Bundestagswahl: Stellungnahmen der Rosenheimer Kandidaten

Enttäuschung und Schock – Freude und Triumphgefühle

von Redaktion

Die Direktkandidaten in der Region Rosenheim haben gestern Abend eine erste Analyse der Bundestagswahl vollzogen. Hier die Stellungnahmen.

Daniela Ludwig (42 Jahre, CSU), Kolbermoor: „Es gibt einen klaren Auftrag für mich, weiterzumachen“, sagt Ludwig. Ihr Abstand bei den Erststimmen ist nach wie vor deutlich gegenüber den Mitbewerbern. Trotzdem hat sie das schlechteste Ergebnis ihrer politischen Karriere zu verdauen. „Dass ich mich vom Landestrend nicht abkoppeln kann, liegt jedoch auf der Hand“, erklärt Ludwig. Ihr Wahlbezirk, die Region Rosenheim, sei außerdem von den Problemen rund um die Flüchtlingspolitik am stärksten betroffen gewesen.

Dass das CSU-Ergebnis in Bayern so dramatische Verluste aufzeigen würde, damit hat sie nach eigenen Angaben trotz deutlich zu spürender Unzufriedenheit vieler Wähler nicht gerechnet. Jetzt heiße es, inhaltlich und strategisch genau hinzuschauen und zu analysieren, wo Fehler gemacht worden seien – „und wo wir Leute nicht abgeholt und wo wir nicht konsequent und glaubhaft genug waren“. Ein Jahr vor der Landtagswahl könne ein Minus von zehn Prozent in Bayern nicht als Betriebsunfall gewertet werden, warnt Ludwig. „Es ist ein Schlag ins Kontor von uns als Volkspartei, dass für viele Wähler rechts von uns noch eine Partei akzeptabel ist“, findet sie.

Abuzar Erdogan (23, SPD), Rosenheim: „Das ist ein bitteres Ergebnis“, zog Erdogan Bilanz zu den dramatischen Verlusten der SPD. Auch er hat persönlich schlechter abgeschnitten im Wahlkreis als 2013. Gemessen an den Umständen sei das Ergebnis für ihn jedoch okay, so Erdogan. Trotzdem war ihm deutlich anzumerken, dass er das schlechte Abschneiden seiner Partei bei den Zweitstimmen nicht verstehen kann. „Wir haben doch in der Großen Koalition einiges umsetzen können – etwa beim Mindestlohn“, findet er. Auch im Wahlkampf habe sich die SPD für Themen der sozialen Gerechtigkeit eingesetzt – jedoch ohne Erfolg. Gezogen hätten dagegen anscheinend nur Themen der Flüchtlingspolitik. Hier seien Fehler gemacht worden, der Frust vieler Wähler habe die Volksparteien hart getroffen.

Dass die AfD im Wahlkreis Rosenheim zweitstärkste Kraft geworden ist, bewertet Erdogan als „schockierend“. „Dass eine Partei, die so offen ihr rassistisches und rechtes Gesicht zeigt, so viel Zuspruch erhält, ist gefährlich.“ Die Region Rosenheim habe jedoch schon in den 80er Jahren gezeigt, dass sie strukturell empfänglich für rechte Parteien sei, bedauert Erdogan. „Jetzt erst recht“, bemüht er sich darum, den politischen Kampfeswillen trotz der herben SPD-Verluste aufrecht zu erhalten.

Korbinian Gall (25, Grüne), Neubeuern: „Ein solider Erfolg“, findet Gall. Er habe sich zwar persönlich das Ziel gesetzt gehabt, bei den Erststimmen ein zweistelliges Ergebnis zu erreichen, sei jedoch mit der Tatsache, dass er knapp darunter gelegen habe, zufrieden. In den nun folgenden Koalitionsverhandlungen sei es die wichtigste Aufgabe der Grünen, Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung zu zeigen und gleichzeitig nicht Abstand von den eigenen politischen Idealen zu nehmen. Die Regierung in Schleswig-Holstein zeige, dass es auch in einer Jamaika-Koalition gelingen könne, eine grüne Handschrift zu zeigen.

Das Erstarken der AfD wundert Gall nicht. „Die Region Rosenheim ist bekannt dafür, dass es hier starke rechte Strukturen gibt. Die AfD ist eine Partei, die dies aufgefangen hat.“ Für ihn sei das Ergebnis der AfD in der Region ein Ansporn dafür, „weiter für eine pluralistische Gesellschaft zu kämpfen“.

Michael Linnerer (37, FDP), Raubling: „Super Sache“, so lautete gestern das erste Fazit von Linnerer. Als politischer Neueinsteiger freue er sich sehr über sein gutes Ergebnis von etwa sieben Prozent der Erststimmen. Auch in Rosenheim habe seine Partei bei den Zweitstimmen das Ergebnis verdoppelt. Der Wiedereinstieg in den Bundestag sei Ausdruck dafür, dass die liberale, bürgerliche Mitte gefehlt habe. Viele Wähler hätten angesichts des Linksrucks der Regierung wieder zur FDP zurückgefunden. Spannend werden nach Überzeugung von Linnerer jetzt die Verhandlungen über eine mögliche Jamaika-Koalition. „Um diese Aufgabe beneide ich meine Kollegen, die in den Bundestag einziehen werden, nicht.“ Richtung CDU/CSU seien Einigungen möglich, mit den Grünen jedoch nur schwer. „Das wird ein harter Weg“, bedauert Linnerer, der jedoch darauf hinweist, dass es bei den Grünen auch Politiker wie Winfried Kretschmann gibt, „die nicht so ideologiegetrieben sind“.

Andreas Winhart (34, AfD), Bad Aibling: „Bestens“ war gestern die Stimmung beim „überglücklichen“ Winhart. Anfangs habe niemand mit einem solch hervorragenden Ergebnis in der Region Rosenheim mit Platz zwei bei den Erst- und Zweitstimmen gerechnet. Doch die Partei habe sich extrem reingehängt, über 100 Personen hätten sich im Laufe der Wochen bereit erklärt, beim Wahlkampf zu helfen, es habe viel positive Rückmeldung aus der Bevölkerung gegeben. Bezahlt gemacht habe sich außerdem die Tatsache, dass die AfD in Rosenheim nicht nur als Parolenverbreiter in puncto Flüchtlingspolitik aufgetreten sei, sondern auch regionale Themen wie den Brennerbasistunnel und den sozialen Wohnungsbau aufgegriffen habe. Das Pfeifkonzert beim Merkel-Auftritt, von dem sich die Partei nach wie vor deutlich distanziere, habe der AfD sogar ein paar Prozente gekostet, ist Winhart überzeugt. Jetzt gelte es, das Jahr bis zur Landtagswahl in Bayern zu nutzen, um auch hier ein solch gutes Ergebnis zu erreichen.

Sebastian Misselhorn (19, Linke), Edling: Das in den Augen von Sebastian Misselhorn „sehr gute Ergebnis“ der Linken in Rosenheim und auch in Bayern ist „ein klares Signal, dass sich auch viele Bürger im Wahlkreis mehr soziale Gerechtigkeit wünschen“. Besorgniserregend sei leider die hohe Prozentzahl an AfD-Wählern. Dies zeige die größer gewordene Unzufriedenheit vieler mit den aktuellen Verhältnissen. „Nun gilt es aufzuzeigen, dass rechte Hetze und ein stärker neoliberaler Kurs keine wahre Alternative sind.“