des Entscheidungsspielraums bei Einzelfällen: Aufs Ganze gesehen, so Loferer, sind es auch solche Einzelentscheidungen, die in der Summe erhebliche städtebauliche Wirkung haben können.