Rosenheim – Das etwas größere Weibchen – wie so oft bei den Greifvögeln – bringt es auf eine stattliche Flügel-Spannweite von 1,80 Metern und ist somit größer als Bussard und Fischadler. Männchen und Weibchen sind im Gefieder gleich und – wenn überhaupt – nicht sehr deutlich an der Größe zu unterscheiden, außer sie sitzen direkt nebeneinander.
Ein Weibchen bringt es im Schnitt auf ein Gewicht von 1,1 Kilo, ein Männchen wiegt etwa zehn Prozent weniger. Die vorherrschende Farbe des Roten Milan ist ein lebhaftes Rostrot, oberseits mit helleren Federsäumen, unterseits mit schwarzen Schaftstrichen sowie schwarzen Flügelspitzen. Erwachsene Rotmilane haben ein grauweißes Kopf-Nacken- und Kehlgefieder. Die Augenfarbe ist ein stechendes Gelb. Unverwechselbar ist sein tiefgegabelter Schwanz, der ansonsten nicht bei unseren heimischen Greifvögeln vorkommt, außer bei seinem nahen Verwandten, dem Schwarzen Milan.
Der Rotmilan kommt vor allem in Zentraleuropa vor. Erstaunlicherweise kommt von den geschätzt 29000 gesamt vorkommenden Milanen weltweit die Hälfte der Brutpaare in Deutschland vor. Im Jahr 2000 war der Rotmilan Vogel des Jahres, wobei die Gefährdungsstufen in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich bewertet wurden. Die stärksten Rückgänge waren im Osten zu verzeichnen. Global ist der Bestand weniger geworden, aber in Ländern wie Tschechien, Italien oder der Schweiz gibt es sogar steigende Populationen.
Ähnlich verhält es sich in unserer Heimat. Sah man früher den Rotmilan nur im Herbst und Frühjahr auf dem Durchzug, so sieht man ihn seit fünf Jahren mit steigender Tendenz immer mehr, zum Beispiel in Bad Feilnbach oder auf den Panger Feldern.
Seine Stimme ist ein helles, jammerndes, dem Bussard ähnliches „wiäh, wiäh“, das am ehesten in der Nähe seines Horstes zu hören ist. Die Gabelweihe, wie sie im Volksmund genannt wird, sucht ihre Beute im Suchflug und nicht vom Ansitz wie viele andere Greifvögel. Der Rotmilan ist ein Nahrungsgeneralist: ob Regenwurm, Vögel, Mäusen, Maulwurf, Amphibien, Aas und Abfälle aus Mülldeponien – alles wird gefressen. Wenn er am Wasser jagt, stehen auch Fische auf seinem Speisezettel, tot oder lebendig. Rotmilane versuchen auch die Beute anderer Greifvögel, etwa Krähen oder Möwen, zu erbeuten, indem sie diese heftig attackieren und so zwingen, ihre Nahrung hochzuwürgen oder fallenzulassen. Hat er eine Beute erwischt, so tötet er sie nicht mit den Krallen wie ein Grifftöter, sondern durch heftige Schnabelhiebe.
Im März kommen die Rotmilane aus ihren meist spanischen Winterquartieren zurück. Ihre Horste werden neu gebaut oder alte Horste genützt. Ist der Unterbau aus groben Ästen, so ist die Nestmulde aus organischem Material – so auch aus getrockneten Kuhfladen oder Plastikmüll aus Resten von Deponieanlagen. Diese werden nicht selten zur Todesfalle für Jungvögel. Was die Altvögel dazu veranlasst, solches Zeug in ihren Horst zu packen, weiß niemand.
Meist drei grau-braun gefleckte Eier legt das Weibchen und bebrütet sie allei-ne 32 Tage lang. Das Männchen versorgt sie mit Nahrung. Vom ersten Ei an wird gebrütet. So sitzen die Jungen mit erheblichen körperlichen Unterschieden im Horst. Sind die jungen Rotmilane erfolgreich ausgeflogen, so beträgt die weitere Betreuung durch die Altvögel nur noch drei Wochen.
Die Jungen verlassen dann das Horstgebiet und sind selbstständig. Von September bis Mitte Oktober verlassen „unsere“ Milane ihre Gegend und überwintern in den Mittelmeerländern, wobei der Trend seit 1960 zu immer mehr Teilziehern geht, bedingt durch die milden Winter und die offenen Mülldeponien, die in allen Landkreisen nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Sie bedeuteten eine weitere Nahrungsquelle für den Rotmilan. Nicht dass er dabei nur Nahrungsreste nutzt, er rückt auch den grauen Nagern, den Wanderratten, zu Leibe.
In der Folge wurden die offenen Deponien geschlossen – und keiner weint ihnen eine Träne nach, auch wenn man ein Fan des Roten Milan ist. Umso dringender ist es, diesem wunderbaren Greifvogel eine natürliche Lebens- und Ernährungsweise zu erhalten. Das wären viele extensiv genutzte Flächen, kleinstrukturierte bäuerliche Flächen sowie das Nicht-Abholzen von Altholzbeständen in der Nähe ihrer Horstbäume.
Wenn das alles eingehalten würde, stimmte das lateinische Sprichwort: „Milvus no carat muscam – Der Milan kümmert sich nicht um die Fliege.“